PERSONALquarterly 2/2019 - page 57

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02/19 PERSONALquarterly
PROF. DR. FLORIAN ENGLMAIER
Lehrstuhl für Organisationsökonomik
Volkswirtschaftliche Fakultät
Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)
professoren/prof_englmaier
Die Nähe zur Wirtschaftspraxis hat freilich Grenzen. Schwie-
rig sei es, Experimente in Unternehmen zu installieren. „Evi-
dente Ergebnisse zu erzielen, setzt voraus, objektivierbare
Maße zu definieren“, sagt der Wissenschaftler, „das funktio-
niert mit Routinen eher.“ Mit seinem Hochschulteam hat er
bereits Elemente wie Pünktlichkeit und Benutzerbewertung
herangezogen. Dennoch: Dinge ergebnisoffen auszuprobieren,
das gehört auf dem neuen Feld der Digitalisierung ebenso da-
zu wie konzentrierte Neugierde. Etwa auf ein Thema, das der
Wissenschaftler auf seinen Forschungsstationen im Gepäck
hatte: Anreize. Schon in seiner Diplomarbeit interessierten
ihn Präferenzen und reziprokes Verhalten. In seiner Disser-
tation untersuchte und beschrieb Englmaier „The Effects of
Preference Characteristics and Overconfidence on Economic
Incentives“. In den USA dann konnte er theoretische Wirkungs-
zusammenhänge in der Feldforschung testen und überprüfen.
Und das im doppelten Wortsinn, denn es wurden Salatpflücker
in den Mittelpunkt von variierenden Anreizsystemen gestellt.
Die Ernteteams unterlagen komplexen Anforderungen, sowohl
der Quantität als auch der Qualität. Deutlich wurde, dass An-
reize verständlich sein müssen, um zu wirken. „Wenn Verwir-
rung entsteht“, so Englmaier, „kann ich das Verhalten nicht
maximieren.“
Forschung für Menschen
Der Universitätsprofessor versteckt seine Forschungsergeb-
nisse keineswegs. Auch will er nicht nur unter seinesgleichen
agieren. Deshalb sind Veröffentlichungen in hochrangigen
internationalen Wissenschaftsjournalen für Florian Engl-
maier ebenso selbstverständlich wie der Wissenstransfer auf
einfacher gestrickten Kanälen. Mit seinem Lehrstuhlteam
publiziert er über Podcast, auf Youtube oder in traditionellen
Blättern wie der Süddeutschen Zeitung. Seine Forschung soll
Menschen erreichen. Manche Versuche eignen sich dazu be-
sonders, weil sie sehr plastisch aufgebaut sind. So haben die
Verhaltensökonomen 900 Teams kreative Rätsel lösen lassen.
Einige wurden bezahlt, andere spielten aus Spaß. Wenn ihnen
die Lösung in 45 statt in 60 Minuten gelang, konnten die Teams
50 Euro gewinnen – ein Anreiz, der auf die Spaßspieler weitaus
weniger wirkte als auf die, die Gehalt bezogen. Das Youtube-
Video „Incentives boost team performance“ wiederum zeigt,
dass Boni positiv auf die Leistung wirken, aber dieser Anreiz
nicht endlos zu steigern ist.
Sein Anliegen, zeitgemäße Wirtschaftsforschung zu betrei-
ben, hat Auswirkungen auf die Lehre. In der Volkswirtschaft
will er ganz klassisch im ersten Semester die Basis legen zu An-
gebot und Nachfrage auf dem Markt, zur Kosten-Nutzen-Relati-
on einer Aktion, zu strategischen Interaktionen. Doch schon zu
Beginn ruft er die Studierenden zum sensiblen Umgang mit der
Sprache auf: Korrelation und Kausalität zu unterscheiden – frü-
her mit der Zahl der Störche und Kinder in einer Region, heute
im Datenpool – ist ein Lernziel. Und zwar eines für kommende
Manager wie für Wissenschaftler in spe. Für Letztgenannte ist
die Diskussion mit der internationalen Community Austausch
und Ansporn. Florian Englmaier arbeitet dort mit. Er ist Mit-
glied der American Economic Association, der Econometric So-
ciety, der European Economic Association und des Vereins für
Sozialpolitik. Auch als Research Fellow des Centre for Economic
Policy Research (CEPR) des Münchner CESifo-Netzwerks ist
er aktiv, beim DFG Sonderforschungsbereich Rationality and
Competition ist er im Vorstand. Als Sprecher der Munic Gradu-
ate School of Economics und als Mit-Sprecher des internationa-
len Doktorandenkollegs Evidence Based Economics engagiert
er sich in der Nachwuchsausbildung. München macht Florian
Englmaier für sich zum Tor zur Wissenschaftswelt.
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