Immobilienwirtschaft 4/2017 - page 15

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4.2017
SUMMARY
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Wohnimmobilien werden laut Prof. Simons billiger.
Es gibt eine Diskrepanz zwischen den Rahmenbedingungen
in diversen Großstädten und den geforderten Kaufpreisen.
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Preise werden hoch bleiben, so Andreas Schulten.
Robuste ökonomische
Rahmenbedingungen weisen darauf hin, dass es weiteren Wohnungsbedarf in den Metropolen gibt.
ANDREAS SCHULTEN & CO.
Preise werden
nicht abstürzen
Andreas Schulten,
Vorstand bulwiengesa
E
mpirica stellt dieWanderungssalden sehr weit in den Vordergrund, ohne
jedoch die Qualität derWanderung näher zu spezifizieren.Wir gehen von
einer weiterhin hohen Dynamik der Kernstädte in Agglomerationsräu-
men und verstädterten Räumen aus: Durch ökonomisch stabile Strukturen,
Erwerbsmöglichkeiten etc. ziehen sie nationale wie internationale Bewohner
an. Jüngste Beschäftigtenzahlen seitens der Bundesagentur für Arbeit stützen
diesen langfristigen Trend. Wertkorrekturen in der postulierten Höhe hat es
in deutschen Großstädten auch in wirtschaftlich schwachen Jahren wie etwa
1994 bis 1999 noch nicht gegeben.
Robuste makroökonomische Rahmenbedingungen weisen darauf hin,
dass dieser Trend auch im laufenden Jahr anhält. Bei gleichzeitig sinkender
Flächenverfügbarkeit wächst der Wohnungsbedarf in den Metropolen noch
immer. Darüber hinaus muss die Zinsentwicklung als Einflussfaktor für die
Preisentwicklung einbezogen werden. Regional betrachtet ist der höchste
absolute Wohnungsbedarf weiterhin in den deutschen Metropolen und ih-
rem Umland zu erwarten.
Mit Blick auf den aktuell erhitzten Grundstücksmarkt und die Regulie-
rungen in den Metropolen ist eine Argumentation allein mit Baugenehmi-
gungen und zwangsläufig folgenden Baufertigstellungen zweifelhaft. Der
von uns jährlich ermittelte Bedarf an Wohnraum ist durch die Bautätigkeit
aktuell nur teilweise gedeckt. Danach sind Bauüberhänge (nicht realisierte
Projekte) dauerhaft zu erwarten. Zusätzlich bleibt der Nachholbedarf aus den
Versäumnissen vergangener Jahre weiterhin bestehen. Dies wird auch in den
kommenden Jahren für „Druck“ auf Mieten und Preise sorgen.
Der direkte Zusammenhang zwischen einem erwarteten pauschalen
Angebotsüberhang und dem Maximum an Wertkorrektur ist für die meis­
ten Akteure wenig hilfreich. Empirica lässt eine wichtige Frage außer Acht:
Sind Angebotssegment und das Segment mit dem Preisrückgang überhaupt
kongruent? Aus der Sicht von bulwiengesa sollte jeweils eine individuelle
Betrachtung vorgenommenwerden – die Preise in Berlin-Mitte werden nicht
stark zurückgehen, wenn in Spandau Wohnungen leer stehen.
KOMMENTAR
Harald Simons –
der neue Luther?
Mit Harald Simons haben wir einen neuen Martin
Luther – und das im Lutherjahr. Denn er habe, so
IZ-Redakteur Nicolas Katzung, die Chance gehabt,
seine „ketzerische These“ zu korrigieren. Doch wie
einst der Kirchenspalter habe er seinen Zuhörern
den Gefallen nicht getan ...
Wenn das kein Marketing ist! Simons ist so einer,
der mit humoriger Schnauze für die Immobilienwirt-
schaft punkten kann. Unvergessen, wie er auf dem
letzten RICS-Focus anmerkte, in Remscheid wolle
keiner tot überm Zaun hängen. Ziemlich krass –
ziemlich plakativ.
Ich vergesse nicht, wie meine Spiegel-App am
14. Februar mit der Meldung aufploppte: „Der
Kaufboom in den Metropolen geht zu Ende“. Mal
unabhängig vom Wahrheitsgehalt: Solche zugespitz-
ten Statements braucht eine Branche, die beachtet
werden will. Und auch ein Streiter, der mit seiner
Marktmeinung ziemlich alleine auf weiter Flur steht,
ohne dass ihn das stört, ist nicht schlecht für die
Aufmerksamkeit. Der Buhmann zu sein sei nicht neu
für ihn, wird Simons zitiert. Ist doch super.
Ein bisschen peinlich wird es erst, als die IZ den
Vergleich zum letzten Jahr bemüht: „Er (Simons –
die Red.) sprach von einer ‚überschießenden Erwar-
tung an die zukünftige Wohnungsnachfrage durch
Flüchtlinge bei Investoren, Kommunen und Bürgern‘
– und niemand wollte ihm Glauben schenken. Doch
er behielt Recht.“ Das ist kein immobilienwirtschaft-
liches Thema, das ist politisch!
Stutzig macht nicht der fast schon reflexhafte Auf-
schrei der beinahe gesamten Immobilienbranche,
die meint, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.
So ist manch einer, der nicht über exakte Zahlen
verfügt, in seiner optimistischen Sicht gefangen,
zumal sie dem Geschäft nützt. Zahlen, Daten, Fakten
auf Seiten von Simons sind gerade etwas, was der
praktizierende Teil der Branche so nicht hat.
Es ist vielmehr der Vorwurf mangelnder wissen-
schaftlicher Unterfütterung, der schwer wiegt. Er
sollte ausgeräumt werden. Seriöse Unterhaltung
wäre zu wenig. Wir lechzen nach unterhaltender
Seriosität. Damit sind wir auch wieder bei Luther …
Dirk Labusch
,
Chefredakteur
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