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POLITIK, WIRTSCHAFT & PERSONAL
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ERBBAURECHT IM SPIEGEL DER VERBÄNDE
F
ür Kommunen und andere Gebietskörperschaften als Eigentümer von Bauland tritt
ein klares Dilemma zu Tage: Verkaufen sie Grundstücke zur Bebauung, wird häufig
eine Veräußerung staatlichen Tafelsilbers beklagt. Verkauft die öffentliche Hand ge-
eignete Flächen nicht, wird diemangelnde Unterstützung bei der Bereitstellung zumBei-
spiel von bezahlbaremWohnraumkritisiert. Eine Erlösmaximierung und eingeschränkte
Steuerungsmöglichkeit der Grundstücksnutzung verstärken das Problem. Das gilt vor
allem bei der Veräußerung des Volleigentums, denn diese führt langfristig dazu, dass
die Kontrolle über die Nutzung verloren geht; eine wirksame Nutzungsbindung kann
bei Veräußerung des Volleigentums nur begrenzt vereinbart werden.
Aufgrund dieser Sachlage spricht sich die RICS für eine intensive Auseinanderset-
zung mit dem Erbbaurecht aus. Dabei ist uns bewusst, dass selbst bei stärkerer Nutzung
nur ein begrenzter Beitrag für die Schaffung von bezahlbaremWohnraumerzielt werden
kann. Um das Instrument aber sinnvoll einsetzen zu können, sind neben politischem
Gestaltungswillen auch technische Standards erforderlich, umdie komplexen Fragestel-
lungen in der Bewertung und Finanzierung adäquat zu bearbeiten.
Bislang wird das Erbbaurecht hierzulande relativ selten angewendet. Nur fünf Pro-
zent der für das Wohnen genutzten Flächen sind auf Erbbaurechten entstanden. In
anderen europäischen Staaten nutzt man das Erbbaurecht wesentlich intensiver. In den
Niederlanden, insbesondere in Ballungszentren, ist es zumBeispiel eher die Regel als die
Ausnahme, dass Gebäude im Rahmen des Erbbaurechts errichtet oder weiterveräußert
werden. Allein die Stadt Amsterdam ist Eigentümer von 80 Prozent der Grundstücke und
hat rund 200.000 Verträge geschlossen. Gleichwohl zeigen die Erfahrungen im Nach-
barstaat, dass es auf die Ausgestaltung ankommt. Großen Einfluss haben die Laufzeit
sowie die Anpassung und Ermittlung der Höhe des Erbbauzinses. Wichtige Leitlinien
sind im RICS-Positionspapier zum Erbbaurecht enthalten.
Martin Eberhardt FRICS, Vorstands-
vorsitzender RICS in Deutschland
Foto: RICS
Nutzung von Erbbaurechten:
Ein Baustein zur Baulandaktivierung?
«
Martin Eberhardt FRICS
RICS
Bei Planungen ergibt
sich aufgrund der limitierten
Verfügbarkeit von Bauland
ein Flaschenhals. Hier bietet
sich mit dem Erbbaurecht
ein Instrument an, das dem
Grundstückseigentümer eine
auskömmliche Rendite er-
möglicht und dem Erbbau-
rechtsnehmer die Errichtung
eines Gebäudes.
rics.org/de
RICS-POSITIONSPAPIER ZUM ERBBAURECHT
Standardisierung hilft Unsicherheiten abzubauen
1.
Lange Laufzeit über 99 Jahre wählen.
2.
Erbbauzins projektgerecht ausgestalten.
3.
Es muss nicht immer der klassische jährliche
Erbbauzins sein. Um die Nutzung zu erhöhen,
muss die Vergabe aber auch zu risikoadjustier-
ten (Zahlungs-)Konditionen erfolgen.
4.
Der Erbbauzins kann ganz oder teilweise
kapitalisiert und als Einmalzahlung geleistet
werden, nicht zuletzt, um fiskalische Über-
legungen zu berücksichtigen und den Effekt
niedrigerer Erbbauzinsen während der Laufzeit
auszugleichen.
5.
Anstieg des Erbbauzinses absolut beschrän-
ken (zum Beispiel auf Inflation gedeckelt).
6.
Es können (in Verbindung mit einer (teil-
weisen) Kapitalisierung) erbbauzinsfreie Zeiten
oder Phasen mit einem reduzierten Erbbauzins
vereinbart werden.
7.
Reduzierungen können mit der Einhaltung
eines bestimmten Konzepts und der damit
verbundenen Erreichung zum Beispiel städte-
baulicher und/oder sozialer Zwecke verknüpft
werden.
8.
Änderungen bei der Grunderwerbsteuer
erreichen: Anrechnung der Restlaufzeit auf die
Grunderwerbsteuer bei der (vorzeitigen) Verlän-
gerung streichen. Für die Restlaufzeit wird diese
derzeit doppelt erhoben.
9.
Erbbauzinsreallast als bei Zwangsverstei-
gerung bestehen bleibendes Recht nach § 9
Abs. 3 ErbbauRG vereinbaren. Dies erhöht den
deckungsstockfähigen Anteil und verbessert
dadurch die Finanzierbarkeit.
10.
Übertragung des Gebäudes nach Ablauf
des Erbbaurechtsvertrages zu 100 Prozent des
Verkehrswerts zur besseren Finanzierbarkeit.