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4|2016
RECHT
BGB §§ 536, 536a, 536b, 536c
Vorbehaltlose Mietvertragsverlänge-
rung; Mängelrechte des Mieters
Die vorbehaltlose Ausübung einer Verlängerungsoption durch den
Mieter führt nicht dazu, dass der Mieter für die Zukunft mit seinen
Rechten aus §§ 536, 536 a BGB ausgeschlossen ist.
BGH, Urteil vom 14.10.2015, XII ZR 84/14
Bedeutung für die Praxis
Bei der Ausübung einer Verlängerungsoption handelt es sich nicht um
einen Vertragsschluss im Sinne des § 536 b BGB. Durch ihre Ausübung
kommt kein neuer Vertrag zustande. Vielmehr wirkt sie unmittelbar auf
das bestehende Mietverhältnis ein, indem sie mit ihrer Gestaltungs-
wirkung lediglich die ursprünglich vereinbarte Vertragslaufzeit ändert
und ihr einen neuen Zeitabschnitt hinzufügt. Auch die entsprechende
Anwendung des § 536 b BGB kommt bei vorbehaltloser Ausübung
einer Verlängerungsoption nicht in Betracht. Es fehlt nämlich seit
der Neuregelung durch das Mietrechtsreformgesetz an der für eine
Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Im Zuge der
Einführung des Mietrechtsreformgesetzes hat der Gesetzgeber bewusst
davon abgesehen, eine Regelung für den Fall zu treffen, dass der Mieter
den Mangel erst nach Vertragsschluss erkennt und trotz Kenntnis des
Mangels die Miete über einen längeren Zeitraum hinweg vorbehaltlos
in voller Höhe weiterzahlt, sondern mit § 536 c BGB eine abschließende
Regelung für nachträglich sich zeigende Mängel getroffen. Eine entspre-
chende Anwendung des § 536 b BGB auf die vorbehaltlose Ausübung der
Verlängerungsoption durch den Mieter ist auch nicht in Ansehung des
Gesetzeszwecks geboten. Die vorbehaltlose Optionsausübung durch den
Mieter während des Mietverhältnisses ist von der Situation des Vertrags-
schlusses bzw. Vertragsbeginns verschieden. Die Grundentscheidung
für das Mietverhältnis und den konkreten Zustand der Mietsache als
vertragsgemäß ist gefallen, die mietvertraglichen Rechte und Pflichten
sind festgelegt und das Dauerschuldverhältnis von Mieter und Vermieter
besteht (oft seit längerer Zeit). Der Mieter setzt sich daher nicht dem
Vorwurf des widersprüchlichen Verhaltens aus, indem er eine man-
gelhafte Sache von vornherein als vertragsgerecht akzeptiert, hiervon
abweichend aber zu einem späteren Zeitpunkt die Rechte aus §§ 536
und 536 a BGB geltend macht.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 558 Abs. 1 Satz 2, 558a Abs. 1, 558b Abs. 2 Satz 2;
WoFG § 16 Abs. 1
Änderung der Baualtersklasse bei
kernsaniertem Plattenbau
Wird ein Plattenbau nach längerem Leerstand umfassend und auf-
wändig kernsaniert (inkl. neuer Wohnraumzuschnitte) und erreichen
die Sanierungskosten die Kosten eines Neubaus, sind die dabei neu
errichteten Wohnungen in eine jüngere Baualtersklasse einzuordnen.
LG Potsdam, Urteil vom 25.9.2015, 13 S 26/14
Bedeutung für die Praxis
Es ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass das Baualter der
Wohnung auch nach einer Modernisierung maßgeblich ist. Eine Erfassung
der Daten der Vergleichswohnung in der Baualtersklasse der Zeit der
Modernisierung ist jedoch anerkannt und kommt in Betracht, wenn mit
ihrer Bezugsfertigkeit auch rechtlich ein Neubau vorliegt. Hierzu können
die Bestimmungen des Wohnungsförderungsgesetzes (WoFG) herange-
zogen werden. Dort ist zwar nur der öffentlich geförderte Wohnungsbau
geregelt, jedoch sind die Begriffsbestimmungen des Gesetzes auch sonst
zugrunde zu legen. Demgegenüber ist, wie dies dem unstreitigen Sachvor-
trag zu entnehmen ist, der de facto als Rohbau hinterlassene Baukörper
durch die Baumaßnahmen vollständig neu gestaltet worden. Die voll-
ständige Sanierung und Modernisierung umfasste die Neugestaltung der
Fassaden, die einen Vollwärmeschutz in Form eines Wärmeverbundsystems
mit Vor- und Rücksprüngen erhielten. Die Kellerwände wurden mit einem
Vollwärmeschutz aus extrudierten Dämmplatten im Spritzwasserbereich
versehen. Die Sanitär-, Elektro- und Heiztechnik wurden nach dem Stand
der Technik im Jahr 1998 neu eingebaut. Fenster- und Balkontüren wur-
den als Kunststofffensterkonstruktionen mit einer Zwei-Scheiben-Isolier-
verglasung mit einem K-Wert 1,6 eingebaut. Weiterhin erhielten die Woh-
nungen neue Bäder mit Sanitäreinrichtungen. Ebenso wurden die Küchen
neu errichtet und als Einbauküchen gestaltet. Heizungsstränge wurden mit
neuer Heizungstechnik und mit einem Anschluss an das Fernwärmenetz
neu eingebaut. Der hierfür notwendige Bauaufwand mit >1.300 DM/m
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pro Wohnung liegt damit über dem üblichen Sanierungsaufwand und
erreicht ca. 1/3 des für eine Neubauwohnung erforderlichen Aufwandes,
was allgemein im Rahmen des § 16 Abs. 1 WoFG für eine neue Wohnung
im rechtlichen Sinne anerkannt ist. Erreicht somit der Baukostenaufwand
die Kosten eines Neubaus, ist es sachlich gerechtfertigt, eine Höherstufung
der Wohnung in eine jüngere Baualtersklasse vorzunehmen.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
Versäumnisse der Abrechnungsfirma, sei es bei der Anschriftenermittlung
oder bei der Kommunikation etwa fehlender Anschriften, müsste sich der
Kläger nach § 278 BGB zurechnen lassen, wobei es für die Zwecke des
vorliegenden Rechtsstreits dahinstehen kann, wie die Pflichten zwischen
dem Kläger und seiner Abrechnungsfirma intern verteilt waren. Schließ-
lich wertet das erkennende Gericht es auch als fahrlässig, dass der Kläger
keinen Zustellversuch unternommen hat, nachdem er die neue Anschrift
der Beklagten am 30.12.2014 tatsächlich in Erfahrung gebracht hatte.
Auch wenn ihm ein Zustellversuch auf dem normalen Postwege in Anbe-
tracht des bevorstehenden Jahreswechsels zu risikobehaftet erschienen
sein mag, hätte er einen rechtzeitigen Zugang durch Einwurf in den
Briefkasten der Beklagten in W. sicherstellen können - sei es persönlich
oder durch Boten. Dies wäre dem Kläger, der in B. und damit in örtlicher
Nähe lebt, zuzumuten gewesen.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg