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12|2018
WEG §§ 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2, 29 Abs. 2; BGB § 280 Abs. 1; ZPO § 322 Abs. 1
Verzögerte Beschlussfassung zur Instandsetzung;
Haftung der Wohnungseigentümer für pflichtwidriges Abstimmungsverhalten
1. Lehnen es die Wohnungseigentümer durch Beschluss ab, eine
Maßnahme am gemeinschaftlichen Eigentum durchzuführen, die
ein Wohnungseigentümer zur Behebung von Schäden an seinem
Sondereigentum verlangt, und erhebt der Wohnungseigentümer
Anfechtungsklage und zugleich eine auf die begehrte Maßnahme
bezogene Beschlussersetzungsklage, so werden Schadensersatz-
ansprüche wegen einer verzögerten Sanierung des gemeinschaftli-
chen Eigentums nicht dadurch ausgeschlossen, dass er nachfolgen-
de Vertagungsbeschlüsse nicht anficht (Abgrenzung zu Senat, Urteil
vom 13.7.2012, V ZR 94/11, NJW 2012, 2955 Rn. 11).
2a.Trifft die Wohnungseigentümer ausnahmsweise eine Mitwirkungs-
pflicht, ihr Stimmrecht dergestalt auszuüben, dass die erforderli-
chen Maßnahmen der Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums
beschlossen werden, haften sie bei deren Verletzung nach § 280
Abs. 1 BGB (Klarstellung zu Senat, Urteil vom 17.10.2014, V ZR
9/14, BGHZ 202, 375 Rn. 24 und Urteil vom 13.7.2012, V ZR 94/11,
NJW 2012, 2955 Rn. 6). Die pflichtwidrig handelnden Wohnungsei-
gentümer haften als Gesamtschuldner.
2b.Die Wohnungseigentümer haben ein pflichtwidriges Abstim-
mungsverhalten grundsätzlich nur dann zu vertreten, wenn sie
mit der Einberufung der Eigentümerversammlung in hinreichend
deutlicher Weise über den Instandsetzungsbedarf des Gemein-
schaftseigentums und den von seinem bestehenden Zustand
ausgehenden Auswirkungen auf das Sondereigentum betroffener
Wohnungseigentümer in Kenntnis gesetzt worden sind. Etwas
anderes gilt dann, wenn ihnen die Umstände, die die Stimmpflicht
begründen, bereits bekannt waren oder sie während der Teil-
nahme an der Eigentümerversammlung über diese unterrichtet
wurden.
2c. Ändert ein Wohnungseigentümer sein Abstimmungsverhalten und
kommt er seiner Mitwirkungspflicht nach, ist er für den Scha-
den, der durch einen gleichwohl nicht zustande gekommenen
Beschluss über die Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums
entsteht, nicht verantwortlich. Für die Erfüllung der Mitwirkungs-
pflicht ist der Wohnungseigentümer darlegungs- und beweisbe-
lastet, der zunächst pflichtwidrig gehandelt hat.
3. Nach einer erfolgreichen Beschlussanfechtungsklage steht –
sofern der Beschluss nicht wegen formeller Fehler für unwirksam
erklärt worden ist – unter den Wohnungseigentümern als Folge
der Rechtskraft fest, dass der Beschluss nicht ordnungsmäßiger
Verwaltung entsprach. Wurde ein Negativbeschluss angefochten,
steht zugleich rechtskräftig fest, dass eine Handlungspflicht der
Wohnungseigentümer besteht.
BGH, Urteil vom 23.2.2018, V ZR 101/16
Bedeutung für die Praxis
Wer als Wohnungseigentümer immer noch geglaubt hat, er könne für
seine fehlende oder verweigerte Mitwirkung an dringend notwendigen
Beschlüssen über Instandsetzungsmaßnahmen nicht gegenüber dem
geschädigten Mitwohnungseigentümer haften, den belehrt der BGH mit
seiner lehrbuchartigen Begründung eines Besseren. Fernbleiben von der
Eigentümerversammlung bzw. Stimmenthaltung in der Versammlung
helfen nicht.
Die Kehrseite der Medaille sind allerdings die Verwalterpflichten. Der
Verwalter sollte dringend namentlich abstimmen lassen. Außerdem
muss er die Wohnungseigentümer klar und deutlich – spätestens mit der
Einladung – über den Instandsetzungsbedarf und die Folgen ausbleiben-
der Beschlussfassung informieren. Der Verwaltungsbeirat dagegen ist hier
haftungsmäßig außen vor.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 16 Abs. 3, 43 Nr. 4, 44, 46
Änderung der Kostenverteilung; Benachteiligung kleiner Einheiten; Sprinkleranlage
In § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG wird nicht nur für die Bezeichnung der
Beklagten, sondern auch für die klagende Partei („Klage durch oder
gegen alle Wohnungseigentümer mit Ausnahme des Gegners“) auf Er-
leichterungen in Form einer nachzureichenden Liste verwiesen. Auch
diejenigen Eigentümer, für die der klägerische Prozessbevollmächtigte
keine Prozessvollmacht vorlegen konnte, sind als klagende Partei
anzusehen. Der Umstand, dass ein in erster Instanz auf Klägerseite
stehender Eigentümer gegen das (teilweise) abweisende Urteil kein
Rechtsmittel einlegt, führt nicht dazu, dass er auf Seiten der beklagten
Eigentümer „wechselt“. Bei der Sprinkleranlage handelt es sich um
einen Teil des gemeinschaftlichen Eigentums. Ihr Nutzen kommt auch
anderen Eigentümern im Brandfall zugute, da durch solche Anlagen
ein Feuer erst gar nicht entsteht oder zumindest eingedämmt wird.
LG Itzehoe, Urteil vom 18.5.2018, 11 S 17/17
Bedeutung für die Praxis
Zur Vermutung für die Richtigkeit der vom Verwalter erstellten Eigentü-
merliste vgl. auch BGH, Urteil vom 4.5.2018, V ZR 266/16.
Wer als Anfechtungskläger vom eigenen Prozessverlust – durch Urteil in
erster Instanz – nunmehr überzeugt ist und nicht in die Berufung geht,
wechselt nicht die Seiten, sondern bleibt Kläger. Die Erleichterungen im
Zusammenhang mit der (nachzureichenden) Eigentümerliste des Verwal-
ters beziehen sich nur auf die Bezeichnung der Parteien, nicht aber auf
den Nachweis einer Bevollmächtigung des Anwalts im Prozess. Fehlt es an
der Vollmacht für die klagende Partei, ist die Klage insoweit unzulässig.
Eine beschlossene Änderung des Verteilungsschlüssels kann zu einer
nicht gerechtfertigten Mehrbelastung der Eigentümer kleinerer Einheiten
führen und deshalb nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg