DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 10/2015 - page 38

36
10|2015
ENERGIE UND TECHNIK
AMBIENT ASSISTED LIVING
Studie
Ältere Menschen akzeptieren neue Technik in Wohnungen
Smart Home, Smart Living oder Ambient Assisted Living (AAL) – die
Begriffsvielfalt um technikgestütztes Wohnen ist groß, eindeutig aber
der Nutzen. Technische Assistenzsysteme helfen älteren und körperlich
eingeschränkten Menschen, länger sicher, komfortabel und eigenstän-
dig in ihrer angestammten Umgebung und Wohnung leben zu können.
Mieter, Wohnungsunternehmen und Gesellschaft profitieren. Zudem
wird der „Gesundheitsstandort Wohnung“ gestärkt.
Zu diesen Ergebnissen kommt die mit Mitteln der Forschungsinitiative
„Zukunft Bau“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt-, und Raumforschung
(BBSR) geförderte Studie „Technische Assistenzsysteme für ältere Men-
schen – eine Zukunftsstrategie für die Bau- und Wohnungswirtschaft.
Wohnen für ein langes Leben/AAL“, die gemeinsam von GdW Bundesver-
band deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, SIBIS Institut
für Sozialforschung und Projektberatung GmbH, Berlin, sowie InWIS
GmbH, Bochum, erstellt wurde.
Auf einem für die Vorstellung der Studie durchgeführten GdW-Fachfo-
rum Ende Juni 2015 in Berlin wurden zwar Chancen aufgezeigt, aber
auch Defizite deutlich. So bestünden noch wesentliche Hemmnisse für
die Verbreitung von technischen Assistenzsystemen: Häufig fehle bei
potenziellen Anwendern ein Bewusstsein über den Nutzen der Systeme.
Vor allem seien die Finanzierungsbedingungen schwierig. Eine zusätzli-
che Zahlungsbereitschaft der Mieter sei nicht erkennbar und Geschäfts-
modelle seien Mangelware. InWIS-Geschäftsführer Michael Neitzel hatte
verschiedene Projekte betriebswirtschaftlich analysiert und brachte das
Ergebnis auf den Punkt: „Das klassische wohnungswirtschaftliche Modell
einer Finanzierung über die Mieten ist im Regelfall bei der Realisierung
technischer Assistenzsysteme nicht anwendbar.“
GdW-Präsident Axel Gedaschko sieht bisherige Forderungen durch die
Studienergebnisse voll bestätigt. „Das von der Politik bislang zur Verfü-
gung gestellte Instrumentarium reicht nicht, um den Nutzen von tech-
nischen Assistenzsystemen konsequent zu heben“, mahnte er auf dem
Fachforum. Es bedürfe der Entwicklung und Erprobung neuer interdis-
ziplinärer Modelle, in die beispielsweise die Kommunen, Kranken- oder
Pflegekassen und System- und Dienstleistungsanbieter mit einbezogen
werden sollten. Zudem sei der Leistungskatalog der Pflegekassen um
intelligente, IT-gestützte Monitoringsysteme zu erweitern.
Unter welchen Kriterien technische Assistenzsysteme für Nutzer sinn-
voll sind, beschrieb SIBIS-Geschäftsführerin Dr. Sybille Meyer anhand
von rund 90 durchgeführten Befragungen. Für eine hohe Akzeptanz
müssten die Angebote bezahlbar und einfach bedienbar sein und den
Nutzen für die Anwender in den Vordergrund stellen. „Wesentlicher
Erfolgsfaktor für entsprechende Projekte sind stets verfügbare techni-
sche Ansprechpartner“, so die Forscherin. Zudem müssten Datenschutz
und Datensicherheit gewährleistet sein.
Eine strukturierte Verkabelung sollte in Neubauten künftig Standard
sein und in Bestandsbauten bei umfassenden Sanierungen nachgerüstet
werden, so lautet eine der technischen Empfehlungen der Studie. Gene-
rell seien kabelgebundene Systeme als Basisinfrastruktur Funksystemen
vorzuziehen. Zudem würden für Wohnbauten technische Standardaus-
stattungen empfohlen, die optional erweitert werden könnten. InWIS-
Forscher Michael Neitzel verwies nicht nur an dieser Stelle darauf,
dass alle Empfehlungen der Studie dem Primat der Wirtschaftlichkeit
unterliegen.
Konkrete Projekte stellten Karin Grasse, Vorstandsvorsitzende der Woh-
nungsbaugenossenschaft „Otto von Guericke“ eG, Magdeburg („MOVIT
60+“), und Thomas Bauer, Vorstand, Gemeinnützige Baugesellschaft
Kaiserslautern AG („Paul“), vor.
Dass alle Marktbeteiligten noch am Anfang einer „smarten“ Entwick-
lung stehen, zeigte auch die abschließende Diskussionsrund. Einig
waren sich die Podiumsteilnehmer darin, einen branchenübergreifen-
den Aufruf an Politik und Marktpartner für mehr technische Unter-
stützungssysteme in der Wohnung zu starten. GdW-Präsident Axel
Gedaschko: „Alle Marktbeteiligten und die Politik müssen die Menschen
stärker darüber aufklären, dass Technik zwar besonders Ältere unter-
stützen kann, aber vor allem ein Gewinn an Komfort und Lebensqualität
für alle Generationen darstellt.“
Dr. Claus Wedemeier
Referent für Demografie und
Digitalisierung
GdW
Berlin
Der Tablet-PC als altersgerechtes
Bediengerät. Hier der „Persönliche
Assistent für ein unabhängiges
Leben“ („Paul“) aus einem Projekt
der Gemeinnützigen Baugesellschaft
Kaiserslautern AG
Quelle: CIBEK, Foto: Barbara Heinz
Wohnen für ein langes Leben/AAL
Die Ergebnisse der Studie „Technische Assistenzsysteme für ältere
Menschen – eine Zukunftsstrategie für die Bau- und Wohnungs-
wirtschaft“ gibt die GdW Information 148
wieder. Sie kann zum Preis von 25 € beim
GdW per Mail unter
bezogen werden.
Die wichtigsten Empfehlungen der Studie
sind ferner in einem Papier zusammengestellt
und unter
bit.ly/GdW-AAL
abrufbar.
GDW INFORMATION 148
1...,28,29,30,31,32,33,34,35,36,37 39,40,41,42,43,44,45,46,47,48,...100
Powered by FlippingBook