DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2016 - page 74

MARKT UND MANAGEMENT
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gesetzlich geregelte Einzelpflichten. Mehr als
zwei Drittel aller Ansprüche betreffen die Innen-
haftung. Besonders risikoreich ist die hier herr-
schende Beweislastumkehr. Üblicherweise muss
ein Anspruchsteller seine Schadenersatzforde-
rung begründen und beweisen, zwischen Unter-
nehmen und ihren Organen gilt aber das Prinzip
der Beweislastumkehr. Ist eine Pflichtverletzung
streitig, somuss der Beklagte, also der Geschäfts-
führer, nachweisen, dass er sorgfältig gehandelt
hat und keine Pflichtverletzung vorliegt. Ist die
streitige Pflichtverletzung gravierend, stellt das
Unternehmen seinen Geschäftsleiter häufig sofort
frei. Damit hat dieser keinen Zugangmehr zumög-
licherweise entlastenden Unterlagen.
Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht sind
individuell. Sie unterscheiden sich je nach Bran-
che, Unternehmensgegenstand, Größe des Un-
ternehmens und – ganz wesentlich – nach der
jeweiligen konkreten Situation.
Lediglich in zwei Fällen ist die Haftung ausge-
schlossen, zum einen, wenn die Handlung, die
den Schaden verursacht hat, auf einem Gesell-
schafterbeschluss beruht, zumanderen, wenn das
gesetzlich verankerte Haftungsprivileg, die sog.
Business Judgement Rule (siehe Kasten auf S. 71),
greift. Will ein Unternehmensleiter dieses Privileg
in Anspruch nehmen, so trägt er für das Vorliegen
der Tatbestandsmerkmale die Beweislast.
Die Innenhaftungwird unterteilt in drei Kategori-
en von Verschulden, beruhend auf Organisations-
Auswahl- und Überwachungsfehlern. Folgende
typische Fälle können Haftpflichtansprüche der
Gesellschaft oder Genossenschaft gegen ihren
Geschäftsführer oder Vorstand auslösen:
• Nichteinhaltung von Satzungsbestimmungen
und mangelnde Kontrolle von Satzungsver-
stößen,
• Fehleinschätzung von Unternehmensrisiken,
Versäumnis, ein funktionierendes Risikoma-
nagement zu errichten, Fristversäumnisse,
• lückenbehaftete Arbeitsanweisungen sowie
mangelhafte Organisation von Betriebsabläufen,
• Bauaufträge: Fehler bei Befolgung oder Durch-
führung von Vergabeverfahren (Stückelung
von Aufträgen, Auswahl des Dienstleisters hin-
sichtlich seiner Kompetenz und Verlässlichkeit
der Leistungserbringung, Budgetplanung, Re-
alisierungszeitrahmen),
• Zusammenarbeit der Bereiche Technik und
Finanzen: Effizienzverluste wegen fehlender
Kontrollmechanismen bei abteilungsübergrei-
fender Auftragsabwicklung,
• Inanspruchnahme ungünstiger Kreditmittel und
Ausgabe von Bürgschaften ohne Gesellschafter-
beschluss,
• unzureichende Finanzierungsmaßnahmen,
• Nichtinanspruchnahme von Fördermöglichkei-
ten oder Falschverwendung von Fördermitteln,
• Immobilienerwerb: Investitionsentscheidun-
gen ohne angemessene Berücksichtigung der
Marktlage,
• Immobilien- bzw. Anteilsverkauf unter Wert,
• Immobilien-/Beteiligungserwerb ohne vorhe-
rigen Due Diligence,
• unzureichende Liquiditätskontrolle, mangelnde
Sicherung liquider Mittel gem. § 64 S. 1GmbHG,
§§ 92 II S. 1, 93 II S. 1 AktG, § 34 III Nr. 4 GenG,
• Verstoß gegen Kapitalerhaltungspflicht, §§ 43
III i. V. m. 30, 31 GmbHG,
• verfrühte Stellung des Insolvenzantrages,
• Zahlung an Gläubiger nach Insolvenzreife (§ 64
S. 1 GmbHG, §§ 92 II, 93 II S.1 AktG und § 34 III
Nr. 4 GenG),
• existenzvernichtender Eingriff (z. B. Zahlung
an den Gesellschafter).
Zusammenfassung
Das persönliche Haftungsrisiko eines Geschäfts-
führers, dessen Unternehmen sich in der Krise be-
findet, wird unterschätzt. Es ist hoch. Die Praxis
hat gezeigt, dass die von einer Krise betroffenen
Geschäftsleiter häufig nicht wissen, welche Haf-
tungsgefahren ihnen persönlich drohen.
Die Geschäftsführung muss sich absichern, sie
muss sich laufend über die wirtschaftliche Ent-
wicklung ihrer Gesellschaft ein Bild machen. Es
ist z. B. wichtig, rechtzeitig ein Insolvenzverfah-
ren zu beantragen. Damit hält ein Geschäftsleiter
Schaden von sich und den Gläubigern des Unter-
nehmens fern. Häufig ist es günstig, schon bei
drohender Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenz-
antrag zu stellen, dies erlaubt eher eine recht-
zeitige Sanierung. Die Geschäftsleitung muss die
Gesellschafter zeitnah und umfassend über die
Krise informieren, mehrere Unternehmensleiter
müssen sich gegenseitig informieren und über-
wachen. Auch die Gläubiger müssen informiert
werden. Für all diese Verpflichtungen obliegt der
Geschäftsleitung eine erhöhte Dokumentations-
pflicht.
HAFTUNGSBEREICHE
Haftung des Geschäftsleiters
gegenüber dem eigenen
Unternehmen z. B. aus:
• Organisationsfehlern,
• Auswahlfehlern,
• Überwachungsfehlern.
Haftung des Geschäftsleiters
gegenüber Dritten z. B. aus:
• Rechtsscheintatbeständen,
• vertraglichen,
• vertragsähnlichen oder
• gesetzlichen Haftungstat-
beständen.
Haftung des Geschäftsleiters
Innenhaftung
Außenhaftung
Quelle: GdW
Weitere Informationen:
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