DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 9/2016 - page 33

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damals Vorstand der Wohnungsbau AG Villingen-
Schwenningen, die heute Wohnungsbaugesell-
schaft Villingen-SchwenningenmbH (wbg) heißt.
Und auch das Landesdenkmalamt hielt das kleine
Viertel erst dann für denkmalwürdig, nachdem
eine privat finanzierte Untersuchung die Entste-
hung einzelner Häuser auf das Jahr 1670 datierte.
„Damit waren das die ältesten Häuser der Stadt,
mit Grundmauern, die schon vor dem30-jährigen
Krieg gestanden hatten“, sagt Grimminger.
Heute erzählt eine amHaus angebrachte Tafel ei-
nen Teil der wechselvollen Geschichte des Gebäu-
des: im 30-jährigen Krieg 1633 niedergebrannt,
1652 wieder aufgebaut, bald darauf von einer
Feuersbrunst vernichtet ...
Viel Engagement für ein typisches Quartier
Mit Geduld, Phantasie und vielen Aktionen ha-
ben auch der Heimatverein, Grimminger und viele
Bürger für den Erhalt dieses für Schwenningen
typischen Quartiers geworben. Die Initialzündung
brachte im Februar 1987 die Entscheidung des
Wohnungsunternehmens, das sog. Schützenbu-
renhaus am östlichen Ende des 8.000 m
2
großen
Geländes zu kaufen, umdaraus einen eigenen Sitz
für die Gesellschaft samt einiger Mietwohnungen
zumachen. Das Haus war groß und hatte zwei Stäl-
le, die Schützenburen müssen vermögende Leute
gewesen sein.
Nach langwierigen Verhandlungenmit demdama-
ligen Besitzer einigteman sich auf einen Kaufpreis
von 117.000 DM – 130 DM/m
2
– für das Grund-
stück. Das nicht mehr bewohnbare Bauernhaus
gab es umsonst dazu. Schon amnächsten Tag fand
das Haus daneben einen Käufer, dann ein weite-
res. Innerhalb kurzer Zeit waren alle Bauern- und
Tagelöhnerhäuser in privaten Händen, zinsverbil-
ligte Darlehen aus dem Wohnumfeldprogramm
des Landes brachten viele Entscheidungen voran.
„Zusammen mit dem Heimatverein entwickelten
wir dann ein Sanierungskonzept“, erinnert sich
Grimminger. „Wir waren unter Druck, die bishe-
rigen, gemieteten Geschäftsräume waren zum
1. April 1989 gekündigt, sie warenmit 30.000 DM
Miete in Jahr zu teuer geworden und neue Räume
im Stadtzentrum waren schwer zu finden.“
Zwischen Entwurfsplanung und Baubeginn lagen
dann auch nur eineinhalb Jahre. Bei der Sanie-
rung stellte sich heraus, dass die Bausubstanz des
Scheunen- und Stallteils so schlecht war, dass
an dessen Erhaltung nicht zu denken war, zwei
Drittel des Hauses mussten leider abgebrochen
werden, nur der Wohnteil blieb stehen. Hier wa-
ren Kachelofen und Plumpsklo das modernste an
Ausstattung. „Alles war kompliziert, aber ich hatte
immer das Endprodukt vor Augen“, sagt Walter
Grimminger, der viel Herzblut und seine ge-
Als die Sanierung des Schützenburen-
hauses beendet war, nahm sich die wbg
ab 1988 das nächste historische Projekt
vor: die an das Bauernhausensemble
angrenzende Fabrikanlage der Württem-
bergischen Uhrenfabrik Bürk & Söhne. Die
Anlage aus rotem Backstein – drei große
mehrstöckige Gebäude und zwei kleinere
Zweigeschosser – war zwischen 1850 und
1890 errichtet worden. Der hohe Turm,
der das Areal überragt, war nicht nur
Werbeträger für die Bürk-Uhren, sondern
erfüllte auch den praktischen Zweck, dass
die in der Umgebung wohnenden Arbeiter
pünktlich in der Fabrik erschienen. Seit dem Konkurs der Uhrenfabrik standen
die Gebäude jedoch leer. Bürk & Söhne hatte das gleiche Schicksal wie andere
Uhrenfabriken im Land ereilt, mechanische Uhren waren nicht mehr gefragt,
das Quarzzeitalter hatten
die Firmeninhaber ver-
schlafen.
Drei Gebäude und das
Kesselhaus konnten
erhalten, vollständig ent-
kernt und saniert werden.
Rund 400.000 € ließ sich
die wbg die allein Sanie-
rung des 1898 erstellten
denkmalgeschützten
Uhrenturmes auf dem
Fabrikgebäude kosten.
Gut 67.000 € gab das
Denkmalamt dazu. In den
ehemaligen Fabrikations-
sälen entstanden 40 Apartments für Studenten und 36 Mietwohnungen sowie
im Erdgeschoss ein Uhrenindustriemuseum.
Das denkmalgeschützte Kesselhaus, in dem früher Dampfmaschinen für Ener-
gie sorgten, und das angrenzende Büro hat die die ProKids-Stiftung für 1 €/m
2
von der wbg gemietet. Die Räume mit Küche und kleiner Bühne stehen Initia-
tiven und Vereinen zur Verfügung, die
sich um benachteiligte Kinder küm-
mern. Und nun klingt Kinderlachen
aus der alten Uhrenfabrik. „Mit der
Stiftung runden wir unseren Mieter-
mix aus Studenten, Bürgern und einem
sozialen Projekt für das Bürk-Areal
ab“, erklärt wbg-Geschäftsführer
Rainer Müldner – denn auch das sozi-
ale Engagement kennzeichnet das Wir-
ken des Wohnungsunternehmens zum
Wohle der Stadt und seiner Bürger.
SANIERUNG DER EHEMALIGEN UHRENFABRIK BÜRK & SÖHNE
Der alte Uhrenturm prägt die Gegend
um die ehemalige Fabrik. Detailgetreu
wurden Turm und Uhr rekonstruiert
Die Uhrenfabrik Bürk & Söhne stand lange leer. Heute
wohnen hier Studenten, haben soziale Initiativen ihre
Räume, toben Kinder übers Areal
Im historischen Kessel-
haus gibt es heute u. a.
attraktive Büroräume
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