PM HR-Start-ups - page 14

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SPEZIAL START-UPS
_PRAXIS
spezial Start-ups 11/16
I
mweißen Regal liegen neonfarbene
Geschenkanhänger und rotweißka-
rierte Papiertüten, an der Wand
hängen ein Küchenstuhl und ein
Jutesack, in Weinsteigen sind Goldkett-
chen und Stirnbänder platziert. Und das
alles ist nicht nur Deko, um die Laune
der Mitarbeiter zu heben. Es ist der Über-
blick über das Sortiment von Dawanda.
Der 2006 gegründete Online-Marktplatz
für Unikate und Selbstgemachtes ver-
netzt mehrere Millionen Mitglieder und
hat inzwischen 233 Mitarbeiter aus 24
Ländern plus Werkstudenten und Free-
lancer. Die Arbeitsweise des Internet-
Start-ups wird von dem hohen Tempo
geprägt, das Internetkunden gewohnt
sind und täglich verlangen. Kreativi-
tät bei den Produkten muss Programm
sein. Das fordert von allen permanente
Innovationsbereitschaft, zu der auch ein
flexibles Personalmanagement gehört.
Von
Ruth Lemmer
Freiräume für Innovative
PRAXIS.
In Start-ups wird Innovation auf Dauerschleife gestellt. Damit Mitarbeiter die
dafür nötige Kreativarbeit leisten, muss HR die passende Arbeitsumgebung schaffen.
Recruiting und Onboarding, Talent
Management und Gehälter, Arbeitszeit-
management und Organisation, Beurtei-
lung und Trennung: Die Aufgaben des
HR-Managements klingen klassisch. Und
doch tickt die Uhr anders in Start-ups,
die erfolgreich sind. Seit sechs Monaten
prägt Cindy Rubbens als Personalchefin
die HR-Themen bei Dawanda. „Auch in
Start-ups herrscht ein ultrakonservatives
Bild von Personalarbeit“, erzählt die HR-
Überzeugungstäterin. „An Administra-
tion denken die Geschäftsführer und
Kollegen, ans Recruiting und daran, dass
man die Gehaltsabwicklung outsourcen
kann. Entsprechend klein ist das Bud-
get“, sagt Rubbens lachend. Sie versteht
sich als Beraterin, die mit einem Team
von sieben Mitarbeitern zuständig ist für
die Jobvisionen und die Firmenkultur.
Innerhalb von fünf Jahren will sie für
die Personalarbeit einen Return on Invest-
ment leisten. Dafür hat sie das Recruiting
verstärkt. Ihre Grundhaltung: „Unsere
Mitarbeiter sind unsere Kunden, schon
deshalb sollte keiner beleidigt aus einem
Bewerbungsverfahren herausgehen,
selbst wenn er den Job nicht bekommt.“
Die richtigen Leute am richtigen Platz
arbeiten zu lassen, dafür wird die Probe-
zeit genutzt: Am ersten Tag wird der neue
Mitarbeiter ein- und herumgeführt. Nach
zwei Wochen wird nachgehakt. Nach drei
Monaten führen Teamleader und HR ein
Gespräch mit dem immer noch Neuen.
Und einen Monat vor Ende der Probezeit
wird entschieden, wer bleibt. „Wir haben
gute Kontakte zu anderen Start-ups“, er-
zählt Cindy Rubbens. „Wenn einer zu uns
nicht passt, geben wir auch schon einmal
den Lebenslauf weiter dorthin, wo er bes-
ser arbeiten kann.“ Ist die Probezeit he-
rum, werden die Mitarbeiter mit einem
Flaschenöffner auf dem Schreibtisch be-
grüßt: Schön, dass ihr da seid.
Wer nicht aktiv ist, hat es schwer
Diese Intensität rechnet sich tatsäch-
lich. Innerhalb der sechs Monate kom-
men die neuen Beschäftigten schnell
ans Arbeiten, können sich aber auch an
die Dawanda-Eigenheiten gewöhnen. So
wird am Freitag ab 17 Uhr die Woche
beendet – bei Bier, Gin und Saft. Der
Umstieg ins Wochenende soll entspannt
genommen und die Kommunikation
zwischen Abteilungen und Projekten
verbessert werden. Es sind oft Kleinig-
keiten: Teamtreffen wurden vom Abend
in die Frühstückszeit gelegt – was fami-
lienfreundlich ist. Bottom-up-Meetings
beschäftigen sich 30 Minuten konzen-
triert mit einem Thema. Die HR-Leute
sammeln das Feedback als Basis für
Veränderung. Vor zwei Monaten startete
die HR-Chefin mit dem Talent Manage-
ment. „Wer sich entwickeln möchte,
wird unterstützt, aber wir müssen auch
gut analysieren, wo wir welche Mitarbei-
ter hinbewegen müssen“, sagt Rubbens.
„Wir müssen durchlässig werden.“ Sie
will in allen Ländern die identischen
HR-Strukturen einziehen, um Innovatio-
nen einen guten Boden zu bereiten.
Durchlässige Arbeitsweisen sind kei-
ne Spielereien für die Gründungsjahre.
Im Gegenteil: Bei Sipgate in Düsseldorf
wird transparentes Arbeiten heute kon-
sequenter gelebt als beim Start vor 17
Jahren. Projekte entstehen beim Ge-
Nicht nur eine Spielerei
für die Gründerjahre:
Bei Sipgate in Düssel-
dorf wird transparentes
Arbeiten heute konse-
quenter gelebt als beim
Start vor 17 Jahren.
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