DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 1/2019 - page 40

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der Bewohner zurückgegriffen, aber auch die ver-
gleichsweise schlechtenDämmwerte des über 100
Jahre alten Mauerwerks sowie die vorhandenen
Heizkörper und Fensterqualitäten flossen in die
Kalkulation mit ein.
Zum anderen beeinflusste den Bedarf die ener-
getische Qualität der Gebäudehülle, die in Ein-
klang mit der Denkmalschutzbehörde überall
ertüchtigt wurde, wo dies möglich war: so bei der
Kellerdecke (10 cm PUR-Dämmplatten, U-Wert
0,23W/(m
2
K)), dem Speicherboden (16 cm PUR-
Dämmplatten mit Gehbelag aus Pressspan) und
demMansarddach (Zwischensparrendämmungmit
Mineralwolle, U-Wert ca. 0,32W/(m
2
K)). AmEnde
ergab sich ein Bedarf für Heißwasser und Heizung
von rund 630MWh pro Jahr.
Eine Investition, die sich rechnet
In Anbetracht der Gesamtkosten von 1,4 Mio. €,
von denen allein rund 1,1 Mio. € das Mikrowär-
menetz inklusiveWärmeübergabestationen, Kes-
selanlage und Steuerung verschlang, stellt sich
für die Wohnungsgenossenschaft die Frage der
Amortisation. Hierzu sind die Mehrkosten für die
Einbindung der Solarkollektoren und des BHKW in
das Heizsystemmaßgeblich, da die Kosten für das
Mikrowärmenetz in konventioneller Bauart ohne-
hin angefallen wären – diese Zusatzkosten lagen
bei rund 170.000 €. Dem gegenüber stehen Ein-
sparungen bei den Gaskosten, Einnahmen durch
den Verkauf des BHKW-Stroms sowie Fördergelder
des BAFA für die Solarthermieanlage. Setzt man
überschlägig einen Gaspreis von 6 ct/kWh an und
berücksichtigt die aktuell erhältliche Einspeisever-
gütung für BHKW-Strom, so amortisieren sich die
Investitionskosten nach etwa elf Jahren.
Positive Erfahrungen
Nach inzwischen 2-jähriger Betriebserfahrung
lassen sich die Erkenntnisse aus dem Projekt wie
folgt zusammenfassen:
• Die sehr tiefen Rücklauftemperaturen erlauben
ganzjährig einen hocheffizienten Betrieb des
Gesamtsystems.
• Mit durchschnittlich 63MWh pro Jahr deckt
der solare Wärmeertrag rund 11% des Gesamt-
wärmeverbrauchs ab – in den Sommermonaten
steigt der solare Deckungsanteil bisweilen sogar
auf 60%.
• Das BHKW und der Spitzenlastkessel teilen sich
die Bereitstellung der Wärmemenge nahezu
mit 46 bzw. 43%. Die prognostizierte Laufzeit
des BHKW wurde mit 6.100 h/a deutlich über-
troffen, der Gesamtwirkungsgrad erreicht im
Jahresmittel gut 97% (davon ca. 30%elektrisch
und 67% thermisch).
• Der Mieterstrom kommt sehr gut an – mehr
als drei Viertel der Mieter haben sich dafür
entschieden, ihren Stromverbrauch über das
BHKW abzudecken. Dabei werden knapp 70%
ihres Stromverbrauchs aus demBHKWgespeist,
die übrigen 30% beziehen die Mieter vomörtli-
chen Versorger.
• Der sog. Jahres-Mischpreis für Wärme lag im
Jahr 2016 bei 12,75 €/m
2
(inkl. MwSt.). Dar-
in enthalten sind die den Mietern in Rechnung
gestellten Arbeitspreise, Grundpreise undMess-
preise – die Summewird dann durch die gesamte
beheizte Fläche geteilt. ZumVergleich: Der bun-
desdeutsche Durchschnitt lag imVergleichszeit-
raum (für Fernwärme) bei 13,80 €/m
2
.
• Nicht nur die Mieter, auch die Umwelt profi-
tiert von dem Konzept: Das Heizsystem erspart
der Atmosphäre rund 50 t CO
2
pro Jahr – dies
entspricht einer Reduktion der früheren CO
2
-
Emissionen um ca. 20%.
Inzwischen ist ein Erfahrungsbericht erschienen,
der die Erkenntnisse aus Planung, Realisierung
und Betrieb des von der Stadt Freiburg initiierten
und vomBadenova Innovationsfonds geförderten
Projekts zusammenfasst
2
.
Ein gasbetriebener
Spitzenlastkessel erbringt
450 kW an thermischer
Energie
Weitere Informationen:
un
d
Neubau und Sanierung
Energie und Technik
Rechtssprechung
Haufe Gruppe
Markt undManagement
klung
Der Anteil erneuerbarer Wärme im Wärmemarkt muss substanziell gesteigert werden, wenn
Deutschland seine Klimaschutzverpflichtungen erreichen will. Dabei ist insbesondere das Po-
tenzial für größere Solarwärmeanlagen auf Mehrfamilienhäusern beträchtlich: Rund die Hälfte
aller Wohneinheiten in Deutschland befindet sich in Mehrfamilienhäusern. Von besonderer
Bedeutung hierbei sind Gebäude mit drei bis zwölf Wohnungen, da sie rund 90% des Mehrfa-
milienhausbestands ausmachen und immerhin 80% aller Mietwohnungen umfassen. Die Stadt
Freiburg möchte dazu beitragen, dass das Potenzial der Solarwärme im Mehrgeschosswoh-
nungsbau besser erschlossen wird, und hat deshalb ein Solarthermie-Demonstrationsprojekt
initiiert, das vom Badenova Innovationsfonds gefördert und vom Bauverein Breisgau eG in
Freiburg umgesetzt wurde. Im Rahmen der „Solarthermie-Initiative“ werden das Projekt und
die damit verbundenen Erfahrungen bekannt gemacht, um so die Umsetzung weiterer Solar-
thermieprojekte in Mehrfamilienhäusern zu stimulieren.
SOLARTHERMIE-INITIATIVE FREIBURG
ENERGIE UND TECHNIK
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Der Artikel erschien zuerst online im Haufe-Immobilien-
portal unter
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Die Broschüre kann kostenlos als PDF-Datei herunterge-
angefordert werden.
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