DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 10/2015 - page 51

Glasfaserpflicht über EU-Richtlinie?
Dr. Ernst Böhm, Gesellschafter des Baudienst-
leisters B&O, stützt aus Sicht des Praktikers die
Empfehlungen des GdW: „Aus unserer Erfahrung
heraus macht es Sinn, bei umfassenden energe-
tischen Modernisierungen oder beim barrierear-
men Umbau von Bestandswohnungen auch die
Multimedia-Versorgung auf den Prüfstand zu
stellen. So können kostensparend eine veraltete
Baumstruktur durch eine zeitgemäße Sternverka-
belung ersetzt und durch die Verlegung von wei-
teren Leerrohren die Gebäude für eine zukünftige
Glasfaserverkabelung vorbereitet werden. Eine
Investition in die multimediale Zukunft, die be-
reits heute mit bedacht werden sollte.“
Neben dem technologischen Trend zu immer
höheren Bandbreiten sind auch neue politisch-
regulatorische Rahmenbedingungen zu beach-
ten. So trat am 23. Mai 2014 die EU-Richtlinie
2014/61/EU über „Maßnahmen zur Reduzierung
der Kosten des Ausbaus von Hochgeschwindig-
keitsnetzen für die elektronische Kommunikati-
on“ (sog. EU-KostenreduzierungsRL Breitband)
in Kraft. In den §§ 7 bis 8 wird eine „Pflicht zur
Ausstattung von neu gebauten oder umfangreich
renovierten Gebäuden mit einer hochgeschwin-
digkeitsfähigen gebäudeinternen physischen In-
frastruktur“ definiert. Diese Ausstattung solle
mindestens bis zu den Netzabschluss- oder in
Mehrfamilienhäusern bis zu den Konzentrati-
onspunkten erfolgen. Um potenziellen Käufern
und Mietern dabei zu helfen, Gebäude zu iden-
tifizieren, die mit Highspeed-Hausverteilnetzen
ausgestattet sind, sollen die EU-Mitgliedstaaten
außerdem ein freiwilliges Breitbandzeichen für
Gebäude entwickeln können, die die neuen An-
forderungen der Richtlinie erfüllen. Sie soll – in
ihrer Rechtswirkung allerdings unterhalb einer
„Verordnung“ angesiedelt – bis Ende 2015 in na-
tionales Recht umgesetzt sein und spätestens
zum 1. Juli 2016 in Kraft treten. Verbände und
Bundesrat wehren sich aktuell gegen unver-
hältnismäßige und unwirtschaftliche Investiti-
onsverpflichtungen. Grundsätzlich gibt es aber
gegen das politische Ziel, den Breitbandausbau
landauf, landab zu fördern, keinen ernsthaften
Widerstand.
Für Wohnungsunternehmen und Verwalter ist es
Zeit, Multimedia neu zu denken, wenn sich Mieter
(und Eigentümer) über ein völlig unzureichendes
Programmangebot bei schlechter Signalqualität
beschweren, die Koaxialnetze innerhalb des Ge-
bäudes hoffnungslos veraltet sind, Gestattungs-
verträge mit Kabelnetzbetreibern in den nächsten
zwei bis drei Jahren auslaufen oder einWildwuchs
einzelner Satellitenschüsseln an den Balkonen
und Fassaden zu Imageproblemen führt.
Eine neue Rechtslage ergibt sich unter Umständen
durch die Einstufung von WEG-Gemeinschaften
durch den BGH als Gruppe natürlicher Personen,
die ihre Schutzwürdigkeit als Verbraucher auch
als WEG-Mitglied nicht verlieren. Als Konsequenz
dürften z. T. jahrzehntelange Gestattungsverträ-
ge mit Kabelnetzbetreibern – zumindest wenn
in dieser Zeit nicht substanziell in die Netze
Quelle: Telecolumbus, Foto: Andreas Baltz
Vier Schüsseln, vier SAT-Positionen – die neue SAT-Anlage ist in Leonberg
nun nicht mehr auf dem höchsten Gebäudeteil untergebracht
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