wirtschaft und weiterbildung 10/2015 - page 29

wirtschaft + weiterbildung
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von Ähnlichkeit mit männlichen Rollen-
vorbildern, einmal über das Anderssein
in Abgrenzung davon. Und auch solche
Personalentwicklungskonzepte greifen
zu kurz, die die individuelle Lebens- und
Erlebenswirklichkeit von Frauen nicht be-
achten.
Einflussgrößen auf die Karriere
Ein Beratungsansatz für Frauen in Füh-
rungspositionen oder für Frauen, die eine
Führungsposition anstreben, muss die
komplexe Gesamtheit individueller, bio-
grafisch-sozialer, berufsspezifisch-profes-
sioneller und unternehmensspezifischer
Aspekte im Coaching beleuchten. Auf
der Grundlage sowohl der theoretischen
Überlegungen als auch anhand konkreter
Beispiele von Frauen in Managementposi-
tionen zeige ich daher im Folgenden, wel-
che Einflussgrößen erfolgreiche weibliche
Karrieren fördern.
Mit der Quote entstehen Verteilungs-
kämpfe um die Führungspositionen
in Wirtschaftsunternehmen zwischen
Frauen und Männern und daraus Span-
nungen bei einigen männlichen Füh-
rungskräften. Frauen brauchen Kraft und
emotionale Kompetenz, um mit diesen
Widerständen konstruktiv umgehen zu
können. Und Unternehmen brauchen
passende personalpolitische Konzepte für
Frauen und Männer, die so gestaltet sind,
dass das Gegeneinander zum Miteinan-
der wird – während der Anteil von Frauen
in den Führungsebenen sich dabei syste-
matisch vergrößert.
Frauen müssen lernen, stärker darauf zu
achten, welche Unternehmen es mit Di-
versity wirklich ernst meinen. Sie müssen
analysieren, in welchen Unternehmens-
kulturen sie tatsächlich willkommen sind
und aktiv – auch gegen Widerstände –
unterstützt werden. Dabei kann ein integ-
riertes, umfassendes Coaching einen ech-
ten Mehrwert leisten. Das Coaching kann
Kriterien für diese Analyse an die Hand
geben, wie beispielsweise die folgenden:
Berufliche Netzwerke:
Im alten Unternehmen hatte sie
einen Mentor im Vorstand, zu dem sie bis heute ein Vertrau-
ensverhältnis pflegt. Sie selbst ist aktiv als Netzwerkerin in
Wirtschaft wie Politik, was ihr als einer eher extrovertierten
Persönlichkeit leicht fällt.
Unternehmenskultur:
Im neuen Unternehmen agiert sie
als Vorstand im Team mit drei Männern, die sie ausgewählt
haben, weil sie die Kompetenz als Chief Financial Officer
mit der einer exzellenten Lobbyistin auf internationalem
Parkett verbindet. Parallel formulieren die Vorstände den
Wunsch, ihre Unternehmenskultur bewusst in Richtung
„Gender Diversity“ zu verändern und „top down“ eine Verän-
derung initiieren zu wollen. Im Unternehmen wird Leistung
sehr betont und das bedeutet eine hohe Anforderung an
eine zeitliche und räumliche Flexibilität und Verfügbarkeit.
Strukturen und Prozesse:
Damit Amelie F. schnell ins Unter-
nehmen einsteigen kann, initiieren die drei Vorstandskolle-
gen in den ersten Wochen eine strukturierte Einarbeitung in
Einzelsitzungen mit allen wichtigen Entscheidern aus dem
Haus. Diese Einarbeitung findet in einem Hotel außerhalb
des Unternehmens statt und so lernt Amelie F. alle wichti-
gen Kollegen und Mitarbeiter samt den Schlüsselthemen
des Unternehmens schnell und gründlich kennen. Es fällt
auf, dass alle ihre Erfahrung und ihr Alter schätzen.
Fazit:
Entscheidend für den Erfolg von Amelie F. ist neben
ihrem ausgezeichneten Kompetenzprofil die Bereitschaft
der neuen Unternehmensspitze, sich im Vorstand bewusst
für Frauen und für Profile mit 50 plus zu öffnen, und dass
diese Öffnung mit einer konsequenten Einarbeitung beglei-
tet wird. Eine weitere entscheidende Voraussetzung ist,
dass auch der Ehepartner von Amelie F. zu ihren persönli-
chen Unterstützern gehört. Im gemeinsamen Coaching war
es wichtig, das Ehepaar von Beginn an darin zu unterstüt-
zen, dass diese Karriereentscheidung eine gemeinsame ist
und nicht nur die Einzelentscheidung von Amelie F. Durch
die Unterstützung konnte das Paar sein vorrangiges Ziel,
gut miteinander in Kontakt zu bleiben, auch wenn sich die
beruflichen Rahmenbedingungen ändern, erreichen. Die
Ehepartner haben gemeinsam darauf hingearbeitet, dass
Amelie F. die neue Vorstandsposition in der anderen Stadt
kraftvoll übernehmen und das Ehepaar in dieser Stadt eine
gute Umgebung für sich schaffen kann. In der neuen Unter-
nehmenskultur ist es hilfreich, dass Amelie F. keine Kinder
hat, denn das Unternehmen fordert eine hohe zeitliche
und räumliche Verfügbarkeit. Ihre persönlichen Ziele und
Lebensumstände, eine reife unterstützende Partnerschaft
sowie positive und stabile Selbstwirksamkeitsüberzeu-
gungen und auch die Beweglichkeit, Offenheit und Unter-
stützungsprozesse des Unternehmens passen somit gut
zusammen.
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