Immobilienwirtschaft 7-8/2019 - page 62

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TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
I
SMART COMMERCIAL BUILDING
tung einer Bestandsimmobilie“, schätzt
Björn Schuster, Business Development des
Gebäudeautomationsspezialisten N+P.
Er empfiehlt folgende drei Schrit-
te zur generellen Umsetzung von Smart
Commercial Buildings: Auswahl und Ins­
tallation der nötigen Sensoren für Tem-
peratur, Feuchtigkeit, Licht, Luftqualität,
Bewegung. Dann Auswahl und Installati-
on der Aktoren für Fenster, Türen, Alarm-
anlagen, Klimaanlagen, Lüftungsanlagen,
Beleuchtungssysteme und deren Vernet-
zung. Beim cube in Berlin wäre dies das
Brain. Im letzten Schritt muss diese Platt-
form in die Lage versetzt werden, automa-
tisierte Handlungsabläufe auszulösen und
aus denDaten quasi zu lernen. Sie reagiert
also schon prognostisch auf zu erwartende
Tagestemperaturen für die Regelung von
Heizungs-, Klima- und Lüftungsanlagen.
Oder sie bestellt einen Reinigungsdienst,
wenn Schnee oder Eis zu erwarten sind,
um etwa den Eingangsbereich rutschfest
zu machen.
Solche Technologien sind in der Lage,
sowohl für Investor als auch für Betrei-
ber neue Geschäftsfelder zu erschließen
und Gewinne zu erwirtschaften. Klaus
Dederichs, Associate Partner sowie Nie-
derlassungsleiter von Drees & Sommer in
Aachen, rechnet bei einerMehrinvestition
von 2,5 bis fünf Prozent bei den Baukosten
mit einem höheren Gewinn je nach Ge-
schäftsmodell von sechs bis zehn Prozent.
Darin läge auch die große Chance, die bis-
herigen unterschiedlichen Interessen von
Investoren und späteren Betreibern unter
einen Hut zu bringen (siehe auch Inter-
view „Den optimalen Betriebspunkt fin-
den“). Reinartz sieht sowieso einen Trend,
dass Investorenmehr undmehr zu Betrei-
bernwerden, da das Betreiben vonGebäu-
den als Dienstleistung rentabler sei als die
reine Investition. Dennoch bliebe noch die
Frage, wer bereit sei, für welche Technik
und für welchen Service zu zahlen.
Während sich diese Sicht zumindest
bei privaten Investoren langsam durchzu-
setzen scheint, ist die öffentliche Hand da-
von noch weit entfernt. „Da geht es häufig
nur um die Kosten. Die Betreiberkosten
werden kaum berücksichtigt“, so Klaus
Jung, Geschäftsführer des Industriever-
bandes ZVEI. Nach seinen Schätzungen
beliefen sich die Nebenkosten eines nicht
effizienten, weil nicht automatisiertenGe-
bäudes bei einer 50-jährigen Laufzeit auf
das 100fache des Errichtungspreises.
«
Frank Urbansky, Leipzig
Herr Dederichs, wie sehen Sie
den Stand von Smart Commer-
cial Building?
Das ist längst kein
Hype mehr. Bei Drees & Sommer
begleiten wir Projekte mit einem
Bauvolumen von mehreren
Milliarden Euro, etwa das Quartier
Heidestraße in Berlin oder Spring-
Park Valley in Frankfurt am Main.
Allerdings bevorzugen wir den
Überbegriff „Customized Smart
Building“, weil wir digitalisierte
Gebäude an den jeweiligen Bedarf
des Kunden anpassen. Außerdem
deckt dieser Begriff auch öffent-
liche Bauten ab.
Wie kam es zu dieser Ent-
wicklung?
Die Kunden haben
verstanden, dass dieses Thema in-
teressant ist und ihnen zusätzliche
Business-Modelle ermöglicht. Und
zwar weil wir nicht das smarte Ge-
bäude an sich in den Vordergrund
stellen, sondern die Bedürfnisse
der Benutzer analysieren und die
Immobilie dann entsprechend
ausstatten. Wir nennen das Anfor-
derungsmanagement.
Was verändert sich dadurch
für den Immobilienbetreiber?
Er wird in Zukunft wie Uber oder
Airbnb agieren. Im Fokus steht der
Plattform-Gedanke, also wie er das
Gebäude nach den Anforderungen
der Kunden ausrichten und steuern
kann. Das betrifft eben nicht nur
das Verkaufen oder Vermieten von
Flächen, sondern alle Dienstleis
tungen, die im Gebäude benötigt
werden, vom Hemdenwaschen bis
hin zum Essenbestellen. Wir bauen
also nicht nur tolle Sensoren und
Aktoren ein, sondern entwickeln in
erster Linie auch Geschäftsmodelle
für den Nutzer und den Investor.
Dabei muss Digitalisierung immer
einen Mehrwert haben. Warum
also nicht die Möglichkeiten einer
digitalisierten Verkehrssteuerung
nutzen und Autos abends in
leere Parkhäuser umleiten? Mit
Gebäuden, die smart sind und
gerade auch die Digital Natives an-
sprechen, steigern Unternehmen
außerdem ihren Ruf als Home
for Talents für hochqualifizierte
Absolventen.
Ist dies auch eine Lösung für
Bestandsgebäude?
Definitiv. Wir
machen gerade für eine Firma aus
der Automotive ein Konzept, wie
wir rund 250 Immobilien sinnvoll
digitalisieren. Hier steht das Facility
Management und damit der Mehr-
wert im Mittelpunkt, denn die
Gebäude sollen so effizient wie
möglich verwaltet werden, was
wiederum auch der Produktion
hilft. Andere machen das schon,
darunter große deutsche Versi-
cherer und Fondsgesellschaften.
Alle haben ein großes Portfolio an
Bestandsimmobilien, für die wir
eine Immobilienplattform entwi-
ckeln, die das Asset Management,
Property Management und Facility
Management und damit den Be-
trieb der Immobilien auf ein neues
Niveau bringt. Im Vorfeld werden
die bestehenden Gebäude durch
einen Digital Ready Check auf die
Konnektivität überprüft. Ich muss
dazu auch nicht jedes Gebäude
auf das gleiche technische Niveau
und den gleichen digitalen Stand
bringen.
Kann mit diesem Konzept die
Diskrepanz der finanziellen
Interessen zwischen Investoren
und späteren Nutzern oder
Facility Managern überwunden
werden?
Auf jeden Fall, denn
solch ein Haus kann mehr leisten
und ist dann natürlich mehr wert.
Wir führen etwa Investoren und
Nutzer in Workshops zusammen.
Dabei können wir beobachten,
dass sich beide die Mehrkosten
teilen. Früher war es ja häufig so,
dass einer zahlte und der andere
den Nutzen hatte.
Wohin wird die Entwicklung
gehen?
Aktuell hemmt uns noch
das alte Denken. Wir machen es
wie immer, hört man meistens
von den Bauherren, Planern und
Projektbeteiligten. Die Künstliche
Intelligenz wird aber in den
nächsten Jahren dazu führen, dass
wir das Nutzerverhalten besser
verstehen lernen. Smarte Gebäude
werden dann im Sinne der Nutzer-
zufriedenheit im optimalen Punkt
betrieben.
INTERVIEW
MIT KLAUS DEDERICHS
Den optimalen Betriebspunkt finden
Foto: Drees & Sommer
Klaus Dederichs,
Associate Partner,
Head of ICT, Drees
& Sommer
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