Immobilienwirtschaft 7-8/2019 - page 59

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Ein Bestandsquartier mit 700 Wohnungen wird intelligent vernetzt. In der Kölner Stegerwald-
siedlung sorgen nun selbstlernende Algorithmen und Big Data für hohen Wohnkomfort und
Energieeffizienz. Prozessautomatisierung spart speziell bei den nicht umlagefähigen Kosten.
langfristig das Ziel sein“, erklärt Giebels.
„Wer die Kosten noch scheut, kann sich
mit Zwischenlösungen behelfen. In Ge-
bäuden, in denen intelligenteMesssysteme
noch nicht vorgeschrieben sind, lassen
sich etwa mit einer Ablese-App viele Vor-
teile realisieren, wie die Steigerung der
Datenqualität, höhere Prozessgeschwin-
digkeit, vollumfängliche Nutzung für alle
Medien und Kostenreduzierung.“
Auch in der Stegerwaldsiedlung galt es
erst einmal Überzeugungsarbeit zu leisten.
Die Anwohner aber waren dort nicht das
Problem. „Als das Konzept für die intelli-
gente Vernetzung dann stand, musstenwir
die Projektträger davon überzeugen, dass
wir der richtige Partner für die Umsetzung
sind.“ In Mülheim konnte RheinEnergie
alles aus einer Hand bieten, zusammen
mit Schwester- und Partnerunternehmen
aus dem Stadtwerke-Konzern: ÖPNV,
Abfall, Telekommunikation, Stadtreini-
gung. Andernorts realisiert sie ihre Kon-
zepte mit den angestammten Partnern.
Grundsätzlich besteht bei solchen neuen
Lösungen ein hohes Investitionsrisiko.
„Das lässt sich in Kooperationen besser
stemmen“, so Südmeier.
In der Stegerwaldsiedlung ist der
Ener
gieverbrauch von jährlich 130 bis
140 Kilowattstunden je Quadratmeter
auf nun 30 bis 40 Kilowattstunden gesun-
ken. Der CO
2
-Ausstoß der Siedlung soll
nach Abschluss aller Sanierungsarbeiten
um 60 bis 70 Prozent gesenkt worden
sein. „Wenn wir beim Klimawandel vo-
rankommen wollen, müssen wir uns um
denGebäudebestand alter Quartiere küm-
mern“, ergänzt Achim Südmeier. „Dort
lässt sich durchmehr Energieeffizienz und
eine intelligente Steuerung viel erreichen.“
Keine kleine Aufgabe. Denn mehr als 50
Prozent aller Wohnungen in Deutschland
stammen noch aus der Zeit vor 1970.
fließt er in die Batterie-Speicher – oder
wird über ein mit dem Siedlungsmanage-
ment verbundenes virtuelles Kraftwerk an
der Strombörse vermarktet.
Das Siedlungs­
management wird
zunehmend digital
Neben dem Siedlungsmanagement
können die Bewohner zum Beispiel auf
einen Mobilitätshub zugreifen. Dieser ist
mit Elektroautos, Leihfahrrädern, Lade-
säulen und einer Bushaltestelle der Kölner
Verkehrsbetriebe ausgestattet. Bewohner
der Siedlung können mit einer App vor
Ort Fahrräder reservieren oder schauen,
welche Ladesäule und welcher Parkplatz
in der Siedlung gerade frei sind. Der Ak-
ku-Füllstand des Leihwagens lässt sich an-
zeigen. Außerdem können sich die Mieter
jederzeit über den aktuellen Energiever-
brauch ihres Hauses informieren.
Dirk Giebels, Leiter Vertrieb Woh-
nungs-, Immobilienwirtschaft und Bau-
träger bei der RheinEnergie, beobachtet,
„dass die Wohnungswirtschaft die Bereit-
schaft derMieter unterschätzt, sich auf die
neuen digitalen Angebote einzulassen“.
Auf der anderen Seite steige in derMieter-
schaft die Erwartung in Bezug auf Kom-
munikation und Interaktion. „Vor allem
jüngere Mieter möchten ihre Angelegen-
heitenmit demVermieter ähnlich einfach
wie Online-Banking abwickeln können.
Dass dahinter sehr komplexe Prozesse
stecken, die erst einmal beherrscht wer-
den müssen, spielt für die Bewohner kei-
ne Rolle.“ Vermietern empfiehlt Giebels,
denWeg zur Volldigitalisierung frühzeitig
einzuschlagen und Aufgabenpakete bzw.
Themenfelder zwecks einer Umsetzung
zu schnüren. „Die Prozessautomatisie-
rung birgt gerade bei nicht umlagefähigen
Kosten große Einsparpotenziale und sollte
«
Rainer Pitzen, Dipl.-Ing. Eletrotechnik,
Key-Account-Manager
STEGERWALDSIEDLUNG
Ursprungsbaujahr: 1955
Sanierung: 2015-2019
Gebäude: 16, insg. 33.529 m²
Wohneinheiten: 688
Bewohner: rund 1.100
Spez. Energiebedarf (vor
Sanierung): 130-140 kWh/m²/a
Spez. Energiebedarf (nach
Sanierung): 30-40 kWh/m²/a
Verbaute Module:
Fotovoltaik: 6.126 m², 1.084 kWp
(Ertrag: 766.375 kWh/a)
41 Luft-Wasser-Wärmepumpen
(Ertrag: 429 kWth, 184 kWel)
16 Batterie-Speicher
(210 kW bzw. 655 kWh)
Fernwärme: 1743 kW/a
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