Personalmagazin 11/2018 - page 43

den Teilnehmern einen Perspektivenwechsel ermöglichen will.
Da kann ein Höchstleistungssportler einen wunderbaren Beitrag
leisten, genauso wie die teilnehmenden Führungskräfte oder
sozial Benachteiligten. Wir arbeiten auch mit einer Behinderten-
werkstatt in Bad Aibling zusammen. Wir wollen Führungskräfte
animieren, sich dort einzubringen, mitzuarbeiten, um eine neue
Sichtweise einzunehmen. Ich glaube, das ist etwas, was Führung
heute braucht. Auch der für Juni 2019 geplante Kongress soll an
den Themen Strategieumsetzung, Innovation, Agilität, neuer
Führungslandkarte und Persönlichkeit arbeiten.
Herr Lahm, Sie sind selbst Unternehmer. Wie führen Sie in
Ihren eigenen Unternehmen? Ist das vergleichbar mit dem
Fußballplatz oder sind Sie jemand, der eher auf Beteiligung
setzt, der motiviert und anleitet?
Lahm: Ich würde das „Oder“ weglassen. Auf dem Fußballplatz
ist Führung beteiligungsorientiert. Jeder soll sich beteiligen. Der
Begriff „Lern- und Diskussionsraum“ ist auch dort nicht fehl am
Platz. Wenn ich ein Anliegen habe, dann soll ich das auch sagen
dürfen. Ich habe immer versucht, alle mitzunehmen. Allerdings
muss dann irgendjemand eine Entscheidung treffen. Im Fußball
trifft der Trainer die Entscheidung. Als Kapitän kann ich ihm
mein Wissen, das ich im Austausch mit den Spielern erworben
habe, zur Verfügung stellen. Genauso versuche ich das im Unter-
nehmen. Ich will alle mitnehmen, jeder soll sich beteiligen. Aber
am Ende muss jemand eine Entscheidung treffen.
Was denken Sie über hierarchische Führung? In einem Bei-
trag auf Linkedin haben Sie den Führungsstil von Bundes-
trainer Jogi Löw kritisiert: Dieser sei zuwenig straff gewesen.
Lahm: Da muss man unterscheiden: Unternehmen sind ver-
schieden und brauchen auch verschiedene Führung. Geht es
eher um Kreativität und Innovation, ist eine stark-hierarchische
Struktur aus meiner Sicht eher bremsend. Aber Hierarchie ist
wichtig – sowohl im Unternehmen als auch im Fußball. In mei-
ner Zeit als Kapitän kam auch die Kritik auf, es gebe gar keine
Hierarchie. Das war falsch. Ich habe flache Hierarchien prak-
tiziert, jeder – auch die jungen Spieler – sollte sich beteiligen,
damit der Abstand nicht zu groß wird. Das halte ich für sehr
wichtig. Hierarchie schafft in gewisser Weise auch Ordnung in
einem Gefüge von verschiedenen Leuten.
Hackl: Das wissen wir auch aus vielen Forschungsergebnissen:
Bis auf wenige Ausnahmen im Kreativbereich wird ein völliges
Fehlen von Hierarchie nicht funktionieren. Hierarchie wird es
immer brauchen.
Besteht da nicht einWiderspruch zwischen IhremBuch und
dem, was Sie auf Linkedin geschrieben haben? ImBuch „Der
feine Unterschied“ sprechen Sie sich stark für flache Hierar-
chien aus, imLinkedin-Beitrag schreiben Sie, dass Herr Löw
seinen „kollegialen Führungsstil“ ändern müsse.
Lahm: An sich ist das kein Widerspruch, da es um andere
Generationen von Spielern geht, und diese müssen anders an-
gesprochen werden. Aber das heißt nicht, dass ich die Spieler
der jüngeren Generation nicht miteinbeziehen kann oder sollte.
Verschiedene Menschen brauchen verschiedene Führung – je
nachdem, welchen Einfluss sie bislang erlebt haben. Das ist
nicht negativ gemeint, sondern heißt, dass ich meine Führung
situationsgerecht anpassen muss.
Wie wichtig sind Rituale für die Führung?
Lahm: Rituale können ganz verschieden ausgeprägt sein. In
meiner Zeit als Sportler hatten manche Spieler enorme Rituale.
Dabei ging es in erster Linie darum, sich Sicherheit zu geben
und sich vorzubereiten. Bei mir gab es nicht das eine Ding, das
ich immer genauso machen musste. Vielmehr wusste ich: Jetzt
fahren wir mit dem Bus dorthin, dann ziehe ich mich sofort um
und bin fertig. Ich kann mich in wenigen Momenten vor Ort auf
das Spiel einstimmen – vielleicht war das mein Ritual. Jedenfalls
musste ich nicht immer den rechten Schuh zuerst zubinden, wie
manche Teamkollegen. Aber ich denke, in der Firma ist es für
viele genauso wichtig, Rituale zu haben. Zum Beispiel ist es gut,
einen Tag zu haben, an dem sich alle zusammensetzen, um über
die Erfolge der vergangenen Woche zu sprechen und darüber, wo
es hingehen soll, wie die Ziele in der kommenden Woche erreicht
werden und wer welchen Bereich angeht. Rituale im Unter-
nehmen halte ich für wichtig, um eine klare Linie vorzugeben.
Viele Vereine arbeiten inzwischen mit Big Data und Ana-
lysen. Welche Rolle spielt das für die Führung?
Lahm: Sich mehr Daten für Entscheidungen zu holen und
mehr Analysemöglichkeiten zu nutzen, ist ein wichtiges Thema.
„Es geht um die
eigene Haltung.
Führung
bedeutet für
mich, tagtäglich
zu zeigen: Ich
gehe als Kapitän
voran – einen
Weg, dem alle
folgen können.“
Philipp Lahm
Führungsentwicklung
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