DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2016 - page 73

Handlungsoptionen kennen, wenn ihre Unterneh-
men ins Trudeln geraten.
Grundsätze der Haftung
Haftung entsteht, wenn eine haftungsbegründen-
de Pflicht verletzt worden ist. Der demUnterneh-
mensleiter gesetzlich und vertraglich definierte
übertragene Pflichtenkreis muss klar sein, der
Umfang der Verantwortung deutlich. Es macht
einen Unterschied, ob jemand Mitglied eines Kol-
legialorgans ist oder ob er als Alleingeschäftsfüh-
rer agiert.
Haftungsmaßstab ist die Sorgfalt eines ordent-
lichen, gewissenhaften Geschäftsleiters. Keine
Pflichtverletzung liegt vor, wenn der Geschäfts-
leiter bei seiner unternehmerischen Entscheidung
vernünftigerweise annehmen darf, auf Grundla-
ge angemessener Informationen zum Wohle der
Gesellschaft zu handeln. Dieser im Aktiengesetz
seit 1995 verankerte Rechtssatz beruht auf der
sog. Business Judgement Rule. Der Unterneh-
mensleitung soll ein weiter Handlungsspielraum
zugebilligt werden, ohne den unternehmerische
Tätigkeit nicht denkbar ist.
Das zivilrechtliche Haftungsrecht unterscheidet
zwischen der Innenhaftungwegen der Verletzung
des Pflichtenkreises gegenüber demUnternehmen
selbst und der Außenhaftung wegen der Verlet-
zung des Pflichtenkreises gegenüber Dritten. Nach
einer aktuellen Statistik von Versicherungen, die
D&O-Versicherungen anbieten, liegt das Verhält-
nis von Innen- zu Außenhaftungsfällen bei 90:10!
Außenhaftung
Vertragliche Haftungstatbestände können sich
z. B. aus der Übernahme von Bürgschaften er-
geben, vertragsähnliche Haftungstatbestände
(§ 311 III S. 2 BGB) aus der schuldhaften Verlet-
zung einer Pflicht, wie einer Auskunftspflicht.
Rechtsschein-Haftungstatbestände wären mög-
lich, wenn ein Geschäftsführungsorgan nicht aus-
drücklich erkennbar zeigt, dass er im Namen der
Gesellschaft tätig wird.
GesetzlicheHaftungstatbeständeberuhenaufDe-
liktsrecht, also der Vornahme unerlaubter Hand-
lungen (§ 823 II i. V. m. Schutzgesetz, § 826 BGB).
Eine Vielzahl der Vorschriften, die für Unterneh-
mensleiter gelten, stellen Schutzgesetze i. S. d.
§ 823 II BGB dar. Bei vorsätzlichemoder fahrlässi-
gem Verstoß gegen das Schutzgesetz macht sich
ein Geschäftsführungsorgan nicht nur persönlich
haftbar, sondern häufig auch strafbar. Ein beson-
ders wichtiges Schutzgesetz, dessen Verletzung
zu einer Außenhaftung führt, ist § 15 a I lnsO
(Insolvenzantragspflicht/Insolvenzverschlep-
pung). Das Geschäftsführungsorgan einer kom-
munalen Gesellschaft oder Genossenschaft muss
gem. § 15 a I InsO ohne schuldhaftes Zögern,
spätestens jedoch drei Wochen nach Eintritt der
Zahlungsunfähigkeit gem. § 17 InsO und/oder
Überschuldung gem. § 19 InsO der Gesellschaft,
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantra-
gen.
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat
keinen Einfluss auf die Organstellung der Ge-
schäftsleitung. Er kann auch im laufenden In-
solvenzverfahren gemäß § 38 GmbHG durch die
Gesellschafterversammlung abberufen werden
oder sein Amt niederlegen. Der Insolvenzver-
walter hat keine Kompetenz zur Abberufung der
Geschäftsleitung, aber die Befugnisse der Ge-
schäftsführung werden reduziert auf den sog.
insolvenzfreien Bereich.
Ein weiteres wichtiges Schutzgesetz bildet
§ 266a StGB, die Haftung wegen der Vorenthal-
tung von Sozialversicherungsbeiträgen, wenn die
Geschäftsleitung die Sozialbeiträge nicht mehr
abführt aufgrund fehlender Liquidität. Das Glei-
che gilt für §§ 69, 34 AO, welche die Haftung für
die Nichtabführung von Lohn- und Umsatzsteuer
eines Unternehmens bergen.
Gelegentlich kommen darüber hinaus Haftungsfälle
vor, die im Zusammenhang mit Betrugs- und Un-
treuevorwürfen (§§ 263 bis 266b StGB) sowie mit
Insolvenzstraftaten (§§283bis 283d StGB) stehen.
Innenhaftung
Bei der Innenhaftung handelt es sich um die Haf-
tung des Geschäftsleiters gegenüber demeigenen
Unternehmen, d. h. die Gesellschaft geht gegen
ihren Unternehmensleiter vor. Leitende Orga-
ne haften ihrem Unternehmen für Schäden, die
durch schlichte Managementfehler oder durch
schuldhafte Pflichtverletzungen entstanden sind.
Diese Haftung ist persönlich und unbeschränkt.
Sie erstreckt sich auf das gesamte Vermögen und
beruht auf Verletzungen der allgemeinen Pflicht
zur sorgsamen, ordentlichen und gewissenhaf-
ten Geschäftsführung (§ 93 AktG, § 43 GmbHG,
§ 34 GenG), aber auch auf Verstößen gegen
Die Business Judgement Rule stellt Vor-
stände und Aufsichtsräte einer AG gemäß
§§ 93 Abs. 1 Satz 2, 116 Satz 1 AktG unter
bestimmten Voraussetzungen haftungsfrei,
obwohl ein Schaden aufgrund unterneh-
merischer Entscheidungen entstanden ist.
Diese Haftungsprivilegierung wird heute
auch für Geschäftsführer einer GmbH
angewendet.
BUSINESS JUDGEMENT RULE
1...,63,64,65,66,67,68,69,70,71,72 74,75,76,77,78,79,80,81,82,83,...92
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