Controller Magazin 6/2018 - page 85

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Zu welchem Zeitpunkt das Controlling in ein
entsprechendes Projekt einbezogen wird, ist
eine entscheidende Frage. Sicherlich werden
grundsätzliche Entscheidungen in kleinem
Kreis vorbereitet und entscheiden. Da es im-
mer vermeintliche oder tatsächliche Sieger und
Verlierer gibt, würde ansonsten unnötige Unru-
he in das Unternehmen hereingetragen.
Einbindung des Controllings
Irgendwann wird das Controlling jedoch einge-
bunden. Dies hängt primär von der Struktur der
Entscheidungsfindung ab. Besteht eine eigene
Unternehmensentwicklung und/oder M&A Ab-
teilung oder werden externe Berater einbezo-
gen, kann dies relativ spät erfolgen, teilweise
erst mit der Verkündung der Entscheidung.
Dennoch werden im Vorfeld Diskussionen er-
folgen. Ist das Controlling mehr als eine umfir-
mierte Kostenrechnung, erfolgte hier eine Ein-
bindung. Selbstverständlich legt die Unterneh-
mensleitung die Richtung fest, dennoch sollten
grundsätzliche Fragen geklärt sein. Dabei ste-
hen projektunabhängige Eckdaten im Mittel-
punkt. Ob es sog. weiche Faktoren gibt, wel-
che Entscheidungen einschränken und Spiel-
räume limitieren ist eine Frage, welche letztlich
die Unternehmensleitung verantworten muss.
Kann ein großes Unternehmen in einem ande-
ren Land integriert werden, kann mit der be-
stehenden Mannschaft ein neues, unbekann-
tes Geschäftsfeld entwickelt werden?
Sicherlich wird das Controlling bei der Beant-
wortung dieser Fragen helfen, in jedem Fall
aber kann und soll der finanzielle Spielraum
aufgezeigt werden. Dabei geht es nicht alleine
um den Kaufpreis einer möglichen Akquisition,
als vielmehr um die Gesamtheit der Kosten in-
klusive möglicher Nebenkosten und Anlaufver-
lusten. Diese Zahl kann und soll in regelmäßi-
gen Abständen angepasst werden, aber als
feste Größe den Entscheidern bekannt sein,
um bereits im Vorfeld einer genauen Analyse
den Spielraum zu kennen.
Der Faktor „Vertrauen“
Häufig entwickeln vor allem große Projekte
beachtliche Dynamik. Wenn die Story stimmt,
be-kommt ein Unternehmen für die Umset-
zung auf dem Kapitalmarkt Geld, fast unbe-
grenzt. Liegt dann die erwartete Verzinsung
des Investments über den Ansprüchen der
Kapitalgeber, ergibt sich eine Hebelwirkung
die grundsätzlich unbeschränkt ist, solange
der Glaube an die Fähigkeiten und das Einhal-
ten der Versprechungen erfolgt. Bekanntlich
entzieht sich der Faktor „Vertrauen“ einer ex-
akten Bewertung. Ein Unternehmen wie Ama-
zon konnte jahrelang Verluste erwirtschaften,
ohne dass ihm die Kapitalgeber das Vertrauen
entzogen, wie die Geschichte bei Tesla ausge-
hen wird ist zum Zeitpunkt der Texterstellung
noch völlig offen. Fakt ist jedoch, dass es sich
hier um den sprichwörtlichen Tanz auf der Ra-
sierklinge handelt.
Bezug zwischen Risiko und
Planung festlegen
Notwendig ist, dass ein Bezug zwischen Risiko
und Planung festgelegt wird. Es sei nochmals
betont, dass dies vor dem Beginn eines konkre-
ten Projektes erfolgen sollte. Schon weil dieses
Projekt morgen vor der Tür stehen kann oder
sich vielleicht niemals ereignet, wird es darum
gehen, Eckdaten festzulegen und zu aktualisie-
ren, ohne Details festzulegen. Hierbei sind so-
wohl quantitative, vor allem aber qualitative Pa-
rameter einzubeziehen. Das Berechnen eines
großen Projektes ist schlichtes Handwerkszeug
des Controllings. Die Eingabe der vorhandenen,
prognostizierten bzw. geplanten Zahlungsströ-
me in die vorhandenen Modelle bereitet selten
Probleme. Das größere, meist informelle Prob-
lem ist, dass bei entsprechender Begeisterung
für ein Projekt der Schwanz anfängt mit dem
Hund zu wedeln. Offiziell immer bestritten, aber
informell vorgegeben, wird so lange gerechnet
bzw. die Parameter verändert, bis das ge-
wünschte Ergebnis herauskommt, sprich die
Verzinsung des eingesetzten Kapitals gelingt.
Um dies zu verhindern, zumindest zu erschwe-
ren, gilt es eine strikte Trennung beizubehalten,
auch im Controlling. Selbstverständlich können
und sollen Controller unternehmerisch denken,
Chancen sehen, ja finden und nicht nur Zahlen
vertrauen. Es muss aber einen, unabhängigen,
notfalls unbequemen Kopf geben, der genau
letzteres tut. Dies ist nicht der „Verhinderer“,
der „Berufspessimist“, sondern ein notwendi-
ger, unabhängiger, kühler, rationaler Geist, der
Wellenbrecher, um im Bild der Überschrift zu
bleiben. Hier wird festgestellt, um wieviel sich
das Projekt verspäten bzw. verteuern kann, be-
vor die Existenz des Unternehmens bedroht ist.
Dass dies häufig der Fall werden kann, ent-
spricht bereits der schlichten Erfahrung jedes
Häuslebauers.
Es gibt immer Daten, die man interpretieren,
die man nachträglich anpassen kann, aber die-
se Möglichkeiten sind meist eng begrenzt und
sollten äußerst restriktiv genutzt werden.
Bis hierher und nicht weiter, sollte nicht der
Hinweis des Controllings, sondern die Selbst-
verpflichtung der Unternehmensleitung lauten.
Selbstverpflichtungen sind wirksamer, wenn
sie vor einem größeren Kreis geäußert werden.
Dies nicht vor dem konkreten Einzelfall, son-
dern als abstrakte Vorgabe, im besten Fall un-
ter Einbeziehung der Besitzer bzw. Aufseher,
kommen doch auch aus dieser Richtung nicht
selten Anregungen bis zu konkreten Aufforde-
rungen, wie gehandelt werden sollte.
Louis Pasteur stellt fest, dass die Gelegenheit
nur der vorbereitete Geist ergreift. Dies kann
das Controlling nicht gewährleisten, zumindest
aber dafür Sorge tragen, dass nicht die unvor-
bereitete Unternehmensleitung die falsche Ge-
legenheit ergreift.
Autor
Dipl.-BW (FH) Steuerberaterin Susanne Schneider
ist im Rechnungswesen eines Industriekonzerns in Essen tätig.
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