DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 3/2016 - page 40

NEUBAU UND SANIERUNG
38
3|2016
des Neubaus wurden deshalb Mieter gesucht, die
sich ein Leben inGemeinschaft vorstellen konnten:
„Jeder hat seine eigeneWohnung, sollte aber auch
Zeit in die Hausgemeinschaft investieren“, erläu-
tert Sozialarbeiter Peter Tischler das Konzept in
der Barthstraße. Leben in Gemeinschaft bedeute,
aufeinander zu achten und sich im Alltag gegen-
seitig unter die Arme zu greifen.
Anfangs habe es einen großen Run auf das Projekt
gegeben, erinnert er sich: „Doch als es konkret
wurde, sind viele wieder abgesprungen.“ Manchen
sei das Wohnkonzept zu konservativ gewesen, bei
anderen habe die Bereitschaft gefehlt, sich für
die Hausgemeinschaft zu engagieren. „Für Alt-
genossen sind die Prinzipien des gemeinschaftli-
chenWohnens eher gewöhnungsbedürftig“, fasst
Tischler seine Erfahrungen aus den regelmäßigen
Treffen der Interessenten zusammen. Trotzdem
habe sich in den eineinhalb Jahren Vorlauf eine
stabile Gruppe herauskristallisiert, die in ihrem
neuen Zuhause inzwischen zu einer lebendigen
Hausgemeinschaft zusammengewachsen sei.
MariaMerkens, eine Bewohnerin, drückt es anders
aus: „Lässt sich ein Nachbar mal einen Tag lang
nicht blicken, klingelt man einfach und fragt nach,
was los ist“, beschreibt sie das Gemeinschaftsge-
fühl, das sich in den vier Jahren des Zusammenle-
bens imHause entwickelt hat. Die 85-Jährige hält
die Hausgemeinschaft zusammen. Zwei Paare und
fünf Alleinstehende leben in der Barthstraße 15a
– alle zwischen 60 und 90 Jahre alt. „Wir sitzen oft
auf ihrem Balkon“, erzählt Margot Koch, Merkens‘
83-jährigeNachbarin. „Da gibt es einen gutenCap-
puccino und dannwird geratscht.“ Auf dieseWeise
habe sich das Gemeinschaftsgefühl im Haus von
selbst ergeben.
Verein der Unterstützung
Damit sich dieses Gefühl auch innerhalb der Ge-
nossenschaft wieder ausbreitet, wurde im Jahre
2004 der Verein „Generationengerechtes Woh-
nen“ gegründet. Er steht auch Nichtgenossen of-
fen, egal ob jung oder alt, und zählt inzwischen
rund 800 Mitglieder. Das Programm reicht von
Kinderbetreuung und Wandertagen über Schaf-
kopfen und NordicWalking bis zu betreutemWoh-
nen und Hilfen im Haushalt.
Als Treffpunkt für die Aktivitäten des Vereins
dienen die Nachbarschaftstreffs der Genossen-
schaft, beispielsweise der Gemeinschaftsraum
in der Barthstraße 15a. Inzwischen gibt es sie-
ben solcher Treffs, einen für jede Wohnanlage der
WGMW – getreu demVereinsmotto „Miteinander
ist das Leben leichter“, was auch das Wandgemäl-
de ausdrückt.
Wie wurde die Vereinsgründung innerhalb
der Genossenschaft aufgenommen?
Als ich 2004 beim Verein angefangen habe, stan-
den schon 30 ehrenamtliche Helfer in den Start-
löchern. Viele Genossen wollten sich engagieren.
Die Ehrenamtlichenmachen Programmvorschläge
und fragen nach, ob es Räumlichkeiten für ihre
Ideen gibt. Dort durfte dann natürlich auch aus-
probiert werden.
Welche Rolle spielen Sie dabei?
Die Gruppen sollen sich selbst organisieren. Mich
selbst sehe ich dabei als Moderatorin, die dafür
sorgt, dass sich die Leute finden. Praktisch läuft
es so, dass manche Gruppen ein bisschen mehr
Begleitung brauchen, andere eher weniger. Wir
haben z. B. eine Nordic-Walking-Gruppe, die sich
seit elf Jahren jedeWoche trifft. Damuss ichmich
nicht drum kümmern, die läuft von selbst.
Das Vereinsprogramm ist sehr umfangreich.
Wie ist das zu bewältigen?
Inzwischen sind wir drei festangestellte Sozialar-
beiterinnen und eine Halbtagskraft für die Verwal-
tung. Von der Genossenschaft werden wir logis-
tisch unterstützt, also z. B. wenn es ums Plakate
kleben, Programme verteilen oder das Aufstellen
von Biertischen geht. Außerdem haben wir zwi-
schen 70 und 90 ehrenamtliche Helfer, ohne die
unser Angebot gar nicht machbar wäre.
Das „betreute Wohnen daheim“ hat das Ziel,
alten Menschen ein selbstbestimmtes, von den
Angehörigen weitgehend unabhängiges Leben zu
bewahren. Man wird regelmäßig von geschulten,
ehrenamtlichen Mitarbeitern besucht und imAll-
tag unterstützt. Das ist ein tolles Angebot, kommt
aber derzeit weniger gut an. Das kann sich aller-
dings schnell ändern, da das Wohnen im Alter ein
zukunftsweisendes Thema ist.
Der Verein ist angetreten, um dem Gemein-
schaftsgefühl innerhalb der Genossenschaft
wieder mehr Geltung zu verschaffen. Hat
das geklappt?
Unser Angebot kommt sehr gut an und die Grup-
pen sind meist voll. Dadurch lernt man sich un-
tereinander kennen, Familien finden zueinander
und es bilden sich Gruppen, die gemeinsamen
Aktivitäten nachgehen. Auf diese Weise sind viele
Freundschaften entstanden.
Die Fragen stellte Hartmut Netz.
Interview mit Verena Lindacher
„Viele wollen sich engagieren“
Der Verein Generationengerechtes Wohnen soll das Gemeinschaftsgefühl
innerhalb der Wohnungsgenossenschaft München-West stärken. Er stellt
jedes Jahr aufs Neue ein vielfältiges Programm mit Freizeit- und
Betreuungsangeboten zusammen. Ein Gespräch mit Verena Lindacher,
der Leiterin des Vereins.
Weitere Informationen:
un
d
Neubau und Sanierung
Energie und Technik
Rechtssprechung
Haufe Gruppe
Markt undManagement
Stadtbauund Stadtentwicklung
1...,30,31,32,33,34,35,36,37,38,39 41,42,43,44,45,46,47,48,49,50,...92
Powered by FlippingBook