CONTROLLER Magazin 1/2017 - page 8

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Biel:
Gibt es in der Unternehmenspraxis „die
BSC“ in der klassischen Ausprägung oder treten
eher unterschiedliche Formen auf?
Horváth/Greiner:
In der Praxis gibt es aus un-
serer Sicht drei Ausprägungen:
·
die „klassische“ BSC,
·
Elemente der BSC im Steuerungssystem,
·
spezielle BSC´s (z. B. Personal-BSC,
F2E-BSC etc.).
Biel:
Die BSC erhebt ja den Anspruch, mehr als
ein Kennzahlensystem zu sein, nämlich ein Ma-
nagementsystem bzw. ein Strategisches Ma-
nagement- und Steuerungssystem. Welche
Funktion und welchen Beitrag kann die BSC
dann erfahrungsgestützt bei der Entwicklung
und Umsetzung von Strategien leisten? Kann
die BSC einen strategischen Handlungsrahmen
bieten?
Horváth/Greiner:
Eins ist, so glauben wir,
wichtig: Die Balanced Scorecard ersetzt keine
Strategie.
Die BSC ist ein System zur Opera-
tionalisierung der Strategie.
In diesem Sinne
hilft sie aber schon in der Phase der Strategie-
bildung als Strukturierungsinstrument. Kaplan
und Norton haben hierfür übrigens das Instru-
ment
„Strategy Map“
entwickelt, welches die
verbalisierten Ziele einer Balanced Scorecard in
einen kommunizierbaren Zusammenhang zuei-
nander bringt.
Biel:
Und wo liegt in dieser Hinsicht der größte
Nutzen der BSC?
Horváth/Greiner:
Der größte Nutzen besteht
u. E. in der Strukturierung im Sinne von
„Aus-
balancierung“ der Strategie
. Insofern ist die
BSC ein „strategischer Handlungsrahmen“.
Biel:
Wie positionieren Sie die BSC? Ist sie Be-
standteil eines größeren Gesamtansatzes oder
doch eher ein „Einzelsystem“?
Horváth/Greiner:
Man darf die Balanced
Scorecard
nicht isoliert betrachten
. Sie ist
Bestandteil eines strategischen Management-
und Steuerungssystems, aber nicht das Steue-
rungssystem per se. Weitere Instrumente, die
natürlich mit der BSC im Austausch stehen
können, gehören genauso dazu, z. B. die strate-
gische Analyse, die Entwicklung und Kommuni-
„Balanced Scorecard“ genannt werden, obwohl
sie die DNA der BSC in sich tragen. Das beginnt
bei Ansätzen, die vom Ursprungsansatz abwei-
chende Perspektiven umfassen bis hin zu Kon-
zepten, die zumindest teilweise auf Kennzahlen
verzichten und die Stärke der Balanced Score-
card eher im strukturierten Zielsystem, also der
Strategy Map, suchen.
Biel:
Welche Nutzungsformen stehen im Vor-
dergrund? Wird die BSC mehr als Kennzah-
lensystem oder eher als Managementsystem
genutzt?
Horváth/Greiner:
Die Nutzung ist immer steu-
erungsorientiert, d. h., die Kennzahlen werden
in den Steuerungsprozess integriert. (z. B. als
Zielgröße). Allerdings ist der Fokus klar weg von
einem reinen Kennzahlen-System. Interessant
ist die Balanced Scorecard als
Ankerpunkt ei-
ner umfassenderen Logik der Strategiekon-
kretisierung
– von der Spezifizierung von Zie-
len, Kennzahlen und Maßnahmen, der Einbet-
tung in Planung und Reporting, der Nutzung bei
Kommunikation und Gestaltung der Manage-
ment-Agenda. Kennzahlen spielen dabei weiter
eine wichtige, aber nicht mehr so dominante
Rolle, wie zu Beginn der Balanced-Scorecard-
Entwicklung.
Biel:
Und wie ordnen Sie die BSC in diesem Spek-
trum der Neugestaltung und Optimierung ein?
Horváth/Greiner:
Die Balanced Scorecard
kann in dreifacher Weise auch heute wichtige
Impulse liefern:
·
Das komplexer gewordene
Zielsystem
(„Triple Bottom Line“) kann strukturiert
werden.
·
Entscheidungshierarchien
(„Entscheidungsbäume“) können
übersichtlich konzipiert werden.
·
Innovationen in der
Steuerungskennzahl
-
Entwicklung können unterstützt werden.
Biel:
Bitte lassen Sie uns noch einmal die BSC
im Grundsätzlichen hinterfragen. Über die Ver-
breitung der BSC gibt es unterschiedliche Ein-
schätzungen. Können Sie uns hierzu fundierte
Angaben machen? In den betriebswirtschaftli-
chen Lehrbüchern ist die BSC angekommen –
auch tatsächlich in der Unternehmenspraxis?
Horváth/Greiner:
Die BSC ist in der Praxis
angekommen.
Dies zeigen verschiedene em-
pirische Studien. Auch alle Lehrbücher befas-
sen sich mit ihr. Interessant ist, dass sich in vie-
len Unternehmen verschiedenste Varianten
entwickelt haben, die häufig gar nicht mehr
Autoren
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Péter Horváth
ist Stv. Aufsichtsratsvorsitzender der Horváth AG, Stuttgart,
Stv. Aufsichtsratsvorsitzender des IPRI, International Perfor-
mance Research Institute gGmbH, Stuttgart, sowie Partner von
Horváth & Partners.
Fachjournalist (DFJS) Dipl.-Betriebsw. Alfred Biel
ist Autor, Interviewer und Rezensent verschiedener Medien, mit
reichhaltiger Erfahrung aus verantwortlichen Konzern-Tätigkeiten
und Aufgaben in mittelständischen Unternehmen. Betriebswirt-
schaftliches und journalistisches Studium. Ehrenmitglied des
Deutschen Fachjournalisten Verbandes (DFJV) und des Internatio-
nalen Controller Vereins (ICV).
E-Mail:
Dr. Oliver Greiner
ist Partner bei Horváth & Partners, Competenc Center Strategy,
Innovation & Sales.
E-Mail:
Interview zum Thema: 25 Jahre BSC – Rück- und Ausblick
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