DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 9/2016 - page 46

ENERGIE UND TECHNIK
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9|2016
Wohnkomfort steigern ohne aufwändigen Umbau
Bedarfsgerechte Steuerung der Volumenströme
bei Einrohrheizsystemen
In Kassel erfand Rudolf Otto Maier in den 1960er-Jahren das Rietschel-Henneberg-Einrohrheizsystem.
Interessanterweise beginnt 50 Jahre später wieder in Kassel die Revolution dieses Systems.
Die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Kassel mbH (GWG Kassel), kommunales
Wohnungsunternehmen mit rund 8.500 Wohnungen im Bestand, hat hierfür ein neuartiges System zur
bedarfsgerechten Steuerung von Volumenströmen bei Einrohrheizsystemen entwickelt. Ein Bericht.
Einrohrheizungen werden heute weitgehend als
problematisch betrachtet. Siewurden überwiegend
in den 1960er- und 1970er-Jahren eingebaut. In
den östlichen Bundesländern erfolgte der Wech-
sel vom Einrohr- zum Zweirohrheizsystem noch
etwas später. Es wird geschätzt, dass in Deutsch-
land insgesamt inmindestens 1,5Mio.Wohnungen
Einrohrheizsysteme eingebaut sind. DieseWohnun-
gen werden trotzdemheute von den Mietern stark
nachgefragt, da sie i. d. R. relativ zentral liegen, gut
ausgestattet sind, häufig über Balkone verfügen
und gut in die ÖPNV-Netze eingebunden sind.
Einrohrheizsysteme – unkomfortabel
und problematisch
Für die Wohnungswirtschaft ist es ein bekanntes
Problem: Einrohrheizsysteme geben auch bei
NichtbedarfWärme ab. Speziell bei demRietschel-
Henneberg-Einrohrheizsystem führt nur eine Hei-
zungsleitung durchmehrereWohnungen. An dieser
sind alle Heizkörper wie an einer Perlenkette auf-
gereiht. Die Vorlauftemperatur des Heizwassers ist
so eingestellt, dass das letzte Glied der Kette noch
ausreichend mit Wärme versorgt wird. Dies führt
zwangsläufig zur Überversorgung der Räume am
Anfang der Heizungsleitung. Obwohl die Thermo-
statventile an den Heizkörpern geschlossen sind,
entstehen z. B. in Schlafzimmern ungewünscht
hohe Temperaturen durch die Heizungsleitungen,
die ungeregelt Wärme abgeben.
Dieses generelle Problemder Einrohrheizsysteme
wird durch die energetische Sanierung der Gebäu-
de zusätzlich verstärkt, da gut gedämmte Gebäude
bis zu 70 % weniger Wärme nach außen abgeben.
Öffnen die Mieter zur Temperaturregulierung die
Fenster, wird Energie sprichwörtlich zum Fenster
hinausgeworfen, zudem leidet der Wohnkomfort.
Die Mieter sind oftmals unzufrieden und ärgern
sich über die in jeder Heizperiode stattfindende
Energieverschwendung.
Je nach eingesetztem Mess- und Ablesesystem
kann die über die Heizungsleitung abgegebene,
nicht steuerbare Wärme individuell abgerechnet
werden oder muss im Umlageverfahren auf alle
Mieter verteilt werden. Im letzteren Fall zahlt
der Mieter mit geringem Wärmebedarf den
gleichen Satz wie der sehr wärmebedürftige
Mieter, der viel heizt. In Wohnungsanlagen mit
stark unterschiedlichen Heizprofilen bedeutet
dies ein Konfliktpotenzial und gibt oft Anlass
für Streitigkeiten bezüglich der Nebenkosten-
abrechnung.
Die Lösung: ein ständiger, dynamischer
hydraulischer Abgleich
Die GWG Kassel hat 2.200 Wohnungen mit
Rietschel-Henneberg-Einrohrheizsystemen in
ihrem Wohnungsbestand. Auch hier gab es Mie-
ter, die aufgrund der Eigenarten des Heizsystems
dauerhaft unzufrieden waren. Heiko Steppan,
GWG-Teamleiter Heizungsanlagen, nahm sich
des Problems an und entwickelte eine Systemlö-
sung, die den Wohnkomfort steigert und Energie
einspart. Steppan empfand Mieterbeschwerden
aufgrund der Überheizung immer als ärgerlich.
„Irgendwas musste man doch machen können.
Dann haben wir mit der Durchflussregulierung
der Heizkreise experimentiert“, sagt er. Das war
2011. Heraus kam indiControl – ein System, das
einen ständigen, dynamischen hydraulischen Ab-
gleich vornimmt.
So funktioniert es
Im Gegensatz zu herkömmlichen Systemen er-
möglicht das von der GWG Kassel entwickelte
Peter Ley
Geschäftsführer
GWG Kassel
und GWG Service GmbH
Kassel
Kosten pro Wohneinheit
320 €
Planungsleistung gem.
HOAI
Lizenzgebühr
500 €
Kosten des Einbaus von
indiControl
+ 155,80 € 19% MwSt.
975,80 €
Hinweis:
Bei der Berechnung von Energie-
kennzahlen kann der Energieberater das
Einrohrheizsystemmit indiControl einem
Zweirohrheizsystem gleichsetzen. Das führt
zu einer Verbesserung der Energiekenn-
zahlen im Energieberatungsbericht, der die
Grundlage für die Bewilligung der Förder-
mittel durch die KfW und Berechnung der
Höhe der Tilgungszuschüsse bildet.
INVESTITIONSKOSTEN
1...,36,37,38,39,40,41,42,43,44,45 47,48,49,50,51,52,53,54,55,56,...96
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