DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2018 - page 21

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und mit Aufzügen ausgestatteten Backsteinbaus
befinden sich rund 40 Wohnungen und einige
Läden. Dazu gehört der Optikerladen Lindberg,
dessen Brillenmittlerweile international bekannt
sind. Auch die dänische Königsfamilie gehört zu
den Kunden.
Wohnform zwischen Miet- und
Eigentumswohnung
Aarhusgaarden wurde Anfang der 1980er Jah-
re eine private Genossenschaft. Der damalige
Eigentümer, eine Versicherungsgesellschaft,
wollte das Gebäude verkaufen und musste es
zuerst den Mietern zum Kauf anbieten. Nach
dänischem Recht sind die Eigentümer von
Mietshäusern seit 1976 im Fall eines Verkaufs
verpflichtet, den Mietern ein Vorverkaufsrecht
einzuräumen. Die Mieter können dies jedoch nur
dann wahrnehmen, wenn sie eine private Genos-
senschaft gründen. Mindestens ein Drittel der
Mieter muss dazu in die neu gegründete Bewoh-
nergenossenschaft eingetreten sein. Im Fall von
Aarhusgaarden entschieden sich die meisten für
eine Genossenschaft und gründeten im Oktober
1983 ABF Aarhusgaarden („Andelsboligforenin-
gen Aarhusgaarden“).
Das Vorverkaufsrecht für Mieter gilt auch heu-
te noch. Im Laufe der Jahre hat es zu mehreren
Tausend Neugründungen, vor allem in den Grün-
derzeitquartieren von Aarhus und Kopenhagen,
geführt. Hier machen die Wohnungen privater
Genossenschaften bereits die Hälfte des Bestands
aus. Private Genossenschaften sind eine dänische
Besonderheit und werden oft als „dritte Wohn-
form“ zwischen Miet- und Eigentumswohnung
bezeichnet. Die Mitglieder besitzen einen An-
teil am Vermögen der Genossenschaft und das
Nutzungsrecht an ihren Wohnungen. Seitdem
Genossenschaftsanteile mit Hypotheken belas-
tet werden können, gleichen sich die privaten
Genossenschaftswohnungen allerdings immer
mehr den Eigentumswohnungen an.
„Das Haus fürs Leben“
Heute hat Aarhusgaarden 39 Wohnungen. Hin-
zu kommen eine Wohnung für den Hausmeis-
ter, sechs Geschäfte und eine Zahnarztpraxis.
Früher gab es 14 Geschäfte; im Laufe der Jahre
wurden einige erweitert oder zusammenge-
legt. Bis auf den Hausmeister sind alle Mieter
Mitglied der Genossenschaft. Die Größe der
1- bis 5-Zimmer-Wohnungen variiert zwischen
45 und 125 m
2
. Eine kleine Wohnung von 45 bis
55 m
2
kostet rund 250 bis 350 € Miete, der Ge-
nossenschaftsanteil beläuft sich auf 100.000 bis
120.000 €. Für eine große Wohnung von 100 bis
125 m
2
müssen Mieter rund 500 bis 600 € Mie-
te bezahlen; der Genossenschaftsanteil beträgt
240.000 bis 300.000 €. Langjährige Bewohner
berichten, dass imHaus u. a. Studenten, Familien
mit Kindern, Angestellte imÖffentlichen Dienst,
Rechtsanwälte, Ärzte und Senioren leben. Viele
hätten hier fast ihr ganzes Erwachsenenleben
verbracht, seien als Studenten in eine kleine
Wohnung gezogen und später als Familie in eine
größere. Offensichtlich gelingt es der Genossen-
schaft, ihre Mitglieder und Bewohner langfristig
zu binden.
Sozial benachteiligte Mieter leben nicht in diesen
Genossenschaftswohnungen. Allgemein verfügen
die Mitglieder privater Genossenschaften auch
eher über durchschnittliche Einkommen.
Engagement bei der Gebäudesanierung
Aarhusgaarden steht nicht unter Denkmal-
schutz, gilt aber als erhaltenswertes Gebäude.
Ohne Erlaubnis der Kommune Aarhus dürfen
beispielsweise keine Veränderungen an der Fas-
sade durchgeführt werden. Diese Fassade hat
die Genossenschaft innerhalb der letzten zehn
Jahre komplett saniert und dabei alle Fenster
gegen zweifach verglaste Lärmschutzfenster
ausgetauscht. Die gelungene Sanierung wur-
de mit dem Architekturpreis der Stadt Aarhus
ausgezeichnet und kostete umgerechnet rund
1,2 Mio. €. Die Genossenschaft finanzierte die
Arbeiten durch eine kleine Mieterhöhung und ein
Bankdarlehen. Zuständig für die Sanierung war
eine Arbeitsgruppe, der Vertreter des Vorstands,
der Geschäftsleute und Mieter angehörten. Die-
se suchte den Architekten, die Fensterfirma und
Handwerker aus.
Die Koordination der Arbeiten und den Kontakt
zum zuständigen Architekten der Stadt Aarhus
übertrug sie einer kleinen Firma. Die Zusammen-
arbeit mit dieser Firma sei schwierig gewesen,
meint ein langjähriger Mieter. Aber man habe
alles überstanden und jetzt eine sehr schöne
Fassade. Derzeit ist die Genossenschaft damit
beschäftigt, die Wasserleitungen zu erneuern.
Bei einem Haus dieses Baujahrs gibt es eben im-
mer etwas zu tun.
Weitere Informationen:
Neubau und Sanierung
Energie und Technik
Rechtssprechung
Haufe Gruppe
Markt undManagement
Stadtbauund Stadtentwicklung
Die Wurzeln der privaten Andelsboligforeninger sind in der Genossenschaftsbewegung
des 19. und 20. Jahrhunderts zu finden. Größere wohnungspolitische Bedeutung er-
hielten sie 1976 durch eine Änderung des dänischen Mietrechts. Mietern wurde für den
Fall, dass ein privater Eigentümer sein Mietshaus verkaufen will, ein Vorverkaufsrecht
eingeräumt.
Es gibt private Genossenschaften, die durch die Übernahme von Mietshäusern in Stadt-
zentren entstanden sind, und Neubaugenossenschaften, deren Siedlungen sich überwie-
gend am Stadtrand befinden.
Der Anteil privater Genossenschaften am Gesamtwohnungsbestand beträgt 7,5 % und
umfasst 190.000 Wohnungen. Die Interessen der privaten Wohnungsgenossenschaften
vertritt der gemeinnützige Verband „Andelsboligforeningernes Fællesrepræsentation“
(ABF) in Kopenhagen.
„PRIVATE ANDELSBOLIGFORENINGER“ –
PRIVATE GENOSSENSCHAFTEN IN DÄNEMARK
Anfang der 1980er Jahre gründeten die knapp 40 Mietparteien des Gebäudes eine
sog. private Genossenschaft, um ihr Vorkaufsrecht wahrnehmen zu können
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