Die Wohnungswirtschaft 12/2018 - page 63

61
12|2018
In der Monographie „Große deutsche Wohnungs-
unternehmen imStresstest – Quantitative Analyse
der Krisensensitivität und Ansätze zur Förderung
von Resilienz“
1
hat der Autor einen spezifischen
wohnungswirtschaftlichen Stresstest aus der
Anwendungspraxis im Finanzsektor abgeleitet.
Mit Hilfe eines selbst entwickelten Planungs-
und Simulationsmodells hat er zwölf reale große
deutscheWohnungsunternehmen abgebildet und
aufgrund ihrer Historie und der Unternehmens-
strategie einen Basisfall über einen langfristigen
Planungszeitraum entwickelt. Im Vergleich dazu
hat er den Einfluss standardisierter Risiken un-
tersucht und die Ergebnisse in Bezug auf die Re-
levanz einzelner Risikofaktoren, die Bedeutung
zweier deterministischer Szenarien und zusätzlich
mit Hilfe zufallserzeugter Szenarien ökonome-
trisch ausgewertet. Messgrößen für die Stress-
empfindlichkeit sind der Unternehmenswert, die
Zahlungsbereitschaft, die Kapitalerhaltung bzw.
Überschuldung und die Kapitalrendite (siehe Ab-
bildungen oben).
Stressszenarien
Im Ergebnis zeigte das Stressszenario A mit der
Abbildung des Entstehens und Platzens einer Im-
mobilienpreisblase die größten Beeinträchtigun-
gen. Bei den Einzelrisiken hatten die Bewertung
(Faktor), die Mieten, der Zins und – im Hinblick
auf die Liquidität – die Beleihungsquote (LTV) die
stärksten Auswirkungen. Bei den untersuchten
Unternehmen stellten sich die imöffentlichen Ei-
gentum als relativ stabil und die börsennotierten
als relativ fragil heraus. Die übrigen Eigentümer-
gruppen lagen dazwischen.
Die relativ großen Unterschiede in den Stress-
auswirkungen zwischen den untersuchten Unter-
nehmen wurden auf ihre Bestimmungsfaktoren
untersucht und daraus Empfehlungen für eine För-
derung der Resilienz abgeleitet. Gleichzeitigwur-
den Zielkonflikte auf Unternehmensebene (z.B.
Resilienz versus Rentabilität) und auf politischer
Ebene (z. B. Stärkung der Ertrags- und Finanzkraft
der Wohnungswirtschaft versus Mieterschutz)
diskutiert. Insgesamt erlaubt die Untersuchung
aus der Sicht eines externen Bilanzlesers die Ge-
winnung genereller Erkenntnisse bezüglich der
Bedeutung undMilderung von Stressfaktoren und
ein Benchmarking der untersuchten Unterneh-
men. ImRahmen der Untersuchung wird gezeigt,
dass die Definition eines Stressereignisses einen
inneren Widerspruch, ein Oxymoron, enthält. Im
Hinblick auf die Forderung nach extremen, d.h.
außerhalb des Erfahrungshorizontes liegenden,
und seltenen, d.h. unwahrscheinlichen, Ereig-
nissen entsteht ein Konflikt mit der Plausibilität.
Fazit
Wie die Aufnahme der Tests imFinanzsektor lehrt,
besteht ein latenter Gegensatz zwischen Relevanz
undAkzeptanz des Tests.Wird das Ereignis als plau-
sibel empfunden, ist aber zuwenig schwerwiegend,
vermittelt es eine trügerische Sicherheit. Erscheint
das Ereignis unplausibel übertrieben, fehlt es am
Umsetzungswillen der Betroffenen für die Konse-
quenzen aus dem Test. Hält man das Ereignis für
unplausibel leicht, tritt eine Beruhigung durch gute
Ergebnisse nicht ein. Vor diesemHintergrund emp-
fiehlt sich – um konkrete Maßnahmen im Rahmen
des unternehmerischen Risikomanagements tref-
fen zu können – vorab ein individueller Stresstest,
der die Insiderkenntnis über spezifische Faktoren
undWirkmechanismen sowie die tatsächliche Risi-
koneigung und -einschätzung abbildet. Dabei wäre
das Unternehmen frei, adäquate Definitionen von
Stressereignissen zu treffen und damit eine höhere
Akzeptanz seiner Adressaten zu erzielen.
1
Veröffentlicht in der wissenschaftlichen Schriftenreihe
der WWU Münster, Reihe IV, Band 11, ISBN 978-3-8405-
0163-0 und im open access unter
urn:nbn:de:hbz:6-91259426803.
Quelle: eigene Darstellung
Quelle: eigene Darstellung
ALLE UNTERNEHMEN: MAX. RELATIVE WERTVERÄNDERUNGEN GGÜ. BASISFALL
(STANDARDISIERT)
, BOXPLOT QUARTILE
20
0
-20
-40
-60
-80
Basis Leerst.
Miete Ausfall
Inst.
Mod.
Verkauf Zins
Faktor
LTV Szen. A Szen. B Sim.
Flukt.
Δ
Unternehmenswert pro m
2
in %
BETROFFENE UNTERNEHMEN: FEHLBEDARF NACH ZIELAUSSCHÜTTUNG PRO STRESSFAKTOR
(STANDARDISIERT)
,
BOXPLOT QUARTILE
Leerst.
Miete
Ausfall
Zins
Faktor
LTV Szen. A Sim.
Flukt.
0,30
0,25
0,20
0,15
0,10
0,05
0,00
Nettokapitaleinzahlung in € pro m
2
Anzahl betroffener Unternehmen
(nach; vor Ausschüttung):
Szenario A (8;6), Bewertung (5;3),
Mietminderung (4;1), Simulation (4;1),
Beleihungsquote (3;1), Zins (2;1),
Leerstand (1;0), Fluktuation (1;0)
sowie Mietausfall (1;0)
1...,53,54,55,56,57,58,59,60,61,62 64,65,66,67,68,69,70,71,72,73,...76
Powered by FlippingBook