Immobilienwirtschaft 7-8/2016 - page 64

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PERSONAL & KARRIERE
I
MITARBEITERFÖRDERUNG
I
INTERVIEW
gut. Das Wissen der Älteren ist wertvoll
und wird sehr geschätzt“, erzählt Chri-
stian Stamerjohanns, Sprecher der ECE
Projektmanagement GmbH & Co. KG.
Das mittelständische Unternehmen
Hausmann Immobilien geht sogar noch
einen Schritt weiter und will gezielt neue
Mitarbeiter der Generation 50plus für
sich anwerben. Thorsten Hausmann, Ge-
schäftsführer der Hausmann Immobili-
en GmbH, wirbt auf YouTube um diese
Zielgruppe und lockt sie mit flexiblen
Arbeitszeitmodellen: „Ältere können bei
uns 30, 20, 10 Stunden oder auf 450-Euro-
Basis tätig sein. Viele wollen nicht wirklich
aufhören zu arbeiten, sondern sie wollen
einfach nur weniger arbeiten“, weiß er aus
Erfahrung.
PASSENDE STRUKTUREN SCHAFFEN
Auch al-
tersspezifische Präventions- und Gesund-
heitskurse können dazu beitragen, „Best
Ager“ ins Unternehmen zu holen und
darin zu halten, sagt Prof. Dr. Wolfgang
Schäfers, Ausschuss-Vorsitzender Human
Resources beim ZIA Zentraler Immobili-
en Ausschuss e.V.: „Weiterhin gibt es neue
Berufsbilder, die auf der beruflichen, aber
auch persönlichen Lebenserfahrung der
älteren Arbeitskräfte beruhen. So hat ein
großes Wohnungsunternehmen gezielt
Objektbetreuer-Fortbildungen für Mit-
arbeiter angeboten, die über 50 Jahre alt
sind. Der Beruf ist eine Kombination aus
Hausmeister, Mieterbetreuer und Dienst-
leistersteuerer.“
Es gehe vor allem darum, passende
Strukturen im Unternehmen zu schaffen,
um die „Best Ager“ zufriedenzustellen
und zu halten: „Die Mitarbeiter sind nur
bereit, einige Jahre länger zu arbeiten,
wenn sie eine sehr gute Sozialkultur im
Unternehmen vorfinden“, weiß Thomas
Schaefers: „Das heißt für die Unterneh-
men, dass sie von Anfang an eine hohe
Identifikation für alle Mitarbeiter etablie-
ren und an ihrem Betriebsklima arbeiten
müssen.“ Eine gute Führung sei dabei
entscheidend: „Wenn die Leute unzufrie-
den sind, gehen sie mir von der Fahne. Da
helfen auch keine speziellen Programme
für die Generation 50plus“, sagt Schaefers.
„Eine systematische Personalentwicklung
fängt bei den Auszubildenden an und
richtet sich an die komplette Belegschaft
inklusive der Generation 50plus. Idea-
lerweise gibt es auch eine systematische
Führungsfortbildung, denn gute Führung
bildet die Grundlage für die Weitergabe
von Wissen.“ Diese Weitervermittlung
funktioniere nicht etwa zufällig, sondern
müsse vomUnternehmen gezielt gesteuert
werden, so Schaefers. Denn nicht immer
sind Mitarbeiter bereit, ihre Kenntnisse
und Fertigkeiten freiwillig an andere wei-
terzugeben. Wissen verschafft schließlich
Macht, und besonderes Wissen macht
unentbehrlich.
WEITERGABE VON WISSEN
„Manmuss Jung
und Alt kommunikativ vernetzen, um die
Weitergabe von Wissen zu ermöglichen.
Hilfreich kann es sein, einen Jour fixe
einzurichten. Bewährt haben sich auch
Mentoring- und Patenprogramme oder so
genannte Tandems, in denen ein älterer
und ein jüngerer Mitarbeiter eng zusam-
menarbeiten“, sagt Schaefers. „Aber auch
klassische Instrumente wie das Schreiben
von Ablaufplänen und Protokollen kön-
nen unterstützend herangezogenwerden.“
Idealerweise ist ein organisierter Zugriff
auf Informationen möglich. Beim Bran-
chenriesen Hochtief gibt es beispielswei-
se eine spezielle Intranet-Lösung, um die
Vernetzung des Mitarbeiterwissens zu
fördern. Neben einem Telefonverzeich-
nis mit wichtigen Ansprechpartnern und
Experten haben die Mitarbeiter die Mög-
lichkeit, auf Literatur, Normen, technische
Regelwerke, abgewickelte Bauprojekte
und Baurechtsinformationen zuzugreifen.
Für große Projekte habe sich der Einsatz
eines Dokumentenmanagement-Systems
bewährt, in demVerträge, Berichte, Rech-
nungen und Pläne abgelegt werden.
Auch der Baukonzern Bilfinger Ber-
ger setzt auf ein entsprechendes Technik-
Portal, in demMitarbeiter in bestimmten
Datenbanken recherchieren können. Dort
sind Informationen über besondere Erfah-
rungen der einzelnenKollegen, technische
Innovationen und Forschungsergebnisse
erfasst. Auch Informationen über Kunden,
bestimmte Architekten und Planer, mit
denen schon Projekte effektiv und effizient
bearbeitet wurden, können in ähnlichen
Datenbanken gesammelt werden.
Doch je kleiner das Unternehmen, de-
sto wichtiger wird beimWissensaustausch
der Faktor Mensch. Regelmäßige gemein-
same Weiterbildungen von Jung und Alt,
altersübergreifende Arbeitsgruppen und
Jobübergaben sind effektiveMittel, umdas
Wissen in der Firma zu halten. Doch auch
informelle Events wie etwa das Unterneh-
mensfrühstück können den persönlichen
Wissensaustausch unterstützen.
„Für das fortschreitende Alter sollten
gezielt Arbeitszeit- und Arbeitsorganisati-
onsmodelle angebotenwerden, umauf die
Bedürfnisse und die Lebensphase der äl-
terenMitarbeiter einzugehen“, merkt Pro-
fessor Wolfgang Schäfers vom Zentralen
Immobilien Ausschuss an: „Dafür kann
auch ein Aufgaben- oder Tätigkeitswech-
sel in Betracht gezogen werden. Wichtig
ist, älteren Mitarbeitern nicht das Gefühl
zu vermitteln, aufs Abstellgleis geschoben
zu werden. Die Ressourcen Erfahrung
und Wissen sind enorm wichtig für Un-
ternehmen. Und das müssen sie auch an
ihre Mitarbeiter weitergeben. Die inner-
betriebliche Wertschätzungskultur ist für
alle Mitarbeiter – gleich welchen Alters
– wichtig.“
«
Irene Winter, Berlin
„Ältere brauchen für
eine Aufgabe zwar et-
was länger, nämlich rund
60 Millisekunden, aber
sie reagieren genauso
schnell wie Jüngere.“
Professor Christian Stamov-
Roßnagel,
Jacobs University
1...,54,55,56,57,58,59,60,61,62,63 65,66,67,68,69,70,71,72,73,74,...76
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