DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 3/2016 - page 45

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3|2016
Der Bedarf an seniorengerechten, zumindest bar-
rierearmen Wohnungen besteht flächendeckend.
Ein Modellprojekt in Hofheim
Der steigenden Nachfrage nach gemeinschaftli-
chen Wohnformen will die HWB nun mit ihrem
Neubauprojekt „Wir am Klingenborn“ gerecht
werden. Das „Dr.-Max-Schulze-Kahleyss-Haus“
wird auf einem 3.358 m
2
großen Grundstück Am
Klingenborn entstehen. Der Neubau mit insge-
samt 40Wohneinheitenwird aus zwei 3-geschos-
sigen Baukörpern plus Staffelgeschoss bestehen.
Er ist als energetisch optimiertes Passivhaus in
Massivbauweise geplant. Ein Verbindungsbau im
Erdgeschoss wird einen Übergang zwischen den
Gebäudeteilen schaffen.
2016 soll das Baurecht erteilt und mit dem Bau
begonnen werden. Auf einer Gesamtfläche von
ca. 2.435 m
2
werden im Gebäude 32 Wohnungen
für das Projekt „Gemeinschaftlich Wohnen“ ent-
stehen. Vorgesehen sind ferner Räumlichkeiten
für eine selbstbestimmte ambulanteWohngruppe
mit acht Bewohnern sowie mit ca. 133 m
2
weite-
re Flächen für gemeinschaftliche Aktivitäten, die
u. a. eine Küche und eineWerkstatt umfassen. Die
Anlage wird Raum für verschiedene Wohnformen
bieten: So sind auf 1.061 m
2
18 Wohnungen für
das seniorengerechte Wohnen vorgesehen. 14
Wohnungen sollen demMehrgenerationenwohnen
dienen und insgesamt 978 m
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Wohnfläche aufwei-
sen. Die selbstbestimmte ambulanteWohngruppe
wird auf 263m
2
eine sog. Demenz-Wohngemein-
schaft aus acht Personen aufnehmen.
Die Stadt Hofheim stellte der HWB für dieses
Neubauprojekt ein Grundstück zur Verfügung.
Die Investitionssumme beträgt ca. 7 Mio. €. Das
Modellprojekt wurde im Rahmen der sozialen
Wohnraumförderung unterstützt. Rund 50% der
Wohnfläche entstehen öffentlich gefördert.
Was war Ihnen beim Projekt „Wir am
Klingenborn“ grundsättzlich wichtig? Haben
Sie bereits ähnliche Projekte umgesetzt?
Die Wohnungswirtschaft ist im Wandel und damit
auch die Geschäftsmodelle der Unternehmen. Das
Projekt reagiert auf den demografischen Wandel
und die steigende Zahl von älteren Menschen.
Gleichzeitig wollen wir mit diesem Bauvorhaben
aber auch das Zusammenleben der Generationen
fördern und auch den Bedürfnissen junger Men-
schen, Alleinerziehender und Familien entgegen-
kommen.
Dies ist unser erstes Projekt. Wir sehen darin ein
Modell für die Zukunft, dem durchaus weitere
folgen können. Wichtig war uns ein präventiver,
maßgeschneiderter und partizipativer Ansatz im
und fürs Quartier.
Welche Herausforderungen gab es für die
HWB bei der Koordination der unterschiedli-
chen Wohnformen und bei der Initiierung der
selbstverantworteten Demenz-WG?
Die Mehrgenerationenwohngruppe bildete sich
relativ schnell und gründete einen Verein. Dann
entstand aber die Frage: Welche anderen Wohn-
formen ergänzen dieses Angebot?Wir haben dann
einige Denkansätze zumbetreutenWohnen disku-
tiert und Pflegedienste angesprochen, aber kamen
zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis.
Das Thema Pflegewohngemeinschaft schien uns
sehr aktuell und passend, es entstanden allerdings
nächste Fragen – z. B. bezüglich der Thematik
Sonderbau oder der Gefahr, nach dem Heimrecht
beaufsichtigt zu werden.
Der Erkenntnis, dass solche Projekte schnell spezi-
elles Know-howerfordern sowie erheblichen Steu-
erungsaufwand erfordern, folgte glücklicherweise
die Empfehlung einer Projektentwicklerin. Frau
Dellgrün hat als Sozialwissenschaftlerin undWoh-
nungswirtin langjährige Erfahrungen in diesem
Bereich. Sie koordiniert das Gesamtverfahren und
spricht diewichtigsten Punkte z. B. imBereich des
Ordnungsrechtes an, oder erarbeitete das Grund-
konzept, auf dessen Basis über die Demenz-WG
entschiedenwerden konnte. Eine Herausforderung
war auch, gemeinsam zu definieren, welche Auf-
gaben der Verein „Nahbarschaft“ übernimmt. Ein
regelmäßiger Jour fixe hat sich als Steuerungs-
runde etabliert, bei dem alle Verfahrensschritte
transparent dargestellt werden.
Gibt es feste Betreuungspauschalen für die
Bewohner? Erweitern und übertragen Sie
Ihre Erfahrungen auf andere Projekte?
Wir werden keine festen Betreuungspauschalen
beim seniorengerechten Wohnen anbieten. Viel
wichtiger ist es uns, dass die Leistungen so offen
wie möglich gestaltet werden.
Wir führen zurzeit Gespräche mit ambulanten
Pflegediensten, die wir mittels Vorgesprächen
und eines Fragebogenverfahrens ausgewählt
haben. Sie werden als Kooperationspartner der
HWB ihre Leistungen anbieten. Jeder Bewohner
entscheidet, was er wie benötigt und in welchem
Maße er die Dienste in Anspruch nimmt. Versor-
gungssicherheit bedeutet für uns folglich, dass für
die HWB-Mieter gerade durch diese Kooperatio-
nen eine „geprüfte“ Auswahl an Pflegediensten
und Pflegeleistungen besteht, die sie bei Bedarf
jederzeit in Anspruch nehmen können.
Das Projekt macht uns allen Spaß, gerne lernen
wir daraus für weitere zukunftsfähige Projekte.
Vielen Dank für das Interview.
Die Fragen stellte Olaf Berger.
Interviewmit Norman Diehl
Wichtig ist ein präventiver, maßgeschnei­
derter und partizipativer Ansatz
Für kleinere Wohnungsunternehmen sind innovative Projekte äußerst
wichtig, ihre Umsetzung erfordert jedoch ungleich größere Anstrengungen.
Der HWB-Geschäftsführer erläutert die Beweggründe und die gemachten
Erfahrungen beim ersten Mehrgenerationenwohnprojekt.
Quelle: HWB, Foto: Pasternack
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