PERSONALquarterly 2/2019 - page 58

PERSONALquarterly 02/19
58
SERVICE
_EVIDENZ ÜBER DEN TELLERRAND
M
it der Digitalisierung und der damit einherge-
henden Konvergenz der Medien, also demZusam-
menwachsen verschiedener Mediengattungen
und der Multifunktionalität der Plattformen, un-
terlag und unterliegt die Medienlandschaft einer sehr großen
Dynamik. Allerdings geschieht dies in den unterschiedlichen
Bevölkerungsgruppen in einem jeweils eigenen Tempo. Die
Relevanz der verschiedenen Mediengattungen zur Meinungs-
bildung in der Bevölkerung untersuchen die Medienanstalten
Studien befasst sich mit der Meinungsbildungsrelevanz von
vermittelnden Plattformen ohne eigene Inhalte wie Suchma-
schinen, Videoportalen, Messengern oder Social-Media-Ange-
boten, den Intermediären
iese Studie zeigt in der Medi-
ennutzung deutliche Unterschiede nach dem Alter. Während
bei den 14- bis 29-Jährigen 67,8 Prozent am Vortag der Befra-
gung einen Intermediär, also Plattformen wie Google, Youtube,
Facebook und Whatsapp zur informierenden Mediennutzung
verwendet haben, sind dies bei den 30- bis 49-Jährigen nur
41,9 Prozent und bei den über 50-Jährigen nur noch 15,4 Pro-
zent. Dieses Ungleichgewicht fällt bei Nutzern über 70 und 80
Jahren, die weitaus seltener Zugang zum Internet haben, noch
deutlicher aus.
Eine besonders große Bedeutung haben das Internet und
seine Angebote in der Generation der Jugendlichen. Einen ge-
naueren Blick auf die Mediennutzung der heute 12- bis 19-Jäh-
rigen erlaubt die JIM-Studie (Jugend, Information, Medien) des
Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest
ese seit 20 Jahren kontinuierlich erhobene, reprä-
sentative Befragung zur Mediennutzung zeigt die Vorlieben
der Heranwachsenden. Demnach verbringen die Jugendlichen
durchschnittlich 214 Minuten pro Tag im Internet. Hauptzu-
gangsgerät ist nicht der PC, sondern das Smartphone: 97 Pro-
zent der Jugendlichen besitzen ein Smartphone und können
überall und zu jeder Zeit online gehen. Webseiten, die nicht für
das Smartphone konzipiert sind, haben bei dieser Zielgruppe
wenige Chancen.
Und: Jugendliche begeben sich über Intermediäre ins Netz.
Der Zugang zu Inhalten erfolgt also meist vermittelt durch eine
Suchmaschine wie Google, Videoplattformen wie Youtube oder
soziale Netzwerke wie Instagram und Snapchat. Die Kommuni-
kation im Freundeskreis erfolgt flächendeckend via Whatsapp.
Fragt man Jugendliche nach ihren drei liebsten Internetange-
boten, so liegt an erster Stelle Youtube mit 63 Prozent, gefolgt
vom Messenger Whatsapp mit 39 Prozent. 30 Prozent prä-
ferieren Instagram gefolgt von Netflix (18%), Snapchat (15%)
und Google (12%). Mit deutlichem Abstand folgen Spotify und
Facebook mit jeweils sechs Prozent.
Facebook nutzen fast nur noch junge Erwachsene, für die
Jüngeren ist die Plattform kaum eine Option. Dies ist bemer-
kenswert, da Facebook mit verschiedenen Funktionen und
Formaten eine differenziertere Kommunikation erlaubt als die
heute angesagten Plattformen. Das betrifft werbliche Inhalte,
also das direkte Geschäftsmodell, aber auch Jugendorganisati-
onen, Vereine sowie lokale, kulturelle und soziale Netzwerke,
die mit Facebook bisher ihre Klientel über Veranstaltungen
informieren, für Aktionen mobilisieren oder schlichtweg mit
ihr Kontakt halten konnten. Eine vergleichbare Verbreitung hat
heute nur noch Whatsapp, was von den Jugendlichen aber eher
als privater Chat-Kanal denn als Massenmedium verstanden
wird. Auch die aktuell angesagten Social-Media-Plattformen
wie Instagram und Snapchat folgen einer jeweils eigenen Lo-
gik. „Storys“ (kurze Filmsequenzen) oder „Snaps“ (kurze Vi-
deos), die sich selbst wieder löschen, müssen jeweils für diese
Plattformen und deren Funktionalitäten entworfen werden.
Die zentrale Bedeutung von Youtube als Videoplattform, die
von Jugendlichen inzwischen oft wie eine Suchmaschine ver-
wendet wird, zeigt ebenfalls den Trend hin zu einer verstärkten
Kommunikation über Bewegtbild.
Unternehmenskommunikation muss sich anpassen
Die Frage der Erreichbarkeit im Zeitalter nach Facebook – aus
der Sicht Jugendlicher also heute – dürfte auch in der Kom-
munikation von Unternehmen, etwa bei der Rekrutierung
von Auszubildenden, eine Hürde darstellen. Denn ungefragt
ausgespielte Inhalte müssen schon sehr authentisch sein, um
Akzeptanz zu finden. Sich selbst verbreitende, virale Botschaf-
ten zu initiieren, dürfte nur wenigen gelingen. Angesichts der
hohen Dynamik der Mediennutzung bei dieser Altersgruppe
gilt es vor allem, immer am Ball zu bleiben, um die jeweiligen
Plattformen zu verstehen und um dann passgerechte Angebo-
te zu erstellen.
Getrennte Medienwelten bei Jung und Alt
Thomas Rathgeb,
Leiter der Abteilung Medienkompetenz, Programm und Forschung bei der Landesanstalt für Kommunikation
Baden-Württemberg (LFK), Stuttgart
1...,48,49,50,51,52,53,54,55,56,57 59,60
Powered by FlippingBook