Personalmagazin 11/2018 - page 42

Personalmagazin: Herr Lahm, warum initiieren Sie als Fuß-
ballweltmeister und ehemaliger Kapitän der deutschen Na-
tionalmannschaft ein Institut für Führungskräfteentwick-
lung?
Philipp Lahm: Im Rückblick auf meine Karriere habe ich
festgestellt, dass viele Entscheidungen Führungsentscheidun-
gen waren: Wie stelle ich die Mannschaft auf? Wie bewege ich
die Mannschaft zu Höchstleistungen? Das hat nicht nur mich
persönlich als Kapitän betroffen, sondern vor allem auch die
Trainer: Wie führen Trainer in verschiedenen Situationen? Das
waren die entscheidenden Fragen. Ende 2017 lernte ich Profes-
sor Benedikt Hackl auf einem Führungsworkshop kennen und
wir stellten fest, dass das super zusammenpasst. Wir lernen
sehr viel voneinander und so können wir uns gut austauschen.
Ich glaube, dass sich viele Unternehmen fragen: Wie wollen
wir arbeiten? Wie schaffen wir Prozesse und Strukturen, um
höchstleistungs- und innovationsfähig zu werden? Das wird in
Zukunft ein zentrales Thema sein.
Warum finden Sie das Thema Führung so spannend?
Lahm: Die meisten Entscheidungen im Fußball waren Füh-
rungsentscheidungen. Da ich Kapitän von zwei Mannschaften
war – beim FC Bayern München und in der Nationalmannschaft
– musste ich mit allen beteiligten Personen kooperieren und
mir ihre Meinungen anhören. Es ging um Zuhören, Beteiligen,
Rollen analysieren, Brücken bauen, aber auch manchmal darum,
harte Entscheidungen zu treffen, die ich vertreten musste und
zu denen ich stehen konnte. Es war sehr interessant zu erfahren,
wie die einzelnen Personen Führung gelebt haben – ob es Trainer
waren, Vorstände oder das Präsidium, auch die Spieler. Jeder
muss in irgendeiner Form Führungsaufgaben übernehmen.
Deshalb ist das Thema so wichtig und so spannend.
Eine Mannschaft besteht aus vielen Einzelplayern. Wie
schafft ein Kapitän es, die Strategie und seine Vorstellun-
gen, wo es hingehen soll, in die Köpfe der Leute zu bringen?
Lahm: Es geht um die eigene Haltung. Im Sport ist es sogar
einen Tick einfacher, durch das eigene Vorbild etwas zu be-
wirken, weil hier vor allem die Leistung zählt. Wenn ich meine
Leistung tagtäglich bringe – auf dem Trainingsplatz und im Spiel
– rutsche ich in der Hierarchie automatisch weiter nach oben.
Das war übrigens auch ein Grund für mich, meine Karriere zu
beenden. Führung bedeutet für mich, tagtäglich zu zeigen: Ich
gehe als Kapitän voran – einen Weg, dem alle folgen können.
In meiner letzten Saison habe ich dann gemerkt, dass ich das
nicht mehr jeden Tag vermitteln kann. Ähnlich wie im Fußball
ist das im Unternehmen auch: Wenn ich die Leute mitnehmen
will, sind heute in erster Linie die eigene Leistung und Haltung
ausschlaggebend. Deshalb wird Führung auf Zeit auch ein großer
Diskussionspunkt in Unternehmen sein.
Herr Professor Hackl, inwiefern hat sich der Anspruch an
Führung in der Unternehmenslandschaft verändert?
Benedikt Hackl: Bislang haben die meisten Unternehmen
Routinen perfekt gemanagt und über die Effizienz Gewinne
erzielt. Jetzt müssen Unternehmen deutlich innovationsorien-
tierter arbeiten und damit verändert sich ihre Führungsland-
schaft. Das ist auch der Antrieb für den „21. Raum“. Heute geht
es nicht mehr darum, einmal Führungskraft zu werden und
dann immer Führungskraft zu bleiben. Sondern ich muss mir
den Führungsanspruch über Leistung immer wieder erarbeiten.
Aber es gibt noch viele Karrieren, bei denen jemand irgendwann
eine Teamleiterposition einnimmt und dann mit 65 Jahren
als Abteilungs- oder Bereichsleiter in Rente geht, egal, ob er
Leistung gebracht hat oder nicht. Da ist es kein Wunder, dass
viele Studien belegen, dass die Motivation der Mitarbeiter sinkt.
Lahm: Genauso ist es im Fußball: Dass jeder Einzelne moti-
viert ist, ist eine Idealvorstellung. Schwierig ist es, Spielern, die
nicht aufgestellt sind, trotzdem zu erklären: „Das ist unser Weg
und du bist wichtig. Wir brauchen dich. Auch deine tägliche
Arbeit im Training ist wichtig für die Gemeinschaft.“ Auch das
ist Führung – nicht nur des Kapitäns, sondern von den fünf bis
sechs Spielern in einer Mannschaft, die die Richtung vorgeben.
Es geht darum, auch die Spieler, die nicht im Vordergrund stehen
und jedes Wochenende spielen, trotzdem einzufangen und auf
einen gemeinsamen Weg mitzunehmen.
Hackl: Genau das wollen wir im „21. Raum“ zum Thema ma-
chen. Es ist ein Lern- und Diskussionsraum für Führung, der
Philipp Lahm war Kapitän der deutschen Nationalmannschaft,
als diese die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien gewann. Er
spielte für den FC Bayern München und beendete seine aktive
Karriere zum Ende der Saison 2016/17. Er ist Alleininhaber
der Sixtus Werke, eines Herstellers von Pflegeprodukten, und
Mehrheitseigentümer bei Schneekoppe. Zudem gründete er
2007 die Philipp-Lahm-Stiftung, die benachteiligte Kinder
und Jugendliche fördert.
Strategie & Führung
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