personalmagazin 5/2016 - page 21

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05/16 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Das Interview führte
Daniela Furkel.
der Erreichbarkeit und die Ziele. Das ge-
hört ganz klar zusammen. In vielen Un-
ternehmen wird nicht mehr reflektiert,
dass die Ziele extrem zugenommen ha-
ben, die verfügbare Zeit aber die gleiche
geblieben ist. Dann entsteht das, wovon
wir überall lesen: Die psychische Belas-
tung steigt aufgrund von zunehmender
Verantwortung und mehr Zeit- und Ter-
mindruck.
personalmagazin:
Welche weiteren Vo­
raussetzungen sollte ein Unternehmen
schaffen, um mobiles Arbeiten zu unter-
stützen?
Hellert:
Bei der mobilen Arbeit ist es
grundsätzlich wichtig, die Arbeitsleis-
tung zu flexibilisieren. Zusätzlich brau-
chen wir Zeitpuffer, um die notwendi-
gen Spielräume zu schaffen. Denn wenn
Beschäftigte extrem enge Terminvorga-
ben haben, die sie selbst nicht beein-
flussen können, ist es zwar nett, einen
Handlungsspielraum zu haben, aber sie
haben keine Möglichkeit zu reagieren.
Und es gehört Kontrolle dazu. Manche
Unternehmen wünschen sich eine Min-
dest-Präsenzzeit, damit ein Face-to-Face-
Austausch stattfinden kann. Wichtig ist
zudem, verlässliche Ansprechpartner
im Unternehmen zu haben, mit denen
gesprochen werden kann, wenn etwas
nicht funktioniert. Die Team- und Füh-
rungskultur spielt bei mobiler Arbeit
eine wichtige Rolle.
personalmagazin:
Die Unternehmens- und
Arbeitskultur zu gestalten, gilt als eine
der wichtigsten Aufgaben des Personal-
managements.
Hellert:
Das HR-Management kann dazu
beitragen, dass eine Vertrauenskultur
entsteht. Das wird in vielen Unterneh-
men vernachlässigt. Vertrauen ist letzt-
endlich die Voraussetzung dafür, dass
die gesamte Komplexität handhabbar
wird. Häufig stelle ich bei Beratun-
gen in Unternehmen fest, dass immer
noch subtil eine Misstrauenskultur
vorherrscht, dass viele Führungskräfte
Probleme haben, wenn sie keine persön-
liche Kontrolle der Beschäftigten haben.
Eine Vertrauenskultur lässt sich nur
durch persönliche Kontakte und Erfah-
rungen aufbauen. Deshalb ist es wich-
tig, eine Mindest-Präsenzzeit zu haben,
um sich persönlich kennenzulernen.
Durch regelmäßige Meetings oder Work-
shops kann das HR-Management dazu
beitragen, das zu fördern. Es gilt, sich
nicht nur auf die Ziele zu konzentrieren,
sondern auch Raum zu lassen für die
Entwicklung der sozialen Kompetenzen.
Es geht um Schlagworte wie Wertschät-
zung, Aufmerksamkeit und auch Empa-
thie – und nicht um reine Zahlen, Daten
und Fakten. Das HR-Management sollte
regelmäßig reflektieren: Findet das bei
uns statt?
personalmagazin:
Wie groß ist auf Arbeit-
nehmerseite der Wunsch nach mobilem
Arbeiten? Sehen die Arbeitnehmer eher
die Vorteile oder die Gefahren?
Hellert:
Das ist ganz unterschiedlich. In
Unternehmen, die ihren Beschäftigten
eine Vertrauenskultur anbieten, haben
die meisten Mitarbeiter den Wunsch,
mobil oder im Homeoffice zu arbeiten,
weil sie keine Sanktionen erwarten
müssen. In Unternehmen, in denen
das nicht so klar ist und wo eher eine
Misstrauenskultur vorliegt, gehen die
Beschäftigten eher auf Nummer sicher.
Sie wollen auch keine Vertrauensar-
beitszeit, sondern ein- und ausstempeln
und dokumentiert wissen, wann sie
anwesend waren. Aber auch die sozi-
alen und privaten Gegebenheiten tra-
gen dazu bei, ob jemand mobil arbeiten
möchte oder nicht. Es gibt Beschäftigte,
die sagen: Ich habe kleine Kinder, ich
kann zu Hause nicht gut arbeiten, mir
bringt das nichts. Bei denjenigen Perso-
nen, die nicht mobil arbeiten wollen, gilt
es, den Wunsch zu akzeptieren. Wichtig
ist, dass das mobile Arbeiten auf freiwil-
liger Basis erfolgt und nicht vom Unter-
nehmen als selbstverständlich voraus-
gesetzt wird.
personalmagazin:
Das mobile Arbeiten ist
sicherlich auch abhängig von der jeweili-
gen Persönlichkeit?
Hellert:
Ja, es ist eine Typfrage. Das mo-
bile Arbeiten setzt die Kompetenz vor-
aus, sich selbst zu organisieren. Es gibt
Menschen, die das gut können, und
solche, die das nicht so gut können. In
der Psychologie spricht man von „In-Ti-
mer“ und „Through-Timer“. Menschen,
die im Hier und Jetzt leben und sehr
spontan sind, aber nicht so sehr an die
nächste Stunde denken, tun sich schwer
damit, ihren ganzen Tag durchzuplanen.
Anderen fällt das leichter. Die Fähigkeit
zum mobilen Arbeiten wurde in der
Wissenschaft bislang noch nicht rich-
tig thematisiert. Wir hoffen, dass wir
demnächst ein Bundesprojekt starten
können, um genau an diesen Punkten
zu forschen: Die Voraussetzungen für
virtuelle Arbeit.
PROF. DR. ULRIKE HELLERT
ist Hochschul-
lehrerin an der FOM Hochschule in Nürnberg
sowie Direktorin des Instituts für Arbeit &
Personal an der FOM Hochschule. Im Buch
„Arbeitszeitmodelle der Zukunft“ beschreibt
sie die Gestaltungsmöglichkeiten durch
Funktionszeit, Teilzeit, mobile und flexible
Arbeitsformen.
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