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FINANZIERUNG, INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
FRANKFURTER ALLERHEILIGENVIERTEL
auch ihre Freizeit verbringen können. So
wird im Zuge dieser wichtigen Stadtrepa-
ratur ein urbanes Viertel entstehen, das die
Innenstadt mit den vielfältigen Freizeit-
angeboten entlang des Mains verbindet.
Die Digitalisierung des
Planungs- und Bau
prozesses ermöglicht
anspruchsvolle Architek-
tur, die bezahlbar bleibt
Die Aufwertung des Allerheiligenvier-
tels mit Hilfe der zentralen Grünen Gas-
se stammt aus der Feder des Architekten
Manfred Wenzel, dem Gründer und Ge-
schäftsführer des Frankfurter Architektur-
büros Tektonik. Ohne die Digitalisierung
des Planungs- und Bauprozesses hätte ein
solcher gestalterischer Anspruch an ein
Stadtquartier nur mit einem deutlich hö-
heren Mehraufwand an Kosten und Zeit
umgesetzt werden können.
Andreas Derkum und Nour Toumeh,
zwei mit der planerischen Umsetzung
beschäftigte Architekten, ziehen einen
Vergleich mit einem unmittelbaren Vor-
gängerprojekt von Tektonik: „Anhand der
selbsttragendenNatursteinfassade des Bü-
rohauses FortySeven & Co. im Frankfur-
ter Bankenviertel konnten wir beweisen,
dass hohe Ansprüche an die Gestaltung
auch wirtschaftlich umsetzbar sind. Die
Fassadenteile sind mit großer Geschwin-
digkeit computergesteuert gefräst worden
und just in time auf die Baustelle gelangt.
Dergleichen ist erst durch parametrisches
Design und Algorithmus-basierende
Computerprozesse möglich. In unserer
Planung des Allerheiligenviertels sind
diese ebenso bereits angelegt.“
Im direkten Vergleich mit der Ent-
wicklung des Frankfurter Europaviertels
auf demAreal des ehemaligenGüterbahn-
hofs ist die Planung von Tektonik für das
Allerheiligenviertel wesentlich kleiner
und agiert innerhalb einer existierenden
urbanen Struktur. Ziel der Initiatoren
ist es, dieser einmaligen Chance einer
innerstädtischen Quartiersentwicklung
gerecht zu werden. Insgesamt entstehen
nach derzeitiger Planung 30.141 Quadrat-
meter Bruttogeschossfläche über einer
zweigeschossigen Tiefgarage. Die gesamte
Baumasse differenziert sich in sechs ein-
zelne Gebäude unterschiedlicher Größe
undNutzung sowiemit unterschiedlichen
Fassaden. Zentrales Element ist die Grü-
ne Gasse, eine verkehrsberuhigte, zirka 16
Meter breite und 130 Meter lange Straße
mit einer sechsgeschossigen Bebauung
und zusätzlichen Staffelgeschossen.
Das Projekt richtet sich an ein junges
Publikumund umfasst mehr als 200Woh-
nungen, Büros, ein Serviced Apartment,
ein 150 bis 200 Zimmer umfassendes Ho-
tel sowie in den Erdgeschossen Geschäfte
und Gastronomie mit rund 6.100 Qua-
dratmetern Bruttogeschossfläche. Hier
ist man bereits heute mit diversen Betrei-
bern respektive potenziellen Mietern im
Gespräch.
Unter dem Stichwort Smart Housing
werden unterschiedliche Wohntypen rea-
lisiert, einschließlich digitalemConcierge
und Quartiersmanagement. „Im Aller-
heiligenviertel soll es eine Quartiers-App
geben, die das lokal verfügbare Service
angebot abbildet“, kündigt Wenzel an.
Das soziale Leben soll nicht nur in den
Wohnungen, sondern auch im öffentli-
chenRaum, in denHöfen und Laubengän-
gen stattfinden. Zudem wird die Grüne
Gasse autofrei. Sämtliche Anlieferungen
sollen über die Tiefgarage erfolgen. Der
Unterschied zur benachbarten Shopping-
Meile Zeil wird vor allem sein, dass hier
im Quartier unterschiedliche kleinteilige
Orte mit hoher Aufenthaltsqualität ange-
boten werden.
Das Allerheiligenviertel
hat Potenzial, zu Frank-
furts neuem Szeneviertel
zu werden
Wie mit modernen Stadträumen
umgegangen wird und welche Manage-
ment- undVermarktungskonzepte es gibt,
schauten sich Projektentwickler und Ar-
chitekt im europäischen Ausland an. Von
großem Interesse war, wie der öffentliche
Raum und die angegliederten Wohn-,
Arbeits- und Freizeitbereiche interagie-
ren. Eines der Exkursionsziele war die La
Felicità Foodhall in Paris. Deren Funkti-
onsoberflächen sind voll digitalisiert. Sie
ziehen ein junges, individuelles, gut ge-
bildetes und internationales Klientel an:
„A small city within the city“, wie es die
syrische Architektin Nour Toumeh auf
den Punkt bringt.
Ob sich das Allerheiligenviertel, des-
sen Bauvorbescheid noch 2018 bewilligt
wurde, zu Frankfurts neuem Szeneviertel
mausert, wird sich frühestens nach dessen
Fertigstellung 2021 zeigen. Vieles spricht
dafür, wie man an der starken Akzeptanz
der aktuellen Zwischennutzung der Be-
standsgebäude ablesen kann, unter ande-
rem durch die Städleschule, einer weltbe-
kanntenHochschule für Bildende Künste,
oder durch Pop-up-Installationen wie das
Tor Dining.
«
Christian Brensing, Berlin
30.141
Quadratmeter Bruttogeschoss-
fläche umfasst das Projekt Grüne
Gasse. Diese verteilen sich auf
sechs einzelne Gebäude unter-
schiedlicher Größe und Nutzung.