personalmagazin 5/2016 - page 31

05/16 personalmagazin
Das Interview führte
Bärbel Schwertfeger.
noch zu Hause arbeitet, schaden sie
sich letztlich nur selbst. Gerade die
Generierung neuer Ideen ist eng
verbunden mit unserem Wohlbefin-
den und persönlichen Kontakten.
Das wissen auch Unternehmen wie
Google und gestalten ihre Arbeits-
plätze so, dass sich die Mitarbeiter
zwangsläufig ständig in die Arme
laufen. Und wenn eine Sache wirk-
lich wichtig ist, setzen sich Manager
auch heute noch ins Flugzeug. Sie
wissen, wie entscheidend ein per-
sönliches Treffen ist.
personalmagazin:
Die Möglichkeiten
hat aber nicht jeder Mitarbeiter.
Pinker:
Technologie ist leider nicht
der große Gleichmacher, wie wir es
eigentlich erwartet haben. Im Ge-
genteil. Sie schafft eine neue Klas-
sengesellschaft. Denn wer zu seinem
Verhandlungspartner reisen kann,
hat einen Vorteil gegenüber demje-
nigen, der über Skype verhandeln
muss. Online-Kommunikation ist
gut geeignet, um Informationen über
Distanzen hinweg auszutauschen.
Aber sie ist nicht gut, wenn es dar-
um geht, komplexe Probleme zu lö-
sen, die Meinung anderer zu hören
oder schwierige Verhandlungen zu
führen. Man sollte daher immer ge-
nau abwägen, wann und wofür man
Technologie nutzt und man sollte sie
mit realen Kontakten bereichern.
personalmagazin:
Dafür können viele
dank neuer Technologien ihre Ar-
beitszeit individueller einteilen. Das
ist doch zweifellos ein großer Vorteil.
Pinker:
Auch da wäre ich vorsichtig.
In einer neueren Studie haben die
beiden Forscher Cristobal Young und
Chaeyoon Lim die Daten von mehr
als einer halben Million berufstäti-
gen und arbeitslosen Amerikanern
analysiert und herausgefunden, dass
das Wohlbefinden der Menschen
auch davon abhängt, dass sie zur
selben Zeit frei haben wie die ande-
ren. So stieg das Wohlbefinden der
Arbeitslosen genauso wie das der
Arbeitenden zum Wochenende an
und sank zum Wochenbeginn. Die
Forscher schlossen daraus, dass es
nicht die freie Zeit per se ist, die zum
Wohlbefinden beiträgt, sondern die
gemeinsam verbrachte soziale Zeit.
personalmagazin:
Verlieren wir durch
die Nutzung von Smartphone und Co
unsere Fähigkeiten?
Pinker:
Manche Chefs nutzen E-Mails
als Schutzschild, um nicht mit den
direkten Reaktionen ihrer Mitar-
beiter konfrontiert zu werden. Das
ist für mich ein klares Zeichen von
schlechtem Management und kann
sich bitter rächen. Führungskräfte,
die nur noch E-Mails verschicken,
vergessen mit der Zeit, wie man mit
Mitarbeitern redet. Auch Empathie
muss man üben, sonst verlernt man
sie. Und Mitarbeiter, die sich durch
den fehlenden echten Kontakt zu-
rückgesetzt fühlen, verlieren viel-
leicht sogar das Vertrauen in das Un-
ternehmen und suchen sich einen
anderen Job. Gerade Frauen legen
Wert auf einen Job, in dem sie auch
als Mensch respektiert werden.
personalmagazin:
Die Technik wird
immer besser. Glauben Sie nicht,
dass virtuelle Kontakte irgendwann
so realitätsnah sind, dass es keinen
Unterschied mehr zu persönlichen
Kontakten gibt?
Pinker:
Nein. Das ist ungefähr so als
ob man behauptet, dass das Herun-
terschlingen von Fastfood im Auto
dasselbe ist wie das gemeinsame Es-
sen einer selbst gekochten Mahlzeit
mit Freunden oder der Familie. Bei-
de Male nehmen wir vielleicht 2.000
Kalorien zu uns. Aber unser Körper
und unser Gehirn erkennen den Un-
terschied und der lagert sich in jeder
Zelle unseres Körpers ab.
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