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TITEL
_MOBILES ARBEITEN
personalmagazin 05/16
E
ine Mobilarbeiterin berichtet:
„Mein Büro – das sind mein
Laptop, meine Laptoptasche,
mein Handy und mein Head-
set.“ Eine andere sagt: „Anfangs musste
ich mich daran gewöhnen, dass in Be-
sprechungen am Telefon alle nonverba-
len Signale wegfallen. Inzwischen habe
ich ein gutes Gefühl für Zwischentöne.“
Eine weitere meint: „Zunächst hatte ich
eine geringere Stundenzahl in Teilzeit
mit meinem Arbeitgeber vereinbart,
konnte dies aber dann auf 75 Prozent
ausbauen.“
Daimler: Ein Viertel arbeitet mobil
Diese drei Erfahrungen charakterisie-
ren zentrale Aspekte des mobilen Ar-
beitens. In der Praxis bestimmen Ge-
setze und Betriebsvereinbarungen den
Rahmen für diese räumlich und zeitlich
flexible Arbeitsform. Beim Autoher-
steller Daimler besteht nach Angaben
von Oskar Heer, Leiter Arbeitspolitik,
seit Ende der 1980er-Jahre die Mög-
lichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten.
1996 wurde die erste Betriebsverein-
barung dazu verfasst. 2009 gab es ein
Update und zurzeit wird erneut über
eine Novellierung nachgedacht. Im ver-
gangenen Jahr haben nach Unterneh-
mensangaben 42.300 Mitarbeiter in
Deutschland ortsunabhängig gearbeitet.
Das entspricht fast einem Viertel der
gut 170.000 Angestellten in Deutsch-
land. Oskar Heer sagt: „Wir bieten unse-
ren Mitarbeitern mehr als 300 flexible
Arbeitszeitmodelle. Wir sind überzeugt
Von
Dirk Neubauer
davon, dass es entscheidend ist, diesen
Freiraum zu bieten, um auch künftig
die besten Talente für uns zu gewinnen.
Denn die wollen mehr Eigenverantwor-
tung und Selbstbestimmung.“
Mit derVereinbarung von2009komme
man heute allerdings nicht weiter, analy-
siert Heer. Sowohl die technischen Mög-
lichkeiten als auch die Bedürfnisse und
Erwartungen der Beschäftigten hätten
sich verändert. Um nicht als Bittsteller
beim Betriebsrat dazustehen, rief das
Management zur Mitarbeiterbefragung
„Mobiles Arbeiten“ auf. 33.500 Beschäf-
tigte nahmen teil. Oskar Heer: „Bei der
Arbeit an unserer neuen, gemeinsamen
Betriebsvereinbarung geht es vor allem
darum, noch mehr Flexibilität als bis-
lang innerhalb der gültigen Arbeitszeit-
gesetze zu ermöglichen.“
Klare Strukturen sind nötig
Das Stichwort Flexibilität greift Daim-
ler-Mitarbeiterin Annette Sarömba auf.
Mobiles Arbeiten ermögliche es ihr,
„für das Unternehmen tätig zu sein, das
mich am meisten begeistert, und dort
zu wohnen, wo ich mich zu Hause füh-
le“. Dazwischen liegen 170 Kilometer.
Annette Sarömba wollte nachmittags
für ihre Kinder da sein. Ihr Chef schlug
ihr vor 15 Jahren vor, mobil zu arbei-
ten. Mittlerweile hat sich ihr Rhythmus
eingespielt: Sie arbeitet 21 Stunden pro
Woche für das Controlling der Nutzfahr-
zeugentwicklung. Zeit und Arbeitsort
teilt sie sich flexibel ein. Normalerwei-
se arbeitet sie einen Tag pro Woche in
Untertürkheim und drei halbe Tage
am Heimarbeitsplatz. Einen Tag hat
sie frei: „Die Zeit vor Ort nutze ich für
Besprechungen mit meinen Kollegen.
Im Homeoffice kann ich konzentriert
meine Aufgaben erledigen – dort werde
ich nicht abgelenkt. Außerdem kann ich
mich viel besser auf Kollegen an inter-
nationalen Standorten einstellen.“
Ihr wichtigster Rat für Kollegen, die
mit der mobilen Arbeit beginnen? Es
brauche einen festen Zeitrahmen, das
gebe dem Arbeitstag eine Struktur: „Die
Kollegen und der Chef müssen sich da-
rauf verlassen können, dass man seinen
Job engagiert macht und nicht noch ne-
benher sein Privatleben managt.“ Wäh-
rend dieser Zeit sollte man ungestört
sein. Ihr Fazit: „Es ist ein Geben und
Nehmen: Das Unternehmen lässt mir die
Es ist ein Geben und Nehmen
PRAXIS.
Für die einen ist mobiles Arbeiten die Chance, Familie und Beruf zu verein-
baren, andere wollen selbstbestimmt arbeiten. Personaler loten die Konditionen aus.
„Ich kann weitgehend selbst bestimmen,
wann und wo ich arbeite. Diese Flexibili-
tät möchte ich nicht mehr missen.“
Julia Aligoraki, Schulungsleiterin im Vodafone-Verkauf