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POLITIK, WIRTSCHAFT & PERSONAL
I
WOHNUNGSMARKT
Einwohner zählenden Stadt bislang nicht
zur Gründung eines Wohnungsbauunter-
nehmens durchringen konnten.
Kommunen ergeht es als
Bauherren nicht anders
als privaten Investoren
Ein Überblick über die vorhan-
denen Möglichkeiten beginnt mit einer
Bestandsaufnahme. Häufig wüssten die
Kommunen gar nicht, was ihnen alles ge-
hört, sagt Rychter und erzählt von einem
Bürgermeister, der jahrelang an einem
zentral gelegenen Brachland vorbeifuhr
und sich ausmalte, was man auf diesem
Grund alles Positives für die Gemeinde
bauen könnte, wenn man nur an den Ei-
gentümer herankäme – bis er bei einem
Erfassen der Bestände merkte, dass der
Gemeinde das Land längst gehörte. Die
Herausforderungen hören freilich nicht
auf mit dem Flächenbesitz, wie der Ge-
schäftsführer der Stadtbau Mühlacker,
Aribert Friedrich, verdeutlicht: Einein-
halb Jahre dauerte es in der eher länd-
lich geprägten Gemeinde, bis auf einem
städtischen Grundstück der Bau eines
Achtfamilienhauses starten konnte. „Im
Zuge des Genehmigungsprozesses wur-
den wir von einer Petition eines Bürgers
beim Land gegen das Bauvorhaben sowie
von diversen Nachbarschaftseinsprüchen
überrascht, die den Prozess in die Länge
gezogen haben“, sagt Friedrich. Kommu-
nen als Bauherren geht es in diesem Fall
genauso wie anderen Entwicklern.
Finanzierungsfragen stellen die Rat-
häuser in der Regel vor eine weitere Hürde
– nur mit einem soliden Fundament aus
Eigenkapital können sie schlagkräftig in
den angespannten Markt eintreten. Den
meisten Kommunen fällt es allerdings
schwer, erforderliche Gründungssummen
aufzubringen; dabei ist gerade in solch
klammen Gemeinden häufig auch der
Bedarf an bezahlbarem Wohnraum groß.
Wie das neue Unternehmen in Kiel aus-
gestattet werden soll, kann die Stadt noch
nicht mitteilen. Derzeit laufe eine Aus-
schreibung für einen entsprechenden Be-
ratervertrag, heißt es. In Dresden brachte
die Landeshauptstadt zehn Millionen
Euro Eigenkapital ein, sieben Millionen
davon in Form von Grundstückswerten.
In Mühlacker wiederum entschloss man
sich zu einem schmalen Gründungskapi-
tal von 25.000 Euro, das dann nach und
nach und mit den Projekten aufgestockt
wurde. Ende 2018 lag das Eigenkapital so
bei 800.000 Euro.
Verbandsdirektor Rychter verweist
auf einen weiteren Stolperstein: Mit dem
jahrelangen Vernachlässigen von Woh-
nungspolitik sei vielfach das Fachwissen
aus den Rathäusern verschwunden. „Das
sind ja verständlicherweise nicht alles
wohnungswirtschaftliche Fachleute, die
sich jetzt neu mit der Thematik auseinan-
dersetzen“, sagt Rychter. Der Aufbau sol-
cher Kompetenz indes braucht Zeit – die
die Gemeinden nicht haben.
Finanzierungsfragen
stellen die Rathäuser vor
eine weitere Hürde
Mit Blick auf die zeitliche Schiene
raten Experten zudem grundsätzlich, die
Ziele eines kommunalenWohnungsunter-
nehmens bei der Neugründung so offen
zu gestalten, dass sie bei Bedarf angepasst
werden können.Wenn sich Bevölkerungs-
ströme oder der wirtschaftliche Hin-
tergrund von Bewohnern ändern, kann
eine Gesellschaft dann ohne juristische
Schwierigkeiten Aufgabenschwerpunkte
neu setzen. „Wir empfehlen bewusst,
nicht nur geförderten Mietwohnungsbau
als Unternehmensziel aufzunehmen, um
sich nicht zu verengen“, sagt Rychter. So
vermeiden Gemeinden auch, Fehler aus
der Vergangenheit zu wiederholen – näm-
lich einUnternehmen schnell abzustoßen,
wennmanmeint, es kurzfristig nicht mehr
zu brauchen.
«
Kristina Pezzei, Berlin
Experten-
stimmen
„Wir legen mit der neuen
kommunalen Gesellschaft
den Grundstein für eine
noch aktivere Rolle der
Stadt im Wohnungsbau.“
Gerwin Stöcken,
Sozialdezernent Kiel
„Wohnungsbau wird über-
haupt wieder als politische
Aufgabe in der Stadt
Dresden wahrgenommen,
das ist überhaupt nicht
selbstverständlich.“
Steffen Jäckel,
Chef des neuen
Kommunalunternehmens
„Wohnen in Dresden“ (WiD)
„Das Problem ist, dass
wir wenig Grundstücke
im Besitz haben – das
ändert sich auch nicht
mit einer Wohnungsbau-
gesellschaft.“
Sven Jürgensen,
Sprecher
der Stadt Osnabrück
„Wir empfehlen den kom-
munalen Gesellschaften
bewusst, nicht nur geför-
derten Mietwohnungsbau
als Unternehmensziel
aufzunehmen, um sich
nicht zu verengen.“
Alexander Rychter,
Direktor des
Wohnungsverbands Rheinland
Westfalen (VdW-RW)