Die Wohnungswirtschaft 3/2019 - page 52

ENERGIE UND TECHNIK
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3|2019
Intelligente Gebäudeausstattung
Smart Living
Digitalisierung, Energie- oder Verkehrswende sind nicht nur Schlagworte, sondern wesentliche Treiber
für tiefgreifende Veränderungen ganzer Wirtschaftszweige. Auch bei der Entwicklung und Bewirtschaf-
tung von Immobilien wandeln sich Anforderungen durch veränderte Nutzerbedürfnisse und technologische
Möglichkeiten. Im gleichen Maße, wie es für die Nutzer bzw. Mieter komfortabler und einfacher wird bzw.
werden soll, steigt die Komplexität der durch den Eigentümer oder Verwalter zu managenden Prozesse und
Anforderungen, wie das Beispiel der Deutsche Wohnen SE zeigt.
Am Gebäude sind spezifische immobilienwirt-
schaftliche Aufgaben, energiewirtschaftliche
Herausforderungen und ein stetig steigendes
Volumen an zu transportierenden und zu verar-
beitenden Daten zu funktionierenden Lösungen
zusammenzubringen. Und das imSpagat zwischen
sehr langfristigen Investitionsentscheidungen und
Bewirtschaftungszeiträumen für die Immobilie
versus rasante und eher kurzfristige technologi-
sche Entwicklungen.
Doch wie sieht ein „intelligentes Gebäude“ mit
funktionierenden Lösungen aus? Eine allgemein-
gültige oder „richtige“ Antwort gibt es hier si-
cher nicht. Während im Einfamilienhausbereich
das „Smart Home“ schon gelebte Praxis ist und
es zahlreiche Anwendungen gibt, finden sich im
mehrgeschossigen Wohnungsbau innovative An-
sätze allenfalls in einzelnen Piloten im Neubau.
Gefordert sind hier Lösungen, die wirtschaftlich
sinnvoll für Eigentümer bzw. Verwalter sind, die
auch in bereits bestehenden Immobilien nachge-
rüstet werden können und die die Akzeptanz der
Nutzer finden.
Entsprechend sind viele gängige smarte Archi-
tekturlösungen für den übergreifenden Einsatz
in Mehrgeschossimmobilien ungeeignet, weil
i. d. R. die Bereitstellung einer Kommunikations-
infrastruktur durch den Nutzer Voraussetzung ist
und sämtliche Steuerungslogiken ausschließlich
Stefan Haake
Leiter Produkt- und
Technologieentwicklung
Getec Wärme & Effizienz GmbH
Hannover
cloudbasiert sind. Das ist sowohl bei leerste-
henden Wohnungen problematisch als auch bei
Nutzern, die einer Integration in ihr Heimnetz-
werk nicht zustimmen. Auch sind die genutzten
Komponenten wie Sensoren und Aktoren i. d. R.
batteriebetrieben. Die resultierenden Servicepro-
zesse für den Batterietausch wären für den Ver-
mieter wirtschaftlich genauso wenig vertretbar
wie der anfallende Sondermüll aus Perspektive
des Umweltschutzes.
Der Umwelt zuliebe –
weniger Energie und CO
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Vor dem Hintergrund, dass ca. 40% des gesam-
ten Energiebedarfs in Deutschland auf Gebäude
entfallen und davon ca. 75% auf Raumwärme,
wird eine wesentliche Stellgröße zur Erreichung
von Energieeffizienzzielen schnell sichtbar: Der
Nutzer von Gewerberäumen bzw. der Bewohner
einer Wohnung.
Während die Dämmung der Gebäudehülle oder
die Optimierung der Energieversorgungsanlagen
zentral beeinflusst werden können, ist das Ver-
halten der Nutzer im Sinne der Energieeffizienz
nicht steuerbar. Unbewusst falsches Nutzungs-
verhalten wie z. B. Kipplüftung, Heizen in nicht
genutzten Räumen, Überheizen oder zu starkes
Auskühlenwie auch das nicht ausgeschaltete Licht
und die über das Wochenende aufgedrehte Hei-
zung im Büro zeigen das Optimierungspotenzial.
Hier können automatisierte Steuerungssysteme
unterstützen und einen wesentlichen Beitrag zur
Energieeffizienz leisten. Laut DIN-Norm sind im
Wohnumfeld bis zu 19%, imGewerbeumfeld noch
deutlich größere Einsparungen möglich.
Auch auf Ebene der Europäischen Union (Über-
führung in nationales Recht bis 2020) werden
bereits Festlegungen getroffen, die die Verwen-
dung entsprechender Systeme in denWohnungen
vorschreiben.
So formuliert die EU-Richtlinie 2018/844: „Die
Mitgliedsstaaten schreiben vor, dass neue Gebäu-
de, sofern technisch und wirtschaftlich realisier-
bar, mit selbstregulierenden Einrichtungen zur se-
paraten Regelung der Temperatur in jedemRaum
ausgestattet werden. In bestehenden Gebäuden
OPTIMIERUNGESPOTENZIAL
Nutzerverhalten
Intelligente Energie-
versorgungskonzepte
Gebäudesubstanz
Nutzerverhalten
Intelligente Energie-
versorgungskonzepte
Gebäudesubstanz
Technische Systeme
in der Wohnung
Quelle der Grafiken: Getec
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