DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 2/2018 - page 39

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REGIONALE VERTEILUNG UND VERWALTUNGSFORMEN DER IMMOBILIEN
Bei den Anstrengungen, den enormen Energie-
verbrauch des Landes zu reduzieren, spielt der
Wohnungssektor eine besondere Rolle. Das Kom-
petenzzentrum Großsiedlungen konnte in seinen
Projekten in Dnepropetrowsk (2010-2013) und
Zhovkva (seit 2012) Einsparungspotenziale von
deutlich über 50% eindrücklich nachweisen (siehe
auch DW 11/2014, S. 46 ff.).
Trotz des großen wirtschaftlichen, sozialen und
politischen Druckes ist es bisher zu keinen umfas-
senden energetischen Modernisierungen an den
Mehrfamilienhäusern gekommen. Einzelmaßnah-
men von Wohnungseigentümern, wie Fensterer-
neuerungen, Verkleidung der alten Balkone oder
Wärmedämmung der Wohnungen, prägen das Bild
der ukrainischenWohnsiedlungen undmachen die
unterschiedlichenwirtschaftlichenMöglichkeiten
der Bewohner und damit die heterogene Eigentü-
merstruktur sichtbar.
Eine nationale Strategie zur umfassenden, flä-
chendeckenden Sanierung des Wohnungsbestan-
des, wie sie das Kompetenzzentrumaus den Erfah-
rungen des Projektes aus Dnepropetrowsk für die
Ukraine fordert, ist bisher nicht in Sicht. Das Kom-
petenzzentrumGroßsiedlungen und die Initiative
Wohnungswirtschaft Osteuropa (IWO) haben sich
deshalb u. a. mit der Deutschen Energie-Agentur
(dena) und weiteren Partnern
1
in der „Initiative
Energieeffizienz Ukraine“ zusammengeschlossen
und ein Projekt zur „umfassenden energetischen
Sanierung vonMehrfamilienhäusern in der Ukrai-
ne“ initiiert. Die dena erhielt hierfür vomBundes-
wirtschaftsministerium den Umsetzungsauftrag.
Modellprojekte für die Ukraine
In der ersten Phase eines 2-stufigen landeswei-
ten Auswahlverfahrens wurde ein Interessenbe-
kundungsverfahren von Wohnungseigentümern,
Eigentümergemeinschaften oder auch Genos-
senschaften in der Ukraine initiiert. Allgemein
herrschte sowohl bei deutschen als auch bei
ukrainischen Experten die Skepsis vor, dass die
Resonanz bei den Betroffenen auf ein solches Ver-
fahren nur sehr gering sein würde, auch weil von
Beginn an keine Übernahme der Sanierungskos-
ten zugesagt wurde. Dieser Pessimismus hat sich
nicht bestätigt. Ganz imGegenteil: meldeten sich
doch Vertreter von über 1.000 Häusern mit über
100.000Wohnungen aus allen Teilen der Ukraine,
sogar aus den sog. Separatistengebieten Donezk
und Lugansk in der Ostukraine, an.
Mehr als die Hälfte der Interessenten nahm an
der beschränkten Ausschreibung in der zweiten
Phase teil. Hieraus wurden 20 Modellprojekte
ausgewählt. Bei der Auswahl der Projekte wurde
besonders auf eine hohe Transparenz geachtet.
Ein nicht unwichtiges Thema in einem von Kor-
ruption gezeichneten Land. Die Kriterien für die
Projektauswahl wurden öffentlich gemacht; dazu
zählten u.a.:
• eine gleichmäßige landesweite Verteilung der
Projekte,
• Projekte in großen und kleinen Städten und
Kommunen,
• Berücksichtigung häufig auftretender Gebäu-
detypen, Baualter und Klimazonen,
• Abbildung möglichst vieler Eigentumsfor-
men.
Die Auswahl war nicht einfach und bei so vielen
Bewerbern sicherlich auch mit Unzulänglichkei-
ten behaftet – sie war allerdings transparent.
Damit wurden in der Ukraine neue Maßstäbe
gesetzt, die für die Legitimation der beteiligten
Wohnungseigentümer von großer Wichtigkeit
sind!
Einbeziehung der Bewohner
Mitte Juni 2016 fanden die ersten Treffen mit
den Vertretern der Modellprojekte und zustän-
digen Kommunalvertretern in fünf Städten der
Ukraine statt. In den Seminaren wurden die Rah-
menbedingungen, die Aufgaben und Pflichten
diskutiert, aber auch die Wünsche und Ideen, die
Ängste und Befürchtungen der Bewohner wurden
intensiv und offen besprochen.
Ein Praxistest mit 20 „Modellhäusern“
In allen mittel- und osteuropäischen Ländern sowie den GUS-Staaten erfolgte nach der
Erlangung der staatlichen Souveränität eine massenhafte Privatisierung des ehemals
staatlichen bzw. kommunalen Wohnraums an die bisherigen Mieter, so auch in der
Ukraine.
In mehreren Gesetzesakten wurde nun in den vergangenen Jahren der Versuch unter-
nommen, die neuen Wohnungseigentümer so zu organisieren, dass sie ihren gemein-
schaftlichen Besitz erhalten und – so die große Hoffnung – auch modernisieren können.
Von anfänglichen Unterstützungszusagen des Staates in den Gesetzen, wie der Übernah-
me der „Kapitalremont“, ist in aktuellen Gesetzesnovellen schon lange keine Rede mehr
und bei aktuellen Zinssätzen von über 20% p.a. sind die vorhandenen oder geplanten
Unterstützungsprogramme keine ausreichende Motivation für die Eigentümer. Die Mehr-
zahl der Eigentümer ist schlicht wirtschaftlich überfordert, ihren Eigentumspflichten
nachzukommen.
Weitere Organisationsformen des Eigentums sind deshalb gefragt und hier könnte
Deutschland z.B. mit seinen guten und langjährigen Erfahrungen mit den Wohnungs-
genossenschaften hilfreich unterstützen.
ENERGETISCHE OPTIMIERUNG VON WOHNGEBÄUDEN
Quelle: IWO – Initiative Wohnungswirtschaft Osteuropa e.V.
5
5
4
4
12
2
2 2
4
Westen
OSBB in
Gründung
Kooperativen
Süden
Osten
OSBB
Mitte
Kiew
ZhEK
Gleichmäßige Verteilung der Projekte
Wichtigste Verwaltungsformen vertreten
OSSB = Wohneigentümergemeinschaften
ZhEK = kommunale Wohnungsverwaltung
1...,29,30,31,32,33,34,35,36,37,38 40,41,42,43,44,45,46,47,48,49,...68
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