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personalmagazin 05/18
TITEL
_PERSONALSTRATEGIE IM MITTELSTAND
unterschiedlicher Strukturen und For-
mate, von Pragmatismus, Werteorientie-
rung, Experimentierfreude.“ So überholt
manches Schnellboot die Dickschiffe in
Industrie und Dienstleistungssektor –
auch beim Anwerben von Talenten.
Neue Organisationsstrukturen mit
flachen Hierarchien
Hhpberlin, ein auf Brandschutz spezia-
lisiertes Engineering-Unternehmen mit
rund 170 Beschäftigten, stellte 2009
fest, dass ein klassisches Organisati-
onsmodell mit Führungspyramide und
Hierarchie nicht mehr den Anforde-
rungen der Mitarbeiter und des Markts
entsprachen. Das neue Organisations-
modell LOAZ wurde im firmeneigenen
Beratungsableger Inspirit People entwi-
ckelt. LOAZ bedeutet: Leute begeistern
(sich und andere), Organisieren können
(sich und andere), Alternativen aufzei-
gen, Zuhören können. „Dieses Organi-
sationsmodell baut auf gegenseitigem
Vertrauen auf, da nicht jeder Einzelne
alle Charakteristika mitbringen muss,
sondern Mitarbeiter sich in Teams er-
gänzen“, sagt Doreen Liebenow, Talent-
managerin bei Hhpberlin.
Themenorientierte Führung, interne
Wissenstransparenz, hohe Selbstverant-
wortung und -organisation sowie digitale
Innovationen sind wichtige Facetten von
LOAZ. Wenn Hhpberlin-Ingenieure ihre
Unternehmensstruktur Kunden erklä-
ren, zeichnen sie einen Kreis. Das solle
Innovationsfähigkeit deutlich machen –
„wie in einem Start-up“, meint Liebenow.
Im konservativen Engineering-Geschäft
sei diese Betrachtungsweise durchaus
gewöhnungsbedürftig. Insofern über-
rascht nicht, dass LOAZ kein Selbst-
läufer war. „Zunächst kann der Wegfall
von Strukturen und Hierarchien auch
einen Wegfall von Orientierung bedeu-
ten“, berichtet Liebenow. Die Mitarbeiter
müssten erst lernen, sich Ziele zu setzen,
sich zu organisieren und – vor allem –
Anerkennung einzufordern: „Das fällt
neuen Kollegen aus anderen Organisa-
tionsstrukturen oft schwer, da sie meist
auf Anweisung arbeiten. Unsere Aufgabe
ist es dann, Strukturen zu schaffen, aus
denen sich neue Rollenverständnisse
entwickeln können.“
Mit Traditionen brechen, Neues wagen
Wie Unternehmens- und Personalstrate-
gie ineinandergreifen, zeigt der Univer-
salbauer Wurst Stahlbau in Bersenbrück
im Landkreis Osnabrück. Bis 2026 soll
sich der Jahresumsatz auf 100 Millionen
Euro nahezu verdoppeln, was voraus-
setzt, dass zusätzliche qualifizierte Mit-
arbeiter – derzeit sind es 240 – gewon-
nen werden. Im vergangenen Jahr hat
das Unternehmen begonnen, sein Perso-
nalmarketing zu verstärken und ein Be-
werbermanagementsystem aufzubauen.
Mehr Präsenz auf Job- und Ausbildungs-
messen, Social-Media-Aktivitäten und
eine eigene Ausbildungsabteilung kom-
men hinzu. Um gute Leute langfristig zu
binden, bietet Wurst Stahlbau Zusatz-
leistungen wie Gesundheitsprogramme,
mobiles Arbeiten, bezahlte Freistellung
an – alles nachzulesen in einem zehnsei-
tigen „Sozialen Wegweiser“.
„Gerade der Mittelstand muss sich
früh auf die neuen Arbeitswelten einstel-
len“, meint Personalleiterin Christiane
Füllgraf. Die Einführung und Umsetzung
zukunftsfähiger Arbeitsbedingungen sei
hier oft leichter als in Konzernen zu be-
werkstelligen. „Den KMU kommt dabei
ihre Flexibilität entgegen. Das bedeutet
aber zunächst, dass man sich trauen
muss, mit Traditionen zu brechen und
Neues zu wagen. Gelingt es, die oft vor-
handenen Widerstände aufzubrechen,
kommt es mit dem Wandel zu einer
spürbar stärkeren Handlungsfreiheit der
Mitarbeitenden und damit zu größerer
Selbstständigkeit und Flexibilität. Was
sich dann letztlich wieder positiv in der
Arbeitgeberattraktivität niederschlägt.“
Auszeichnungen für innovative
Mittelständler
Zum Bild in der (Bewerber-)Öffentlich-
keit tragen auch die Auszeichnungen
„Die Erfahrungen der letzten Jahre ha-
ben gezeigt, dass Eigenverantwortung
motiviert. Die Kollegen können mit­
entscheiden, woran sie wachsen wol-
len, und überzeugen mit Ergebnissen.“
Doreen Liebenow, Talentmanagerin, Hhpberlin Ingenieure für Brandschutz GmbH, Berlin
„Es gibt Mitarbeitende, die haben
Angst vor Neuem. Das muss man
berücksichtigen und ernst nehmen.
Denn erst wenn wirklich alle im
Veränderungsprozess mitgenommen
werden, wird der neue Grad der Flexibilität sehr
schnell zur Gewohnheit.“
Christiane Füllgraf, Personalleiterin, Wurst Stahlbau GmbH, Bersenbrück
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