Controller Magazin 6/2018 - page 81

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auf dem deutschen Markt. Wer will die alle ver-
gleichen? Da braucht es Institutionen wie die
Stiftung, damit die Verbraucher das für sie rich-
tige Produkt finden.
Wir sind also auch nach
über 50 Jahren noch gefordert.
Biel:
Laut Ihrer Satzung, Stand 1. Nov. 2014,
haben Sie einen vielschichtigen Satzungs-
zweck. Die Stiftung soll beispielsweise die
Markttransparenz erhöhen, aber auch über die
Möglichkeiten optimaler Haushaltsführung auf-
klären usw. Wie verstehen Sie sich und wie de-
finieren Sie Ihre Ziele?
Brackemann:
Das Testen ist sicherlich unser
Kerngeschäft, also die vergleichende Untersu-
chung von mehreren Produkten, seien es Wa-
ren oder Dienstleistungen. Aber bei vielen Pro-
dukten ist
ein Testergebnis allein nicht aus-
reichend
, um das passende Produkt zu finden.
Biel:
Welchen Zusatznutzen bieten Sie hier an?
Brackemann:
Wir informieren also
auch re-
daktionell
darüber, welche Produktgruppe für
welche Verbrauchergruppe besonders geeignet
ist. Wer also sollte eine Riesterversicherung ab-
schließen – oder kann ein Saugroboter den
herkömmlichen Staubsauger ersetzen?
Biel:
Wo finden sich solche Informationen?
Brackemann:
Solche Informationen finden
Sie in unseren Veröffentlichungen. Und gera-
de bei Finanzdienstleistungen stellen wir diese
Informationen auch in einen größeren Ge-
samtkontext, was in unserer Satzung etwas
altertümlich mit den
„Möglichkeiten einer
optimalen privaten Haushaltsführung“
be-
schrieben ist. Wir informieren beispielsweise,
welche Versicherungen unverzichtbar sind,
welche man abschließen sollte, wenn man
über die entsprechenden finanziellen Mittel
verfügt, und von welchen man besser ganz
die Finger lässt.
Biel:
Verfolgen Sie eine bestimmte Philoso-
phie? Mit welcher Haltung betreiben Sie Ihre
Tests? Es gibt Kritiker, auch unter den journalis-
tischen Kolleginnen und Kollegen, die Ihnen z. B.
„Misstrauen gegenüber edlen Marken“ vorwer-
fen oder unterstellen. Wie gehen Sie mit dieser
und anderer Kritik um?
Brackemann:
Es gibt ein paar besonders
wichtige
Grundsätze unserer Arbeit
; einer
davon ist die Gleichbehandlung aller Anbieter.
Für uns spielt es keine Rolle, ob ein kosmeti-
sches Mittel von einem internationalen Marken-
unternehmen oder von einem Discounter ange-
boten wird. Maßgeblich ist vielmehr, welche Ei-
genschaften das Produkt in unseren Tests auf-
weist. Und da sind wir bei einem weiteren
wichtigen Grundsatz: Die Testmethoden müs-
sen wissenschaftlich fundiert und für den Ver-
braucher relevant sein. Um das sicherzustellen,
haben wir seit vielen Jahrzehnten eine bewähr-
te Institution – den sogenannten Fachbeirat.
Biel:
Bitte erläutern Sie kurz Zusammenset-
zung und Funktion dieses Fachbeirats.
Brackemann:
In dieses Gremium berufen wir
Vertreter von Herstellern, des Handels, von Ver-
braucherorganisationen, aus Behörden und von
Prüfinstituten und Universitäten.
Wir stellen
dann unseren Untersuchungsansatz vor
und hören uns eventuelle Kritik an.
In vielen
Fällen haben wir daraufhin das Untersuchungs-
programm verändert. Natürlich nur, wenn wir
überzeugende Argumente und keine reine Inte-
ressensvertretung gehört haben.
Biel:
Wir bewegen uns im Bereich des verglei-
chenden Warentests. Aus gutem Grund sind,
insbesondere seitens der Rechtsprechung,
hohe Maßstäbe anzulegen. Warentests und
ihre Veröffentlichung sind zulässig, wenn Neut-
ralität, Objektivität und Sachkunde gewährleis-
tet sind. Wie stellen Sie sicher, diesen Anforde-
rungen zu genügen?
Brackemann:
Der eben erwähnte
Fachbeirat
ist ein wichtiger Baustein dafür, aber längst
nicht der einzige. Eine zentrale Rolle spielt un-
ser
Projektleiter
, der eine für die Tests rele-
vante einschlägige wissenschaftliche Ausbil-
dung hat. Da werden die Lebensmittel durch
eine Lebensmittelchemikerin und das E-Bike
von einem Sportingenieur geprüft. Auch die
beauftragten Prüfinstitute
– die Stiftung Wa-
rentest betreibt übrigens keine eigenen Prüfein-
richtungen – verfügen meist über eine sehr
langjährige Erfahrung in der Untersuchung der
jeweiligen Produkte. Und schließlich schicken
wir allen Anbietern die objektiven Untersu-
chungsergebnisse vor der Veröffentlichung mit
der
Gelegenheit, eine Stellungnahme abzu-
geben
. Denn natürlich sind auch unsere La-
bors nicht vor Fehlern gefeit, und wenn uns ein
Anbieter auf tatsächliche oder vermeintliche
Fehler hinweist, können wir mit Nachtests das
Ergebnis weiter absichern.
Biel:
Nun bestehen Ermessensspielräume bei
der Auswahl der Testobjekte, bei den Prüfme-
thoden, der Darstellung der Ergebnisse usw.
Das Bundesjustizministerium (BMJV) hat in Zu-
sammenarbeit mit Testorganisationen
„Regeln
der guten fachlichen Praxis des Testens“
entwickelt. Behandelt werden Transparenz und
Unabhängigkeit, Durchführung von Tests sowie
die Information der Anbieter. Die Verpflich-
tungserklärung zu diesen Standards haben bis-
lang nur die Stiftung Warentest, Ökotest sowie
c´t Magazin für Computertechnik unterzeichnet.
Später hat sich auch der ADAC diesen Regeln
angeschlossen. Ist es nicht überraschend,
dass sich angesichts der Vielzahl der Tes-
ter nur vier Organisationen auf Standards
guter Tests verpflichtet haben?
Brackemann:
Nein, das überrascht mich nicht
wirklich. Wir waren an der Erarbeitung dieser
Regeln beteiligt und haben mit darauf geachtet,
dass die Latte nicht zu niedrig gelegt wird.
Gleichwohl gibt es viele Testveranstalter auf
dem Markt, die weder die fachlichen noch die
Transparenzanforderungen erfüllen und des-
CM November / Dezember 2018
Leitbild der Stiftung Warentest
·
Wir testen Produkte und Dienstleistungen
mit wissenschaftlichen Methoden – ohne
Einfluss von Herstellern, Anbietern und
Anzeigenkunden.
·
Wir stehen den Menschen in Deutsch-
land zur Seite. Ihre Interessen, Lebens-
weisen und ihr Anspruch auf Transparenz
leiten uns.
·
Unsere Veröffentlichungen helfen, Hinter-
gründe zu verstehen, Probleme zu lösen
und bessere Entscheidungen zu treffen.
·
Weil wir unabhängig und nachvollziehbar
handeln, vertrauen uns die Menschen.
·
Deshalb sind und bleiben wir Deutsch-
lands wichtigste Testorganisation.
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