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1.2017
Auchwenn es immer wieder Diskussionen
um die Ausweisung von Gewerbe- oder
Wohngebieten gehe, trage das Abkom-
men. Mehrere Gemeinden sind ausge-
zeichnet worden, die Modellbeispiele
ziehen wiederum andere nach sich. Mitt-
lerweile haben sich zwei Orte gar auf ein
interkommunales Gewerbegebiet verstän-
digt – ein Zeichen für den Landrat, dass
man „vomKirchturmdenkenwegkommt“.
Derzeit füllt der Kreis einen Fördertopf,
der unter anderem Beratungsgutscheine
für Kaufinteressenten und Hilfen beim
Umgang mit Bauabfall finanzieren soll; in
den kommenden fünf Jahren sollen etwa
1,3 Millionen Euro für die Innenentwick-
lungsstrategie in die Hand genommen
werden, 1,1 Millionen Euro davon kom-
men vom Landkreis.
Die Bevölkerungsprognose für den
Kreis hat sich in den vergangenen drei
Jahren von minus 7,6 Prozent bis 2035 auf
minus 1,7 Prozent verbessert – von einem
„stark abnehmend“ zu „stabil“. Dahinter
dürfte freilich nicht nur die Innenent-
wicklungsstrategie stecken, sondern auch
die Lage zwischen wirtschaftlich stabilen
Städten, in denen die Immobilienpreise
stetig steigen. Vor allem Orte mit guter
öffentlicher Anbindung oder Anschluss
an Fernstraßen profitieren davon.
INNERSTÄDTISCHES POTENZIAL NUTZEN
In
Gegenden mit ausgeprägtem Mietmarkt
treten indes oft kommunale Wohnungs-
unternehmen die Nachnutzung leerste-
hender Gebäude oder den Neubau auf
innerstädtischen Brachen los – wie im
sächsischen Meißen, wo sich Interessen-
ten für einen zum Servicewohnen umge-
bauten Plattenbau auf Wartelisten eintra-
gen, oder im erzgebirgischen Raschau, wo
ein Wohnungsunternehmen ein Gebäude
als Smart Home für ältere Bewohner aus-
gestattet hat. In Torgau an der Elbe war es
die Umnutzung einer ehemaligenKaserne
zu hochwertigemWohnen, die die Augen
öffnete für innerstädtisches Potenzial.
„Vor allem bei hochwertigen Sanierungen
gehen solche Projekte sofort weg“, sagt der
Sprecher des Wohnungswirtschaftsver-
bands Sachsen, Alexander Müller. „Die
Erfolgsmeldungen, die jetzt nach und
nach erscheinen, ziehen wiederumKreise
und motivieren weitere Unternehmen.“
Zahlreiche ostdeutsche Kommunen voll-
ziehen damit eine Kehrtwende zur Politik
der unmittelbaren Nachwendezeit, als in
den Zentren großzügig und finanziell un-
terstützt historischer Bestand abgerissen
wurde oder verfiel.
TOAST MACHT NICHT ALLE GLÜCKLICH
Grundsätzlich eint die genannten Bei-
spiele die relative Nähe zu größeren, wirt-
schaftlich attraktiven Städten – und darin
könnte Experte Just zufolge des Pudels
Kern für ihren Erfolg liegen: „Je stärker
die Mieten und Preise in den Städten stei-
gen, umso mehr werden die Leute auch
wieder nach draußen gedrängt“, sagt er.
Der Irebs-Leiter rät gerade für Kernstäd-
te und ihr Umland zu einer gemischten
Strategie: „Nachverdichten und (moderat)
aufWachsen nach außen setzen.“ InKoor-
dination könne so unterschiedlichen An-
sprüchen nachgekommen werden, denn
„wenn dieMenschenVollkornbrot wollen,
macht Toast nicht alle glücklich“.
Je näher an einer Stadt, umso besser
sind Gemeinden in der Regel angebunden
– und nicht zuletzt wirdmit „verdrängten“
Städtern auch die Nachfrage nach Wohn-
raum vielfältiger. Das BBSR wirft daher
generell die Frage nach einer Definition
ländlicher Räume auf und führt mit dem
Bundesbauministeriumderzeit Gespräche
für ein Projekt, das die Datenlage zur
Leerstandssituation genau erfassen soll.
Erst daraus ließen sich vermutlich pass-
genaue Lösungen ableiten. Ob Konzepte
zur Innenentwicklung nämlich für wirk-
lich periphere, seit Jahren ausblutende Ge-
genden mit finanzklammen Kommunen
und ohne Kernstadt in Reichweite greifen,
bleibt fraglich. Wie solche Gemeinden in-
des das vom IW entworfene Szenario weit
höherer, durch übermäßigen Flächenver-
brauch verur
sachter Kosten in absehbarer
Zukunft bewältigen sollen, auch.
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Kristina Pezzei, Berlin
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