DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 9/2016 - page 51

des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirt-
schaft in Niedersachsen und Bremen e. V. „Mieter
sind über einen langen Zeitraum vor den stetig
wachsenden Nebenkostenforderungen geschützt.
Vermieter sparen neben demerheblichen Verwal-
tungsaufwand jährlicher Betriebskostenabrech-
nungen auch das Prozessrisiko etwaiger daraus
resultierender Streitigkeiten, noch dazu umhäufig
relativ geringe Beträge.“
Dem Vermieter steht mit diesem Modell eine
größere Bandbreite bei der Kalkulation des
Mietpreises zur Verfügung. In einer deutschen
Kleinstadt, beispielsweise, steht der errech-
neten Energiepauschalmiete von 11,43 €/m
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die höchste ortsübliche Kaltmiete in Höhe von
10,50 € gegenüber, die sichmit den Nebenkosten
für Wärme, Strom und Benzin auf rund 12,50 €
erhöht. Weitere Vorteile liegen auf der Hand: Die
langfristigen vertraglichen Bindungen führen
zu längeren Verweildauern in den Wohnungen.
Mieterwechsel – und auch der damit verbundene
Verwaltungsaufwand – reduzieren sich. Einige
energieautarke Mehrfamilienhäuser sind schon
in den Startlöchern.
Über das tatsächliche Interesse an der Grundver-
sorgung mit Wärme, Strom und Mobilität hinaus
ergeben sich auch für Mieter weitere Vorteile: Im
Zusammenhang mit diesen Betriebskosten bietet
das Modell Kostensicherheit ohne „böse“ Überra-
schungen. Permanente Vergleiche der komplizier-
ten Kostengefüge von Stromanbietern entfallen
ebenso wie der stete Blick auf die Tankuhr.
Energieversorger: Moderner Dienstleister
statt „Stoff“-Verkäufer
Auch Energieversorgungsunternehmen erschließt
dieses Modell neue Ertragsquellen und trägt
gleichzeitig zur Netzstabilisierung bei. Leukefelds
Geschäftsmodell macht den Energieversorger zum
„Contractor“. Als Dienstleister für Planung, In-
stallation und Betrieb eines „Rundum-Sorglos-
Pakets“ liefert er die gesamte Energietechnik für
das energieautarke Mehrfamilienhaus und stellt
die Elektromobilität zur Verfügung.
Mit dem Vermieter vereinbart er eine Energie-
pauschale. Darin ist der kalkulatorische Anteil der
Energie festgeschrieben, die zugekauft werden
muss: beispielsweise deckt das Haus 70 % seines
Bedarfs an Wärme und Strom selbst – aus der
Sonne. Die fehlenden 30 % bezieht es aus dem
Strom- oder Gasnetz des Energieversorgers. Durch
günstige Eigenproduktion und geschickte Nutzung
der dezentralen Speicher kann der Energieversor-
ger den kostenträchtigen Anteil minimieren und
den eigenen Gewinn erhöhen. Dieses Modell ist
eindeutig „smarter“ als der sog. „Smart Grid“, da
auf diese Weise größere Mengen Strom rangiert
(shunted) werden.
„DieVorteile, Überschüsse dezentral in die Speicher
dieser Gebäude einzulagern, liegen auf der Hand:
Es gibt Versorgungsunternehmen dieMöglichkeit,
ihreWindkraftanlagen konstanter zu betreiben und
damit denAnteil an erneuerbaren Energien zu erhö-
hen“, führt Leukefeld aus. „Darüber hinaus können
sie die Energie so zu einemdefiniertenBezugspreis
verkaufen, der günstiger für die Abnehmer ist als
beispielsweise die konventionelle Wärme, an die
das Haus angeschlossen ist.“
Aufgrund ihrer Infrastruktur ist es Energiever-
sorgern darüber hinaus möglich, die von dem
Mehrfamilienhaus produzierten Überschüsse an
Sonnenwärme und -strom, z. B. im Sommer, an
die Nachbarhäuser gewinnbringend zu verkaufen.
Die ersten regionalen Energieversorgungsunter-
nehmen denken bereits über eigene vernetzte
energieautarke Mehrfamilienhäuser nach, so
Leukefeld.
Intelligente Eigenversorgung mit Wärme,
Strom und E-Mobilität aus der Sonne
Modell für diese Mehrfamilienhäuser steht das
energieautarke Einfamilienhaus, das eine Pro-
jektgruppe der Helma Eigenheimbau AG unter
Leitung von Leukefeld entwickelte. In dem ver-
netzten energieautarken Konzept sind die posi-
tiven Erfahrungen bekannter Baustandards wie
Sonnenhaus, Plusenergie- oder Effizienzhaus Plus
sowie Passivhaus zusammengeführt worden. Im
sächsischen Freiberg setzte Leukefeld gemeinsam
mit dem regionalen Energieversorger EnviaM die
Idee der vernetzten Autarkie in die Tat um. Haupt-
akteure sind zwei energieautarke Häuser, die er
seit 2013 selbst nutzt und gemeinsammit der TU
Bergakademie Freiberg vermisst und auswertet.
Pro Haus erheben seither 190 Sensoren sämtliche
energetisch relevanten Daten und bestätigen die
ursprünglichen rechnerischen Simulationen.
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