Immobilienwirtschaft 3/2019 - page 16

16
POLITIK, WIRTSCHAFT & PERSONAL
I
AUSLAND
führt. Dies wirkt sich zum einen in einer
Entspannung desMarktes aus (in regional
unterschiedlichem Ausmaß) und belebt
zum anderen den Konkurrenz-Preis-
Druck.
Den Staat kostet das Modell im Ver-
gleich zumsozialenWohnbauwenigGeld.
Derzeit ist für das Gesetz ein Haushalts-
budget von 1,8 Milliarden Euro veran-
schlagt und bindet damit nur rund 4,2 Pro-
zent des Wohnungsgeldes von insgesamt
43 Milliarden Euro. Geht man davon aus,
dass aufgrund des Gesetzes erst Anreize
für die konkrete Bauträgertätigkeit ge-
schaffen werden, wird sogar eine positive
Bilanz generiert, da die vereinnahmten
Mehrwertsteuern höher als die gewährten
Steuernachlässe sind. Es gibt allerdings si-
cherlich weiterhin Verbesserungsbedarf,
insbesondere in Gebieten, in denen die
Kaufpreislimitierung kein signifikantes
Angebot zulässt und die Mietpreisgrenze
zu weit vommarktüblichen Wert entfernt
ist. Bestes Beispiel hierfür ist die Stadt
Paris, in der Kauf- und Mietpreise zu 100
Prozent über denObergrenzen nach Pinel
liegen.
Auch für Regionen mit geringem Un-
terschied zwischen Obergrenze Pinel und
freier Miete führt das Gesetz lediglich zu
einer Erhöhung der Immobilienkaufpreise
und bietet keinerlei Vorteile für dieMieter.
Außerdem ergibt sich damit auch ein Ver-
mietungsrisiko für die Anleger.
Wo liegen Chancen und Risiken für An-
leger?
Die Chancen für den Investor sind
sehr hoch, Vermögen aufzubauen und
nachhaltige Zusatzeinnahmen zu gene-
rieren, bei gleichzeitig geringem Einsatz
von Eigenkapital, ansprechender Steuer­
ersparnis und ohne ein kompliziertes Fi-
nanzmanagement betreiben zu müssen.
Nach Ablauf der Bindungsfrist ergibt sich
zudem die Möglichkeit, einen höheren
Mietzins und einenKaufpreiszugewinn zu
vereinnahmen oder die Wohnung selbst
zu nutzen, abhängig von der Gemeinde
sogar als Zweitwohnsitz. Das klingt, als
gäbe es nur Vorteile. Das stimmt auch,
sofern – wie bei jeder Immobilieninvesti-
tion – der Kauf kritisch hinterfragt wird.
Die Beliebtheit und die wirtschaftlichen
Prognosen für die Stadt oder die Region
sind genauso zu berücksichtigen wie die
Nahversorgung, die öffentliche Anbin-
dung oder die Architektur- und Bauqua-
lität. Sind diese Kriterien erfüllt, ist es er-
fahrungsgemäß einfach, Mieter zu finden,
denn diese profitieren von neuwertigen
Wohnungen zu einem vernünftigen Preis.
Geht die Wohnung, was Größe, Auf-
teilung und Lage betrifft, allerdings am
Mietnachfragemarkt vorbei, wird die
Investition zum Fiasko, da bei einem
Leerstand auch der Steuervorteil entfällt.
Negative Erfahrungen werden zudem ge-
macht, wenn der Anleger die Investition
nicht langfristig betrachtet und sich aus
finanzierungstechnischen Gründen zum
Verkauf zu einem ungünstigen Zeitpunkt
gezwungen sieht.
Wo liegen Chancen und Risiken für
Bauträger?
Prinzipiell profitiert die Im-
mobilienwirtschaft vom Konjunkturauf-
schwung, den das Gesetz auslöst. Auch
kommen dadurch private Ersparnisse in
bedeutendemAusmaß auf denMarkt und
bringen ein interessantes Käuferpotenzial.
Wie alle staatlichen Hilfen für Woh-
nungen hat aber auch die Loi Pinel einen
inflationistischen Effekt und ruft Span-
nungen am Immobilienmarkt hervor.
Vor allem auch, wenn die eingerechneten
Steuervorteile zu einer Verteuerung der
Immobilienpreise führen. Verbesserungs-
potenzial gibt es zudem in der noch feine-
ren und damit marktgerechteren Zonie-
rung. Als besonders schwierig bezeichnen
die Bauträger zudemdie Unsicherheit, die
aus den regelmäßigenVeränderungen sol-
cher Gesetze resultieren – bedingt durch
den in Frankreich häufigen Parteienwech-
sel in der Regierung.
Kann mit einem Modell wie Pinel der
Vermietungsmarkt erfolgreich gelenkt
werden?
Dieses Modell kann erfolgreich
eingesetzt werden, wenn der Königsweg
beschritten wird: rasche und effiziente
Veränderung von Parametern aufgrund
der Marktentwicklung (Nachfrage und
Preis) bei gleichzeitigem Schutz und Si-
cherheit für die Bauträger bei bereits
erfolgtem Grundstücksankauf und Bau-
rechtsschaffung.
Wie wäre es, dieses Modell im deutsch-
sprachigen Raum umzusetzen?
Darüber
nachzudenken, das französische Modell
als Vorbild zu nehmen und eine gemein-
same Diskussionsplattform für die (noch
bessere) Umsetzung zu kreieren, wäre eine
interessante und wünschenswerte Initia-
tive. Daran beteiligt werden müssten alle
wichtigen Akteure, von den zuständigen
Ministerien über Vertreter von Gemein-
den und Städten mit akutem oder erwar-
tetem Wohnraummangel bis hin zu Sozi-
alwissenschaftlern und Teilnehmern aus
der Immobilienwirtschaft.
«
Gerlinde Ritouet-Steiner, Strasbourg, Frankreich
Um in Frankreich in den Genuss des
Loi Pinel zu kommen, sind wenige
Voraussetzungen einzuhalten:
INVESTITIONEN
maximal zwei Ankäufe und bis
zu 300.000 Euro Gesamtkaufpreis
jährlich
maximaler Quadratmeterpreis
von 5.000 Euro
VERMIETUNG
spätestens zwölf Monate nach
Schlüsselübergabe
als Hauptwohnsitz und unmöbliert
für die frei wählbare Dauer von
sechs, neun oder zwölf Jahren
Der Steuernachlass ist abhängig von
der Mietdauer und beträgt zwölf
Prozent (für sechs Jahre), 18 Prozent
(für neun Jahre) oder 21 Prozent
(für zwölf Jahre).
BEISPIEL
Ein 40-Quadratmeter-Studio zu einem
Kaufpreis von 200.000 Euro wird neun
Jahre vermietet und bringt damit jähr-
lich 4.000 Euro Steuerersparnis.
VORAUSSETZUNGEN
1...,6,7,8,9,10,11,12,13,14,15 17,18,19,20,21,22,23,24,25,26,...76
Powered by FlippingBook