CONTROLLER Magazin 1/2017 - page 10

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Biel:
Was möchten Sie unseren Leserinnen und
Lesern abschließend mit auf dem Weg geben?
Horváth/Greiner:
Wir möchten mit einer
doppelten Message von Kaplan und Norton
schließen:
·
„Lofty Vision and Strategy Statements don’t
translate easily into action at the local level“;
·
„Building a scorecard enables a company to link
its financial budgets with its strategic goals“
(Kaplan, Norton: „Using the Balanced Scorecard
as a Strategic Management System“, in HBR,
January/February 1996, S.75-85).
Biel:
Sie haben uns einen näheren Einblick in
die vielfältigen Aspekte der Konzeption, Umset-
zung und Nutzung einer Balanced Scorecard
vermittelt. Deutlich gemacht haben Sie z. B.,
dass die BSC ein Instrument sein kann, um die
Diskrepanz zwischen Strategiefindung und
-umsetzung zu überwinden. Zu vernehmen war
auch, dass die BSC einen Rahmen für den ge-
samten Managementprozess bieten kann. Das
ganze Potenzial einer BSC lässt sich nach Ihren
Informationen nur dann nutzen, wenn sie in
erster Linie als strategisches Managementsys-
tem verstanden wird, um die Unternehmens-
strategie langfristig zu verfolgen. Bemerkens-
wert war u. a. auch, dass es „die“ BSC“ offen-
bar gar nicht gibt. Interessant war außerdem Ihr
Hinweis, dass man sich begrenzen muss, und
die BSC nicht eine Menge verschiedenartiger
Anforderungen gleichzeitig erfüllen kann. Dies
sind natürlich nur einige Aspekte aus Ihren sub-
stanzhaltigen Antworten.
Herr Prof. Dr. Horváth, Herr Dr. Greiner, auch im
Namen unserer Leserinnen und Leser, unseres
Herausgebers und der Redaktion herzlichen
Dank für Ihre Mitwirkung im Rahmen unserer
Interview-Reihe. Dank und Respekt dafür, dass
Sie uns – bezogen auf unser Thema – an Ihrer
Kompetenz und Erfahrung teilhaben lassen.
Biel:
Vermutlich können wir nach 25 Jahren
BSC an dieser Stelle eine interessante Schluss-
folgerung ziehen. Was meinen Sie?
Horváth/Greiner:
So ist es. 25 Jahre nach der
Entwicklung hat sich aber immer noch
keine
Standard-Lösung
entwickelt, was schade ist.
Biel:
Welche Probleme und Schwierigkeiten be-
obachten Sie im Zusammenhang mit der BSC?
Bleiben z. B. alle Unternehmen auch bei diesem
Konzept – oder stellen die BSC wieder ein, weil
der Aufwand zu hoch und der Nutzen zu niedrig ist.
Horváth/Greiner:
Das ist eine knifflige Frage.
Tatsächlich sind nicht alle BSC-Implementie-
rungen nachhaltig. Mehr noch,
wahrschein-
lich überleben kaum mehr als 50 % aller
BSC-Implementierungen ihr drittes Jahr
.
Kaplan selber hat festgestellt, dass viele BSC
den Wechsel eines CEOs nicht überstehen.
Während viele Unternehmen erfolgreich mit
BSC-Ansätzen arbeiten (die sie teilweise gar
nicht so nennen), ist in vielen Unternehmen der
Begriff BSC aufgrund gescheiterter Implemen-
tierungen inzwischen ein verbrannter Begriff.
Biel:
Was sind die Gründe des Scheiterns?
Horváth/Greiner:
Die Gründe des Scheiterns
sind vielfältig, hängen in der Regel aber mit
überzogenen Erwartungen, dogmatischen
Vorgehen und sehr häufig auch mit hand-
werklichen Fehlern zusammen
. Eine klare
Positionierung der BSC als Operationalisierung
strategischer Ziele, eine stringente Einbettung
in das Steuerungssystem, die richtige Ableitung
und Abbildung relevanter Ziele, der Verzicht auf
den Vollständigkeitsanspruch der Messbarkeit
usw. kann den Implementierungserfolg deutlich
erhöhen.
Biel:
Es gibt das Schlagwort von der „Intelli-
genz der Organisation“. Fördert die BSC diese
Intelligenz oder fordert die BSC vielmehr die
Organisationsintelligenz?
Horváth/Greiner:
Die BSC benötigt zunächst
„Organisationsintelligenz“, d. h. wir müssen für
ihren Einsatz die Organisation zu einer „Strategy
focused Organization“ (Buchtitel von Kaplan/
Norton) formen, dann erst kann sich die
Intelligenz der Organisation entfalten.
Horváth/Greiner:
Die Balanced Scorecard ist
praktisch hervorragend geeignet, einen über-
sichtlichen und
effektiven Handlungsrahmen
für die Steuerung zu liefern. Die theoretische
Richtigkeit wird allerdings von manchen Pro-
fessoren kritisiert, weil die BSC eindeutige
Ursache-Wirkungsbeziehungen annimmt und
aus Vereinfachungsgründen die Zahl der Ziel-
kategorien beschränkt.
Biel:
Ist das Konzept theoretisch und praktisch
„ausbalanciert“?
Horváth/Greiner:
Interessanterweise verhält
es sich mit der BSC genau anders herum:
Sie
ist theoretisch durchaus angreifbar, dafür
praktisch höchst relevant.
Denn theoretisch
gibt es bis heute keinen Konsens, nach welchen
Prinzipien die strategischen Ziele der BSC aus-
zuwählen sind, wie sie zu formulieren sind, wie
die richtigen Kennzahlen für Ziele zu definieren
sind, usw. Die Lösungen, die es für die Nutzung
der BSC gibt, sind sehr stark von der prakti-
schen Sehnsucht geprägt, pragmatische Lö-
sungen für die Stärkung der Umsetzungskraft
zu finden. Immer da, wo die BSC zu komplex
wird, ist ihr Scheitern schon programmiert –
z. B. wenn man Führungskräfte zwingt, jedes
Ziel zu messen, auch wenn noch keine geeig-
nete Kennzahl verfügbar ist.
Biel:
Der erfolgreiche Einsatz und der Nutzen
betriebswirtschaftlicher Systeme und Metho-
den hängt i. d. R. von spezifischen Vorausset-
zungen und Bedingungen ab. Welche Grund-
lagen und Rahmenbedingungen müssen für
ein erfolgreiches Arbeiten mit der BSC gegeben
sein? Welche Anforderungen sind z. B. an die
Informationssysteme zu richten?
Horváth/Greiner:
Spezifische Vorausset-
zung für den Einsatz der BSC gibt es nicht.
Auch IT-Systeme sind nicht zwingend nötig –
nicht wenige Unternehmen tragen die nötigen
Informationen für die BSC aus den betroffenen
Bereichen manuell zusammen. Dies ist mög-
lich, da wir bei der BSC ja nicht von „Big Data“-
Analysen sprechen, sondern von ausgewählten
Spitzenkennzahlen. Die Detailanalyse ist dann
weniger strategisch, sondern teilweise schon
sehr operativ. Aber, unbenommen, gute IT-
Lösungen für die BSC würden die Anwendung
erleichtern.
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Interview zum Thema: 25 Jahre BSC – Rück- und Ausblick
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