DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 1/2016 - page 17

15
1|2016
Wie sollten Wohnungsunternehmen dem demografischen Wandel
begegnen – insbesondere unter dem Aspekt einer möglichen Neu-
bauförderung? Sehen Sie eine Chance, dass in diesem Kontext auch
gesetzgeberisch von Beginn an die baulichen Bedürfnisse einer älter
werdenden Gesellschaft einbezogen werden?
Der GdWwirbt intensiv dafür, Neubauten im Regelfall barrierefrei nach DIN
18040 zu gestalten. Wir lehnen aber eine verbindliche rechtliche Vorgabe,
wonach alle neuen Wohnungen ausschließlich barrierefrei zu errichten
sind, entschieden ab. Denn die Wahrheit ist auch: Barrierefreie und –arme
Wohnungen werden nicht immer und überall nachgefragt. Vor allem: Ein
barrierefreier Anteil von annähernd 100% ist weder bedarfsgerecht noch
finanzierbar.
Wie sehen Sie die Forderung: „Wohnungen nicht nur für Alte, son-
dern für alle!“, und was halten Sie von einem Universal Design, das
Wohnraum nicht mehr nur auf voneinander abgegrenzte Lebenspha-
sen bezogen, sondern vielmehr langzeitorientiert und übergreifend
sieht?
Nicht nur Wohnungen, sondern Wohnen für alle – dies ist für unsere Woh-
nungsunternehmen keine Forderung, sondern vielfach gelebte Praxis. Wo
heute noch eine Familie wohnt, leben morgen z. B. schon ältere Menschen
oder umgekehrt, auch wenn die Verweildauer einzelner Bewohner, be-
sonders in Genossenschaften, nicht selten mehrere Jahrzehnte beträgt.
Natürlich ändern sich auch ohne Mieterwechsel im Zeitablauf die Zusam-
mensetzung der Haushalte im Hinblick auf Alter und Anzahl.
Ein von mehreren sächsischen Wohnungsgenossenschaften unter dem
Titel „Die mitalternde Wohnung“ verfolgtes Konzept entspricht genau
dem langzeitorientierten Ansatz. Das Konzept beinhaltet nicht nur bau-
liche Anpassungen, sondern ebenso technische Assistenzsysteme sowie
begleitende soziale, gesundheitliche und pflegerische Dienstleistungen.
Ähnliche Konzepte finden sich im gesamten Bundesgebiet, allerdings mit
zum Teil deutlichen Unterschieden im Detail.
Nicht in jedem Fall dürfte hier das Konzept des Universal Design anwend-
bar sein. So hat eine neue, vom GdW gemeinsam mit InWIS, Bochum, und
SIBIS, Berlin, erstellte Studie „AAL/Technische Assistenzsysteme für ältere
Menschen“ ein abweichendes Ergebnis geliefert. Zwar wird neue Technik
von älteren Menschen überraschend gut akzeptiert. Viele Mieter wünschen
sich jedoch einen auf ihre jeweiligen Kenntnisse, Bedürfnisse und Fähig-
keiten individuell zugeschnittenen Bedienkomfort, was dem Konzept des
Universal Design widerspricht.
Vielen Dank für das Interview!
Die Fragen stellte Heike D. Schmitt.
Sicherheit und der Komfort von Wohnraum spielen? Ob alle Eventualitä-
ten für die unterschiedlichen Lebensphasen bis hin zu temporären oder
dauerhaften körperlichen Einschränkungen bei Planungen von vornherein
berücksichtigt werden müssen bzw. können?
Antworten gibt die Kongressmesse auch: Vorträge und Ausstellung geben
Hinweise, welche individuellen Angebote modularer Dienstleistungen,
baulicher Maßnahmen und technischer Ausstattungen und Assistenzsyste-
me sinnvoll sind, welche DIN-Normen und Vorschriften wichtig sind oder
welche infrastrukturellen Bedarfe, logistische Strukturen (wie Parkflächen
für Lieferanten oder Pflegepersonal) benötigt werden. Es gilt also, neben
altersgerechtemWohnraum parallel das gesamte Quartier als Hand-
lungsebene zu entdecken. Benötigt werden z. B. Rampen mit geringem
Steigungswinkel sowie Treffpunkte zur Pflege von Gemeinschaft und zur
Kommunikation. Denn Bänke, Freiflächen, Wasserspiele und Parks wirken
sich positiv auf das Gemüt aus und können für mehr Aktivität und Freude an
Bewegung sorgen – eine kostengünstige und gute Prophylaxe beispielswei-
se gegen Depression. In der Konsequenz könnten auch soziale Aspekte der
Nachhaltigkeit von Gebäuden und Wohnumfeld ein entscheidender Faktor
bei den derzeit viel diskutierten Förderszenarien im Neubau sein.
Die Frage, welche zusätzlichen klassischen Betreuungskonzepte zielführend
sind, gilt es ebenfalls zu beachten: Denn wie eine Studie von Altersforscher
Frank Oswald im Auftrag der Stadt Frankfurt am Main belegt, hat die
Vermeidung von „Entwurzelung“ im Alter durch Umzug in ein Senioren-
oder Altenheim sehr positive Effekte. Können Senioren im angestammten
Viertel bleiben, verbessert sich ihre Lebensqualität auch bei nachlassen-
der Gesundheit.
Beim Wohnen im Alter wird
die Gestaltung des Wohn-
umfelds immer wichtiger.
Auch hierbei gilt es, auf
Details zu achten
Quelle: Messe Frankfurt Exhibiton GmbH, Foto: Sandra Gätke
1...,7,8,9,10,11,12,13,14,15,16 18,19,20,21,22,23,24,25,26,27,...76
Powered by FlippingBook