CONTROLLER Magazin 2/2017 - page 8

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größe und resultierendem Bonus, Abhilfe schaf-
fen (vgl. Jensen 2001, S. 95ff.).
Ein weiterer Problemkreis aus dem Controlling,
der zu Compliance-Risiken führen kann, sind zu
ehrgeizige Zielsetzungen insbesondere in Regi-
onen, die durch Korruption besonders gefähr-
det sind. Hier kann man mit realistischen Ziel-
setzungen helfen, dass es nicht zu unlauteren
Handlungen kommt.
Ein Zeichen in eine bewusst andere Rich-
tung kann ein Unternehmen setzen, indem
es compliancerelevante Kennzahlen in die
Anreizbemessung integriert.
Dies kann so-
wohl die Reduzierung der Deliktzahl sein, was
aber den unerwünschten Nebeneffekt von zu
geringen Aufdeckungsbemühungen mit sich
bringen kann. Sinnvoller wäre es daher, ein po-
sitiv konnotiertes Kriterium anzuwenden, wie
beispielsweise die Zahl der Schulungen in com-
pliancerelevanten Bereichen. Beides hat zur
unmittelbaren Konsequenz, dass sich die Cont-
rolling-Abteilung auch mit Compliance be-
schäftigen muss. Sie müssen dann bei der Er-
hebung und Interpretation von Kennzahlen
auch diesen Bereich berücksichtigen.
Hierzu
könnte sich auch die Balanced Scorecard
eignen
, sowohl mit Ergänzungen zur Compli-
ance als auch mit einer zusätzlichen Perspekti-
ve, die sich vollständig dem Bereich Compliance
widmet (vgl. Hirsch/ Fiack, 2015, S. 71).
Wertschöpfung durch Compliance?
Neben der Kooperation in Themenbereichen,
die in den Zuständigkeitsbereich beider Abtei-
lungen gemeinsam fallen, ist die Compliance-
Abteilung auch selbst Gegenstand des Control-
lings. Im Kampf um Ressourcen muss sich die
Compliance-Abteilung gegenüber der Unter-
nehmensleitung und anderen Abteilungen
rechtfertigen. Dazu ist es notwendig, den Wert
zu ermitteln, der durch eine funktionierende
Compliance-Organisation für das Unternehmen
geschaffen wird.
Compliance kostet Geld, der
Nutzen lässt sich aber nicht direkt in zu-
sätzlichen Umsätzen und daraus resultie-
renden Gewinnen beziffern
.
Umgekehrt führt ein funktionierendes Compli-
ance-Management in einigen Fällen dazu, dass
Anreizsysteme als Grund für non-Compliance
Insbesondere die Anreizsysteme von Unterneh-
men können bei allen Mitarbeitern, deren varia-
ble Vergütung am messbaren Erfolg des Unter-
nehmens hängt, opportunistische Handlungen
auslösen. In den meisten Unternehmen werden
die Zielerreichung und die daraus resultierende
variable Vergütung mit Daten des Controllings
ermittelt, wenn auch häufig die Personalabtei-
lung die eigentliche Berechnung durchführt.
Grundlegend kann man Systemen, die mit
monetären Anreizen arbeiten, eine Moneti-
sierung der Entscheidungsfindung vorwer-
fen
(vgl. Schweikert/ Grüninger, 2012, S. 86).
Damit kann es passieren, dass die Integrität
hinter den eigenen wirtschaftlichen Vorteil zu-
rücktritt, die dolose Handlung führt zu einem
höheren Zufluss an Bonuszahlungen. Diesen
Effekt muss auch das Controlling als Manager
des Planungsprozesses und Sparringspartner
des Managements berücksichtigen. Aufgrund
ihrer Praktikabilität führt jedoch in den meisten
Unternehmen kein Weg an monetären Anreiz-
systemen vorbei.
Die Diskussion darüber, wie die Unternehmens-
planung durch die Nutzung der Planvorgaben als
Basis für die Bonusbemessung ihren betriebs-
wirtschaftlichen Wert verliert, wird vielfältig ge-
führt. Insbesondere Schwellenwerte können
dazu führen, dass alles (auch Illegales) versucht
wird, das Planziel zu erreichen. Kappungsgren-
zen für variable Gehaltsbestandteile (ab einem
Umsatz von Betrag X wird kein zusätzlicher Bo-
nus mehr gezahlt) können auch zu illegalen
Handlungen wie dem bewussten Verschieben
von Rechnungsstellungen führen, so dass die
Leistungserbringung und die Rechnungsstellung
in unterschiedlichen Perioden erfolgt. Hier kann
ein Verzicht auf Schwellenwerte, verbunden mit
einem linearen Zusammenhang zwischen Ziel-
Insofern können sich Controlling und Compli-
ance bei der Interpretation von Abweichungen
gegenseitig befruchten.
Geboten ist die Nutzung der Informationen aus
dem Rechnungswesen im Bereich Compliance
auch deshalb, weil andere externe Institutionen
der Prüfung das Rechnungswesen zur Aufde-
ckung von Fehlverhalten nutzen. So sind steuer-
liche Betriebsprüfer gehalten, gemäß §4 Abs. 5
S. 1 Nr. 10 S. 3 EStG, ihnen bekannt geworde-
ne Hinweise auf rechtswidrige Handlungen den
Staatsanwaltschaften zu melden. Dies ist eine
internationale Gepflogenheit, wie empirische
Untersuchungen zeigen, so dass auch die Auf-
deckung von dolosen Handlungen in ausländi-
schen Tochtergesellschaften ein Risiko für das
deutsche Mutterunternehmen darstellt (Müller
et al., 2015, S. 464f.). Hier kann ein voraus-
schauendes Beteiligungscontrolling intern
Missstände aufdecken, die dann in- und extern
geprüft und geahndet werden können.
Revision und ermittelndes Compliance-Ma-
nagement verwenden dazu forensische Metho-
den der Datenanalyse. Diese Methoden, die mit
analytischen Verfahren versuchen, Unregelmä-
ßigkeiten auf die Spur zu kommen, haben in-
zwischen eine weite Verbreitung in Unterneh-
men, bei Wirtschafts- und Steuerprüfern.
In vie-
len Unternehmen ist es gute Praxis, einen
Scan mit den einschlägigen Software-Tools
mindestens einmal in einer Rechnungspe-
riode durchzuführen – insbesondere um
Funde in externen Prüfungen vorwegzu-
nehmen.
Da eine auffällige Buchung in vielen
Fällen harmlos ist, bietet sich eine direkte Zu-
sammenarbeit der internen Prüfer mit dem
Controlling an, die vielfach direkt die Hinter-
gründe von auffälligen Buchungen kennen, da
sie in die betrieblichen Abläufe auf höchster
Ebene involviert sind.
Rationalität trifft Rechtskonformität
Autor
Prof. Dr. Stefan Behringer
ist Professor für Controlling und Corporate Governance an der
NORDAKADEMIE Elmshorn und Hamburg.
E-Mail:
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