Immobilienwirtschaft 09/2016 - page 55

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tragen. Das spart Kosten.“ Ein Vorteil für
die Händler sei zudem, dass sie von ak-
kreditierten Experten ein fachlich kompe-
tentes Gutachten erhalten, das sie im Fall
der Fälle dann vielleicht auch vor Gericht
anführen können. Insgesamt biete diese
Online-Streitbeilegung eine effektive und
kostengünstige Form des Beschwerdema-
nagements.
Bei der Allgemeinen Verbraucher-
schlichtungsstelle fallen streitwertabhän-
gig zwischen 50 und 600 Euro an. Zahlen
müssenVerbraucher nur bei „missbräuch-
licher Antragstellung“, dann wird eine
Strafgebühr von 30 Euro erhoben.
BISLANG NOCH KEINE ERFAHRUNGEN
Ge-
schäftstreibende im Immobilienbereich
sind bislang von dem EU-Portal wenig
überzeugt. Michael Werner vom regio-
nalenBerlinerMaklerunternehmenMPW
Immobilien antwortet auf die Frage nach
der Relevanz für sein Geschäft schlicht:
„Gar nicht.“ Er habe bisher keinerlei Er-
fahrungen mit der Plattform sammeln
können, vor allem wohl, weil seine Kun-
den hauptsächlich aus Deutschland stam-
men und die ausländischen Kunden die
deutsche Rechtsprechung meist so gut
kennen, dass sie auf eine länderübergrei-
fende Vermittlung nicht angewiesen seien.
Auch Immobilienscout24 kann noch
nichts Konkretes sagen. „Auf Erfahrungen
mit der Online-Streitbeilegung über diese
EU-Plattform können wir nicht zurück-
greifen“, sagt Pressesprecherin Sonja May.
Zu beobachten sei allerdings, dass schon
Abmahnungen und einstweilige Verfü-
gungenwahrgenommenwurden: „Sprich:
Die Makler mahnen sich untereinander
ab, wenn der Wettbewerber die Hinwei-
se nicht wie erforderlich auf seiner Seite
angegeben hat.“ Mit der Streitbeilegungs-
plattformselbst habe das allerdings „wenig
bis nichts“ zu tun.
Rudolf Koch von der Wettbewerbs-
hotline des IVD weiß von etwa zehn bis
15 Abmahnungen gegenMakler. Generell
sehe es noch ruhig aus, das könne sich
aber durchaus noch ändern. Bei vielen
Maklerfirmen finde man den erforder-
lichen Hinweis zurzeit noch nicht.
Der Verband hat seine Mitglieder im
Januar auf die Informationspflicht hin-
gewiesen. Prinzipiell seien auch Makler
im Sinne der Verordnung Onlinehändler,
erklärt Dr. Christian Osthus, Leiter der
Rechtsabteilung des IVD. Zwar werde
die konkrete Übertragung von Immo-
bilien offline beim Notar abgewickelt,
doch Maklerverträge würden in mehr als
90 Prozent der Fälle online geschlossen.
Trotzdem habe die Initiative wenig Rele-
vanz: „Das alles passt nicht so richtig zur
Natur von Maklerverträgen. Wenn ich im
Onlinehandel Schuhe oder Jacken bestelle,
kann ich als Verbraucher sagen, dass diese
nicht passen, eine schlechte Qualität ha-
ben oder einfach nicht gefallen. Bei einem
Maklervertrag sind vergleichbare Konstel-
lationenweniger denkbar, über die gestrit-
tenwerden kann.“ Entwederman kauft die
Immobilie, dann falle die Maklergebühr
an, oder man kauft sie nicht, dann falle
sie nicht an. Und wenn das Haus Mängel
habe, hafte grundsätzlich nicht der Mak-
ler, sondern der Verkäufer.
MEISTENS FEHLT DIE RECHTSGRUNDLAGE
Denkbar wäre höchstens, dass Verbrau-
cher das Zustandekommen eines Makler-
vertrags oder die Ursächlichkeit der Mak-
lerleistung für den Kaufvertrag und damit
die Provision in Frage stellen. Denmeisten
Beschwerde-Szenarien fehle aber jegliche
rechtliche Fundierung. Schon 2008 hat
der IVD einen eigenen Ombudsmann ins
Leben gerufen. Alle Verbands-Mitglieder
haben sich verpflichtet, an dem Schlich-
tungsverfahren mitzuwirken, wenn ein
Verbraucher ein solches einleitet. Die Er-
fahrungen seien allerdings ernüchternd,
so Osthus. Es seien kaum geeignete Fälle
aufgelaufen, die für eine Streitschlichtung
in Frage kommen. Trotzdem bemüht sich
der IVD zurzeit darum, seinen Ombuds-
mann als spezialisierte Streitschlichtungs-
stelle bei dem EU-Portal anerkennen zu
lassen, sodass Anfragen in Zukunft dort-
hin weitergeleitet würden. Grundsätzlich
sei die EU-Initiative zur außergericht-
lichen Streitbeilegung sinnvoll. Für die
wenigen in Frage kommenden Fälle wolle
man dem Verbraucher eine Anlaufmög-
lichkeit geben.
SUMMARY
»
Seit dem 9. Januar 2016
müssen Unternehmen, auf deren Webseite sich Verträge abschließen lassen, einen Hinweis auf
die neue EU-Online-Streitbeilegung einbinden. Das gilt auch für Makler.
»
In Deutschland
gibt es noch keinen Immobilienbranchen-Spezialisten.
Stattdessen tritt die „Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrums für Schlichtung e.V.“ auf den Plan.
»
Für den Immobilienbereich
passt die neue Regelung nur bedingt, die Relevanz ist bislang gering.
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Stefan Mey, Berlin
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