DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 10/2018 - page 48

NEUBAU UND SANIERUNG
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10|2018
Städte zu suchen, greift zu kurz. Eine Allensbach-
Umfrage wirft ein helleres Licht auf die Attrak-
tivität von Stand und Land. Während die Stadt
mit Einkaufs-, Freizeit- und Kulturangeboten
punktet, aber eben auch für Lärm und Schmutz
steht, erhofft man sich vom Land „gute Luft“,
„günstigen Wohnraum“, „Nachbarschaftshilfe“
und Zufriedenheit. Das Land wird zu einer Pro-
jektionsfläche des guten Lebens, ganz wesentlich
wegen besserer menschlicher Beziehungen, die
Menschen dort vermuten. In der Stadt gehen häu-
fig soziale Dichte und soziale Isolation Hand in
Hand, deshalb beklagen Menschen die fehlende
soziale Wärme.
Die Wohlfühl-Stadt der Zukunft
Daraus kann man eine Zukunftsaufgabe der Städ-
te ablesen: Die Verbindung von urbanem Lebens-
gefühl und lebendigen Nachbarschaftsbezie-
hungen. Schon heute ist die Suche nach diesem
neuen Wir spürbar: in Co-Working-Spaces arbei-
ten Selbstständige der Vereinsamung entgegen
oder man gärtnert zusammen, wie z.B. in den
Prinzessinnengärten in Berlin. Nachbarn kochen
zusammen, es werden Straßenfeste organisiert
oder Spielplätze angelegt. Sogar die Gartenzäune
fallen. Quartiere organisieren Märkte und Ein-
kaufshilfe für Ältere. Auf diese Weise entwickelt
sich, insbesondere auch mit der Unterstützung
sozial orientierter Wohnungsgesellschaften
und -genossenschaften, eine neue Stadtkultur:
die aktiv engagierte Stadt-Community ersetzt
anonymes, flüchtiges Stadtleben. Die Städter
holen sich sozusagen ein Stück Dorfleben in die
Metropolen.
Wohnqualität entsteht imMiteinander
Einen weiteren Indikator für das Bemühen um
bessere Beziehungen in den Städten stellen, ne-
ben den kommunalen und genossenschaftlichen
Wohnungsunternehmen, auch die Baugruppen
dar — heute bereits eine dritte Säule des Immo-
bilienmarktes. Baugruppen spiegeln das Konzept
der Wahlfamilie wider. Anstatt im anonymen
Mehrfamilienhaus mit Fremden zu leben, baut
man das Haus gemeinsammit Freunden, Bekann-
ten und Gleichgesinnten. Die Baugruppe stärkt
die Beziehungen untereinander und ermöglicht
darüber hinaus auch Normalverdienern einen
Weg zum Immobilienbesitz.
Die Wohnung der Zukunft
In Zukunft denkt man über das Konzept der Ein-
zelwohnung hinaus. Eine Immobilie wird eher als
ein flexibles Raumsystem verstanden, in dem es
private Zonen gibt und gemeinschaftliche Berei-
che, die man bei Bedarf dazunutzt: den (Dach-)
Garten, das Gästezimmer, den Co-Working-Space
oder die Kleinstwohnung für pflegebedürftige
Angehörige. Damit ist die Gemeinschaftsim-
mobilie der Zukunft ein Wohnraum, der die
größtmögliche Auswahl aus einem „Modulbau-
kasten Wohnen“ bietet und je nach Wunsch und
Lebenssituation neu konfiguriert werden kann.
Dadurch wird die Vielfalt zusätzlicher Raum- und
Serviceangebote zum Qualitätsmerkmal. Doch
in erster Linie definiert sich Wohnqualität beim
Gemeinschaftswohnen über das Miteinander mit
den Nachbarn. Diese Suche nach dem „Wir beim
Wohnen“ könnten auch traditionelle Bauträger
und Immobilienunternehmen unterstützen bzw.
sich zu Nutze machen, indem sie Mieter oder Käu-
fer bereits vor Baubeginn einbinden – und zwar
nicht nur bei der Auswahl des Bodenbelags.
LEBENSQUALITÄT IN STADT UND LAND
Gute Luft
Günstiger Wohnraum
Nachbarschaftshilfe
Lange Wege
Zufriedenheit
Man wird ständig beobachtet
Einsam
Gute Freizeitmöglichkeiten
Abwechslungsreich
Schmutz
Gute Einkaufsmöglichkeiten
Lärm
2
95
5
84
5
82
7
80
8
57
22
46
39
27
65
20
73
7
90
4
91
2
76
10
Alle Angaben in %
Land Stadt
„Was davon würden Sie spontan eher mit dem Leben auf dem Land verbinden,
und was spontan eher mit dem Leben in der Stadt?“
Quelle: Institut für Demographie Allensbach
DIE SEHNSUCHT DER STÄDTER NACH LÄNDLICHKEIT
in der Stadt
auf dem Land
1956
19%
54%
43%
40%
21%
39%
1977
2014
„Wo haben die Menschen Ihrer Ansicht nach ganz allgemein mehr vom Leben:
auf dem Land oder in der Stadt?“
Quelle: Institut für Demographie Allensbach
1...,38,39,40,41,42,43,44,45,46,47 49,50,51,52,53,54,55,56,57,58,...118
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