DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 1/2017 - page 12

STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
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weite Herz von Einrichtungsleiterin Ulla Reiner.
Sie verhehlt allerdings nicht, dass die Aufgabe an-
spruchsvoll ist: Bei sehr begrenzten materiellen
und personellen Ressourcen steigen die Anfor-
derungen an den Treff immer weiter.
Das hängt mit der Flüchtlingssituation zusam-
men, die sich auch auf das Vorzeigeprojekt in
Neubrandenburg auswirkt. Fünf Wohnungen in
der Neustrelitzer Straße hat der Landkreis für
die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen
angemietet; weitere 25 Wohnungen sind regulär
an Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft
vermietet, darunter viele an Geflüchtete mit ge-
klärtem Aufenthaltsstatus. Dem Konnex kommt
deshalb eine wichtige Aufgabe bei der Integration
zu: Kinder und Jugendliche aus Syrien und Eritrea,
aus Tschetschenien und anderen Ländern treffen
hier aufeinander. Undmanchmal, erzählt Ulla Rei-
ner, bitten auch Eltern darum, sich ein Schriftstück
übersetzen und erklären zu lassen.
Flüchtlinge unter Menschen, denen es selber nicht
gut geht – kann das funktionieren? Ja, versichert
NEUWOGES-Sozialarbeiterin Rita Reichardt. Al-
lerdings ist dafür nach ihrenWorten eine intensive
Ansprache der deutschen Mieter nötig, zumal in
der Neustrelitzer Straße auch Menschen leben,
die Ausländern gegenüber ablehnend eingestellt
sind. Dass es trotzdemnicht zu offenen Konflikten
kommt, unterstreicht den Erfolg des Projekts.
Bolzplatz und Bewohnergarten
Zu diesem Erfolg beigetragen haben neben der
sozialpädagogischen Betreuung auch bauliche
Maßnahmen. 1,6 Mio. € investierte die NEUWO-
GES im Jahr 2015, um Fenster und Balkone zu sa-
nieren und die Eingangsbereiche umzugestalten.
In allen Hauseingängen gibt es nun Rampen, was
wichtig ist, weil viele der Bewohner gesundheit-
lich beeinträchtigt sind. Zudemwurden ein neuer
Spielplatz, ein Bolzplatz und ein Bewohnergarten
geschaffen. Ziel ist es, dass der Garten von Mie-
tern unter Anleitung gepflegt wird. Ganz so weit
ist es allerdings noch nicht: „Da müssen wir noch
motivieren“, sagt Susanne Jeske.
50.000 € lässt sich das kommunale Unternehmen
das Projekt „Wohnsozialisierungshilfe im Quar-
tier“ jährlich kosten. „Die NEUWOGES als Woh-
nungsunternehmen der Stadt Neubrandenburg
möchte ihre soziale Verantwortung gegenüber
ihren Mietern wahrnehmen und den betroffenen
Bewohnern den Weg zurück in ein eigenständi-
ges und selbstbestimmtes Leben ermöglichen“,
begründet Geschäftsführer Frank Benischke das
Engagement. „Für mich“, betont er, „gehören
Wohnungswirtschaft und Sozialarbeit einfach
zusammen.“
Dennoch trägt das Projekt nicht nur zur sozialen
Stabilität bei, sondern auch zu stabilen Mietein-
nahmen. Denn die Sozialarbeiterinnenmotivieren
die betroffenen Mieter, ihre Mietschulden abzu-
tragen – und sei es in kleinen Beträgen vonmonat-
lich 5 oder 10 €. „Das stärkt das Selbstbewusst-
sein“, sagt Rita Reichardt. „Und es ist ein schönes
Gefühl, die Dankbarkeit zu spüren, wenn die Leute
merken, dass wir keine Kündigung ausgesprochen
haben, obwohl wir das hätten tun können.“
Allerdings machen die Verantwortlichen deutlich,
dass ihre Geduld nicht unbegrenzt ist. Wenn ein
Mieter sich gar nicht helfen lassen will, dann kann
amEnde doch die Kündigung stehen – imBewusst-
sein, dass dieserMieterwohl nirgendwo sonstmehr
eine Wohnung finden wird. Das aber ist selten der
Fall. Öfter kommt es vor, dass sichMenschen in der
Neustrelitzer Straße so weit stabilisieren, dass sie
in einen anderenNEUWOGES-Wohnblock umziehen
können. Und manchmal gibt es auch ein besonde-
res Erfolgserlebnis, so wie an demTag, an demder
Autor dieses Beitrags das Projekt besucht: Da fehlt
nämlich einer der regelmäßigen Besucher des Be-
wohnertreffs. Nach 14 Jahren Arbeitslosigkeit hat
er eine Stelle gefunden.
Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Herkunft fühlen sich im Jugendtreff Konnex wohl
Stolze Preisträger im Wettbewerb Soziale Stadt 2016 (v. l.): Susanne Jeske, NEUWOGES-Leiterin Soziale Dienste;
NEUWOGES-Geschäftsführer Frank Benischke; Peter Modemann, stellvertretender Oberbürgermeister der Stadt
Neubrandenburg; Frank Brehe, Geschäftsführer Arbeiter-Samariter-Bund Neubrandenburg
Weitere Informationen:
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