personalmagazin 1/2016 - page 62

personalmagazin 01/16
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SPEZIAL
_ENTGELT
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
entscheidet sich erst dann, wenn selbige
unbeanstandet das EDV-System der Sozi-
alversicherung durchlaufen hat.
Aus Sicht der Krankenkassen ein ge-
nialer Schachzug, denn dieses System
wälzt die Verantwortung für auftau-
chende Fehler auf den Arbeitgeber ab.
Da wundert es nicht, wenn die EDV-
Verantwortlichen der Kassen diese ra-
dikale Änderung nicht wie gewohnt in
Verwaltungsanweisungen oder Bespre-
chungsprotokollen festgelegt, sondern
eine Gesetzesänderung auf den Weg ge-
bracht haben, die eine Direktverbindung
zwischen Arbeitgebern und Einzugsstel-
le durch die Zwischenschaltung zweier
Server quasi „hoheitlich“ unterbindet.
Melderisiko 1: die Abholpflicht
Neben der Annahmestellen, die eine
technische Vorprüfung vornehmen sol-
len, ist die andere der beiden Einheiten
der sogenannte „Kommunikationsser-
ver“. Diese nach der Gesetzesbegrün-
dung „reine Postverteilungsstelle“ soll
„allein den technischen Transport der
Meldungen an die richtige Adresse si-
cherstellen“. Arbeitgeber sind nicht nur
verpflichtet Meldungen exklusiv allein
an den Kommunikationsserver zu schi-
cken, sie haben außerdem die Pflicht,
einmal wöchentlich Fehlermeldungen
aus dem neuen Postfach abzuholen. Im
ersten Gesetzesentwurf war sogar eine
tägliche (!) Abholpflicht vorgesehen. Die
Abholung wird durch eine Quittung be-
stätigt, sodass die Einzugsstelle bei Be-
darf nachweisen kann, den Arbeitgeber
zur Abgabe einer neuen Meldung aufge-
fordert zu haben. Holt der Arbeitgeber
gar keine Fehlermeldungen ab, werden
diese nach 30 Tagen vom Kommunikati-
onsserver gelöscht.
Melderisiko 2: die Annahmestelle
Hier hat sich der Gesetzgeber Folgendes
ausgedacht: Der nur als Briefkasten ge-
dachte Kommunikationsserver schickt
die Meldungen zunächst an einen wei-
teren Zwischenspeicher weiter, die so-
genannte Annahmestelle. Auch diese
Meldungen in der Sozialversicherung
werden elektronisch abgegeben. Und
das ist auch gut so, denn es bedarf nicht
allzu großer Fantasie sich vorzustellen,
wie die Arbeit in den Personalabteilungen
aussehen würde, wenn noch mit Papier
korrespondiert würde. Hält man sich die
Tatsache vor Augen, dass die automa-
tische Daten-Fernübertragung (DEÜV)
schon im Jahre 1996 eingeführt wurde,
kann das die Verantwortlichen eigentlich
nur mit Stolz erfüllen, denn schließlich
hat die „Konkurrenz“ vom Finanzamt fast
20 Jahre länger gebraucht, den Papier-
krieg abzuschaffen.
Aber leider setzt sich die Vorreiterrolle der
Sozialversicherung nicht fort. Vielmehr
ist zu konstatieren: Alles, was unter der
Überschrift „dialogbasierte Kommunikati-
on“ zwischen Arbeitgebern und Sozialver-
sicherungsträgern bisher versucht wurde
ist gründlich in die Hose gegangen. Inso-
„Auch dieser Versuch wird scheitern“
Bei der automatisierten Datenübertragung sei die Sozialversicherung längst kein Vor-
reiter mehr, meint Thomas Muschiol. Mehr noch: Die aktuelle Änderung sei unredlich.
KOMMENTAR
Beschreibt man die Entwicklung des „Datenbausteins UV“, gleicht dies einer Glosse.
Der Fahrplan ist jedoch Ernst und lässt sich der Gesetzesbegründung entnehmen.
Wir haben das Jahr 2009 geschrieben
Eine gute Idee war geboren: Statt mühsam einmal pro Jahr die Grundlage für die Beitrags-
berechnung der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) zu ermitteln, ein Formular auszufül-
len und der Berufsgenossenschaft zuzusenden, soll dies papierlos und automatisch über
die Entgeltabrechnung funktionieren. Flugs war der „Datenbaustein UV“ programmiert. Es
regte sich jedoch Misstrauen, ob er verlässliche Daten liefert. Daher müssen Arbeitgeber
vorsichtshalber (mittlerweile seit sechs Jahren) zusätzlich Papiermeldungen ausfüllen.
Wir schreiben das Jahr 2015
Die Erkenntnis: Die gute Idee funktioniert nicht, der Datenbaustein wird nicht mehr für
Zwecke der UV eingesetzt! Die Begründung in den Gesetzgebungsunterlagen verweist
darauf, dass der Datenbaustein „ungeachtet aller zwischenzeitlich erreichten Verbesse-
rungen nach wie vor noch nicht hinreichend sicher und fehlerfrei funktioniert“.
Wir werden das Jahr 2019 schreiben
Man wird die gute Idee wieder aufnehmen. Laut Gesetzesbegründung arbeite man im
„Projekt ‚Optimiertes Meldeverfahren in der sozialen Sicherung‘ parallel an der Entwick-
lung eines Alternativverfahrens“. Das werde die gute Idee zum Funktionieren bringen.
Zurück in das Jahr 2016
Das Update für Ihr Entgeltabrechnungsprogramm wird aufgespielt – weiterhin mit dem
eigentlich abgeschafften „Datenbaustein UV“. Die aktuelle Gesetzesbegründung erklärt
dazu: Um die gute Idee 2019 erneut aufzunehmen, brauche man Testläufe. Daher sollen
Arbeitgeber nochmals drei Jahre üben, denn die Qualität der guten Idee wird nur mit
den „2016 und 2017 gemeldeten Daten zu beurteilen sein. Aus diesen Gründen ist eine
Fortführung des Verfahrens [...] bis zum Jahr 2019 unverzichtbar“.
Noch schreiben wir das Jahr 2015 im Winter
Nach der Lektüre des Artikels brauchen Sie eine Tasse Tee mit Schuss. Eine gute Idee.
Der Weg einer ursprünglich guten Idee
ERSTAUNLICHES
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