ENERGIE UND TECHNIK
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diese Investitionen nur teilweise auf die Kaltmiete
umgelegt werden können, entsteht zudemein er-
heblicher bilanzieller Aufwand.
Gleichzeitig fordert die Erarbeitung eigener oder
die Bewertung externer Heizungskonzepte (evtl.
als Nahwärmesystememit Einbindung erneuerba-
rer Energien) erhebliches Fachwissen und bindet
das dringend für den Neubau benötigte knappe
bautechnische Personal und die nur selten in klei-
neren und mittleren Unternehmen vorhandenen
TGA-Ingenieure. Ist kein ausreichendes Kapital
und/oder Fachwissen vorhanden, sind Alternati-
ven zur Eigenversorgung zu suchen.
Wärmecontracting in einer
eigenen Energietochter
Soll die Energieversorgung im eigenen Einfluss-
bereich bleiben, gleichwohl die Investitionen
aus der Bilanz des Wohnungsunternehmens ge-
nommen werden, bietet sich die wirtschaftliche
Gründung einer Energietochter schon ab einem
betreuten Bestand von Zentralheizungen für ca.
1.500 Wohneinheiten an. Auch wenn hier natur-
gemäß nur eine geringe Personaldecke vorhanden
ist und somit Probleme bei Wissensaufbau und
Fehlzeitenvertretung auftreten können, kann
diese Energietochter deutliche Entlastungen der
Mieter bei den Heizkosten erreichen.
Ab einem betreuten Bestand von Zentral-
heizungen für ca. 3.000-4.000 WE kann die
Energietochter in vielen Fällen das komplette
Leistungsprofil der Energieversorgung evtl.
sogar in Verbindung mit den Geschäftsfeldern
Heizkostenabrechnung, Mieterstrom und/oder
Elektromobilität zur Entlastung der Mieter über-
nehmen. Da der Personalstamm mit der Anzahl
betreuter Heizanlagen/Wohnungen wächst, sinkt
das mögliche Risiko bei Wissensaufbau und Fehl-
zeitenvertretung.
Gewerbliche Wärmelieferung
über fremde Contractoren
Sprechen insbesondere die strategischen Über-
legungen zur Unternehmensstruktur gegen eine
eigene Energietochter, kann auch die Zusammen-
arbeit mit fremden Contractoren sinnvoll sein,
sofern die maßgeblichen wirtschaftlichen Hebel
für den Contractor (Abb. 3) Optimierungspoten-
ziale in den Anlagen ermöglichen. Die Auswahl des
künftigen Vertragspartners ist sehr wichtig. Die
langen Vertragslaufzeiten mit mindestens zehn
Jahren und das damit verbundene hohe finanzielle
Vertragsvolumen sowie die Abhängigkeit von der
Dienstleistungs- und Servicequalität erfordern
eine hohe Verlässlichkeit des Contractors. Es ist
daher dringend angeraten, die gewerbliche Wär-
melieferung auszuschreiben und sich von mehre-
ren, amMarkt etablierten Contractoren Angebote
vorlegen zu lassen. Wichtige Inhalte der Ausschrei-
bung werden im Forschungsbericht erläutert.
Handlungsempfehlungen aus
dem Forschungsbericht
Um die zukünftigen Klimaschutzanforderun-
gen bei bezahlbarem Wohnen zu erreichen, sind
hocheffiziente und wirtschaftliche Konzepte ins-
besondere zur Energieversorgung von Quartieren
erforderlich. Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen
im Forschungsprojekt zeigen, dass Heizungsmo-
dernisierungen nicht nur effizienter, sondern
auch häufig die einzig wirtschaftlich gebotene
Energieeinsparoption sind, wenn die Hüllfläche
schon gedämmt wurde und die Wärmedämmung
bautechnisch noch mangelfrei ist.
Da das Wärmecontracting kein Allheilmittel sein
kann, gleichwohl aber große Chancen bietet, sollte
sich jedes Unternehmen intensiv damit beschäf-
tigen. Der Forschungsbericht beschreibt die un-
terschiedlichen Geschäftsmodelle und gibt einen
Handlungsleitfaden für die individuelle Entschei-
dung jedes Wohnungsunternehmens abhängig von
der eigenen Bestandsgröße. Zentrale Handlungs-
empfehlungen sind Abb. 4 zu entnehmen.
ABB. 3: MASSGEBLICHE HEBEL ZUR
WIRTSCHAFTLICHKEIT VON CONTRACTINGMODELLEN
Bestandsgröße
– Für Contractingprojekte eher unwichtig
– Energieeinsparpotenziale ausschlaggebend
– Für Joint Venture wichtig, da Attraktivität für Partner
Betriebsführung
– Sehr wichtig, je besser desto unattraktiver für Contracting
– Gut geführte Anlagen bieten kaum Einspareffekte im Betrieb
– Sehr wichtig, je besser desto unattraktiver für Contracting
– Anlagenalter entscheidet über Investitionsvolumen und das
Contractingmodell Anlagen- oder Betriebsführungscontracting
– Dezentrale Anlagen kostenintensiver als Zentralanlagen
Anlagenstruktur
und -effizienz
– Sehr wichtig, je besser desto unattraktiver für Contracting
– Aktuell guter Energieeinkauf ermöglicht kaum Skaleneffekte
für Contractor
Energielieferkonditionen
ABB. 4: ZENTRALE HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
Grundlagen schaffen
– Aufbau eines Anlagenkatasters mit detaillierten Informationen
zur Anlagentechnik
– Aufbau energetischer Quartierskonzepte unter Einbindung
erneuerbarer Energien und Sektorenkopplung
Eigene Energietochter
– Ausgründung einer eigenen Energietochter bei mehr als 3.000
WE (mit Insourcing Messdienste evtl. auch ab 1.500 WE)
– Erneuerung ineffizienter Heizungen durch Anlagencontrac-
ting, Rest durch Betriebsführungscontracting
– Betriebsoptimierung der Heizanlagen durch Fernwartung
– Ausschreibungsverfahren ist zwingend notwendig
– Definition Servicequalität und Bewertung Bieterqualität über
Scoring sehr wichtig
– Vertragslaufzeiten 10 bis 15 Jahre mit sehr intensiver Kontrolle
der Auswirkungen frei verhandelbarer Preisgleitklauseln
Wärmecontracting mit
Dritten
– Zentralisierungskonzepte für dezentral versorgte Bestände
– Aufbau von eigenem Fachpersonal TGA sehr sinnvoll
– Betriebsoptimierung der Heizanlagen durch Fernwartung
Eigenversorgung
Quelle: iwb
Quelle: iwb