Controller Magazin 6/2018 - page 82

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halb die Verpflichtung nicht unterzeichnen kön-
nen. Das war für die Stiftung Warentest übri-
gens kein Problem, in vielen Punkten erfüllen
wir sogar noch höhere Anforderungen.
Biel:
Der
Qualitätsbegriff wird nicht ein-
heitlich verstanden
und verwendet. Pro-
duktqualität wird betriebswirtschaftlich meis-
tens als Übereinstimmung von Leistungen mit
Ansprüchen definiert. Danach kommt es dar-
auf an, was die Konsumenten bzw. in diesem
Sinne die Anspruchsteller vor dem Hintergrund
ihrer Anforderungen wahrnehmen und für
wichtig halten. Betriebswirtschaftlich wird
häufig zwischen einer technischen, einer funk-
tionalen oder einer kundenseitig empfundenen
Qualität differenziert. Ihre Bewertung und ihre
Gewichtung der Prüfungsergebnisse erfolgen
auf der Basis der Nutzwertanalyse. Ihr Quali-
tätsurteil einer Kaffeemaschine basiert z. B.
auf Zubereitung Kaffee, Brühen, Handhabung,
Umwelteigenschaften, Spülmaschinenfestig-
keit und Sicherheit. Diese Kriterien werden ge-
wichtet und schulmäßig bewertet. Wenn man
Qualität unterschiedlich definieren kann, kön-
nen auch die Bewertungen unterschiedlich
ausfallen, beispielsweise können Ihre Ergeb-
nisse von anderen Testergebnissen abwei-
chen. Was sagt uns dies?
Brackemann:
Zunächst einmal stimme ich Ih-
rer Analyse zu –
es gibt keine universelle
Qualitätsdefinition
. Das folgt schon daraus,
dass Verbraucher ganz unterschiedliche Erwar-
tungen und Anforderungen an ein Produkt ha-
ben. Um Ihr Beispiel eines Kaffeevollautomaten
aufzugreifen: Ein Verbraucher trinkt besonders
gern Espresso, der nächste lieber einen Cap-
puccino und dem Dritten ist es besonders
wichtig, dass die Maschine kompakt gebaut ist,
weil er nicht viel Platz in der Küche hat. Deshalb
machen wir unsere
Bewertungskriterien
transparent
und jeder Leser unserer Tests
kann selbst entscheiden, was ihm oder ihr be-
sonders wichtig ist und auf welche Eigenschaft
man gut verzichten kann. Nicht für jeden ist der
Testsieger auch das beste Produkt, umgekehrt
stehen wir aber dazu, dass die allermeisten
Verbraucher mit unserem Testsieger auch
nichts verkehrt machen.
Biel:
Die Unternehmen bestimmen im Rahmen
ihrer Produktpolitik Art und Umfang der anzu-
bietenden Leistungen und deren Eigenschaften
unter Abwägung marktbezogener und unter-
nehmensinterner Faktoren. Dabei erfolgt die
Produktgestaltung im Sinne der Marktsegmen-
tierung sowie einer Zuordnung zu spezifischen
Preis- und Qualitätsklassen. Eine so verstande-
ne und praktizierte Produktqualität kann zu an-
deren Ergebnisse führen als Ihr Warentest. Was
schließen wir daraus?
Brackemann:
Auch hier stimme ich Ihrer Be-
trachtung zunächst einmal zu. In der Tat ist es
so, dass nicht automatisch das aus Sicht des
Anbieters höherwertige Produkt auch das bes-
sere Testergebnis erzielt. Das kann ganz unter-
schiedliche Gründe haben; häufig ist es so,
dass teure Produkte mehr Features aufweisen.
Die Waschmaschine hat dann noch mehr Pro-
gramme und mehr Einstellmöglichkeiten. Die
wenigsten Verbraucher benötigen das wirklich,
deshalb testen wir die wichtigsten und keine
exotischen Funktionen wie vielleicht ein Turn-
schuh-Waschprogramm. Bei Lebensmitteln
und Kosmetika bestimmt häufig eine besonders
wertige Aufmachung den Preis. Das ist in unse-
ren Tests kein Kriterium. Uns interessiert viel-
mehr,
welche Qualität der Inhalt hat und na-
türlich, ob auf der Verpackung auch das
draufsteht, was drin ist.
Biel:
Viele Unternehmen betreiben
nicht nur
Qualitätsmanagement, sondern auch ein
Qualitäts-Controlling
. Dem liegt vielfach das
Verständnis von Qualität im Sinne des Total
Quality Managements zugrunde mit dem Ziel,
die Interessen aller relevanten Stakeholder zu
befriedigen. Dabei ist ein wesentliches Ziel, die
Qualitätsfähigkeit des Unternehmens in Hin-
blick auf die Produkte, Dienstleistungen, Pro-
zesse und Systeme langfristig zu sichern. Wie
können dazu Unternehmen aus Ihrer Sicht Ihre
Testergebnisse nutzen und einordnen?
Brackemann:
Die wichtigste Grundlage dafür
ist unser
Prüf- oder Untersuchungspro-
gramm
. Das erhalten natürlich alle Anbieter,
die wir in einen Test einbeziehen. Daraus kön-
Autoren
Dr. Holger Brackemann
promovierte 1989 zum Doktor der Naturwissenschaft und wur-
de anschließend Wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann Presse-
sprecher und Fachgebietsleiter am Umweltbundesamt. Im Jahr
2003 kam er zur Stiftung Warentest und übernahm die Leitung
der Abteilung Haus, Energie, Freizeit und Verkehr. Seit Oktober
2008 leitet er den Bereich Untersuchungen, der alle Untersu-
chungen der Stiftung Warentest verantwortet.
E-Mail:
Diplom-Betriebswirt Fachjournalist (DFJS) Alfred Biel
ist Autor, Interviewer und Rezensent verschiedener Medien mit
einem betriebswirtschaftlichen und einem fachjournalistischen
Studienabschluss. Er verfügt über reichhaltige Praxiserfahrun-
gen aus verantwortlichen Tätigkeiten in betriebswirtschaftli-
chen Funktionen großer und mittlerer Unternehmen. Der Deut-
sche Fachjournalisten Verband DFJV und der Internationale
Controller Verein ICV verliehen ihm die Ehrenmitgliedschaft.
E-Mail:
Warentests aus unterschiedlichen Perspektiven
Internetquellen
Regeln der guten fachlichen Praxis des
Testens:
Testen.html
Jahresbericht Stiftung Warentest, Sat-
zung, Broschüre „50 Jahre Stiftung Wa-
Buchhinweise
Jaquemoth, M. / Hufnagel, R.: Verbrau-
cherpolitik: Ein Lehrbuch mit Beispielen
und Kontrollfragen. Stuttgart 2018
Eschenbach, R. / Baumüller, J. / Siller, H.
(Hrsg.): Controlling: 21-mal Bindestrich-
Controlling in der Praxis. Wien 2018
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