Immobilienwirtschaft 5/2019 - page 34

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FINANZIERUNG, INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
KOLUMNE
fenbar steil nach oben entwickelt hat. Aber auch entsetzt über
die unerwartete Belohnung, die mir dieses unscheinbare, lang-
weilige Häuschen amWegesrand beschert. Eigentum lohnt sich.
Vielleicht im finanziellen Sinne sogar mehr als Arbeit. Ist das
gewollt und gerecht? Das hat für mich die Frage aufgeworfen,
wem eigentlich die Städte gehören. Und wer profitiert von den
steigenden Lebensqualitäten?
Wer was inDeutschland besitzt, wird nicht so genau ermittelt.
Es scheint kaum jemanden zu interessieren. Aber da pro Jahr
kaummehr als 0,1 Prozent der Flächen den Eigentümer wechseln,
sind die Zahlen aus den 70er Jahren für die alten Bundeslän-
der noch ziemlich aktuell. Etwa zwei Drittel der Flächen sind in
privater Hand. Ein knappes Drittel gehört Bund, Ländern und
Gemeinden, vier Prozent besitzen die Kirchen, den Rest teilen
sichWohnungsgesellschaften, Banken und andere Unternehmen.
Der Anteil derjenigen, dieWohneigentum selbst nutzen, liegt
in Deutschland nur bei mickrigen 45 Prozent. In Europa wohnen
70 Prozent der Europäer im eigenen Heim, sodass Deutschland
in der EUmit Abstand den letzten Platz belegt. In den deutschen
Städten liegt die Quote derWohnungseigentümer bei nur 27 Pro-
zent, in Berlin sogar nur bei 15 Prozent. Das wird vor allem auf
die massiven Zerstörungen vonWohnraumwährend des Krieges
zurückgeführt. Danachwurden in den 50er und 60er Jahrenmas-
senhaft und verdichtet Mietwohnungen gebaut. Wer mal einen
Bedsit in London-Batterseamieten durfte oder sich eine 500 Jahre
alte Wohnung in Bologna mit anderen Studenten geteilt hat oder
M
ein Blick wandert über die beeindruckende Fassade des
Kranzlerecks gegenüber. Die Wolken am Himmel lassen
schon viel von dem leuchtend blauenHimmel durch, wer-
fen aber noch deutliche Schatten auf die Gebäude gegenüber. Das
Büro im fünften Obergeschoss ist geräumig, ein strahlend rotes
Gemälde an der Wand, eher luftige Einrichtung, es sitzen Käufer
und Verkäufer am runden Tisch. Ein einfaches Mietshaus mit
kleinen Wohnungen in Berlin-Mitte wechselt den Eigentümer.
Wir hatten dieses unscheinbare Haus aus den 60er Jahren in
einem Anflug von Steuerpanik kurz vor Jahresschluss von je-
mandem gekauft, der es von der Treuhand erworben und saniert
hatte. So etwas wie Steuerabschreibungen auf Investitionen in den
neuen Bundesländern gab es 1998 noch. Die Republik war davon
ergriffen, möglichst wenig Steuern zu zahlen. Eine Art Volkssport.
Davon hatte ich mich anstecken und überreden lassen.
Wollte ich damals einHaus besitzen? Nein. Warum sollte ich?
Mieten lagen bei 3,50 Euro/Quadratmeter. Die Immobilienpreise
blieben stabil imKeller. Wertsteigerungenwaren nicht unbedingt
zu erwarten. Wollte ich mit dem Haus Geld verdienen? Nicht
wirklich. Die Zinsen undMieteinnahmen hielten sich dieWaage.
Geld verdiente ich auskömmlichmit meiner Arbeit als Architekt,
die mir Freude bereitete.
Aber jetzt wollen sich meine Mitgesellschafter auf dem Land
zur Ruhe setzen und ich muss zu meinem Bedauern und nach
einigem Hin und Her mit ihnen verkaufen. Ich bin erfreut über
den steuerfreien Verkaufspreis, der sich in den letzten Jahren of-
Eigentum
Foto: Dirk Weiß
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