DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2016 - page 83

der Bau von über tausendWohnungen auf Eis, weil
z. B. ein Parkplatz zu wenig angesetzt wurde, ein
Baum im Weg steht oder einfach die personellen
Kapazitäten zur Sachverhaltsprüfung fehlen. Hier
erwarten wir, dass die Relevanz des Wohnungs-
baus erkannt und schneller gehandelt wird.
Ein anderes Thema sind die einfachen Bauten,
die zurzeit in der Wohnungswirtschaft diskutiert
werden. Das Kieler Modell in Schleswig-Holstein
erfüllt alle Vorgaben und könnte als Modulbau
überall eingesetzt werden. Die Standardausstat-
tung ließe sich beizeiten ergänzen – Balkone könn-
ten beispielsweise später angebaut werden. Damit
hättenwir dieMöglichkeit, schnell, bezahlbar und
sicher zu bauen und der aktuellen Nachfrage zu
begegnen.
Zukünftig werden uns auch die Baukapazitäten
beschäftigen. Schon jetzt sind Baufirmen auf
längere Zeit ausgebucht, in einigen Kreisen sind
schon kaumnoch Fachkräfte verfügbar. Damüssen
Wirtschaft und Politik gleichermaßen ran und das
Problem lösen. Junge, motivierte Menschen gibt
es genug. Viele der Flüchtlinge sind handwerklich
ausgebildet, Potenzial ist reichlich vorhanden –
wir müssen es nur nutzen.
Die Energiewende und deren Auswirkungen
auf die gesetzlichen Mindestanforde-
rungen imWohnungsbau: Wie sind die
Baukosten mit diesen Auflagen noch in den
Griff zu bekommen?
Tatsächlich sind die Baukosten eine Belastung für
unsere Unternehmen. Seit 2000 sind sie um gut
40%gestiegen. Preistreiber sind vor allemdie im-
mer höheren Anforderungen beim Klimaschutz,
Schallschutz, der Haustechnik usw. DieMitglieds-
unternehmen bauen seit Jahrzehnten, teilweise
seit über einem Jahrhundert, nachhaltige und be-
zahlbare Wohnungen. Dies tun sie freiwillig und
mit höchstem Sachverstand.
Gesetzliche Anforderungen sind deshalb unnötig
und häufig kontraproduktiv. Die Dämmvorgaben
oder auch die Novellierung der EnEV sind gute Bei-
spiele dafür. Hier werden Vorschriften gemacht,
die nur sehr geringfügige bis gar keine Auswirkun-
gen auf den Klimaschutz haben, aber hohe Kosten
verursachen.
Die Verantwortlichen sollten also mehr Weitblick
zeigen. In Deutschland müssen wir davon weg-
kommen, immer gleich das technisch Machbare
zum Standard zu erklären.
Bündnis für das Wohnen in Hamburg:
Wie sieht die Zukunft aus?
Der Erfolg des Bündnisses ist offensichtlich. Allein
im Jahr 2015 wurden insgesamt 9.560 Wohnein-
heiten genehmigt. Nun, nach der Bürgerschafts-
wahl 2015, wird das Bündnis neu verhandelt. Es
muss dringend der aktuellen Entwicklung Rech-
nung tragen. Im vergangenen Jahr haben über
60.000 Menschen in Hamburg Schutz gesucht,
davon sind nach der Verteilung über 20.000Men-
schen geblieben. Diese benötigen kurzfristig eine
Unterkunft und viele in den kommenden Jahren
auch eine reguläre Wohnung.
Durch den erhöhten Zuzug haben wir noch mehr
Druck im „Wohnungsbau-Kessel“. Es muss vor-
rangig um Wohnungsbau gehen – dieser muss
zügig erfolgen und bezahlbar sein. Klima-, Na-
tur- und Denkmalschutzvorgaben sowie weitere
Rahmenbedingungen sollten überprüft und ge-
gebenenfalls temporär ausgesetzt werden. Auch
die Baukapazitätenwerden ein Thema sein. Unser
Ziel ist es, das Bündnis für das Wohnen im Febru-
ar abzuschließen. Bis dahin müssen wir noch so
manchen Konflikt mit der Behörde lösen.
Welche noch nicht angesprochenen Punkte
liegen Ihnen darüber hinaus am Herzen?
Welchen Fragen stellen sich Ihnen noch?
Wie stellen wir uns auf die digitale Zukunft ein?
Wie kann der Verband Trendsetter, Zukunftsfor-
scher und Spürnase für Innovation und Entwick-
lung der Zukunft sein? Das wird nicht leicht, ist
aber eine unserer Aufgaben.
Wennwir bundesweit deutlichmehr Neubau brau-
chen, kommt dannmehr serielles Bauen?Welchen
Einfluss hat das auf unsere Baukultur, das Bau-
recht, das Genehmigungsverfahren?
Fragen über Fragen, und wir arbeiten an den Ant-
worten. Auch 2016 wird wieder ein wohnungs-
wirtschaftlich spannendes Jahr. Da bin ich mir
sicher.
Herr Breitner, vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Ulrike Silberberg.
Welchen Einfluss hat das auf unsere Baukultur, das Baurecht, das
Genehmigungsverfahren? Und: Wenn wir bundesweit deutlich
mehr Neubau brauchen, kommt dann mehr serielles Bauen?
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