personalmagazin 5/2016 - page 28

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TITEL
_MOBILES ARBEITEN
personalmagazin 05/16
DR. TILL HOFFMANN-REMY
ist Fachanwalt für Arbeitsrecht
bei Kliemt & Vollstädt in Frank-
furt am Main.
DR. BARBARA REINHARD
ist Fachanwältin für Arbeits-
recht und Partner bei Kliemt &
Vollstädt in Frankfurt am Main.
• Vorgaben zum Einsatz von Passwör-
tern, Bildschirmsperren, Nutzung von
Lokationsfunktionen und Nutzung der
Cloud-Funktionen eines Gerätes;
• Einsatz technischer Schutzvorrich-
tungen (zum Beispiel Einsatz von Sicht-
schutzfolien am Laptop; Wegfall von
USB- oder sonstigen Schnittstellen);
• Einsatz von Verschlüsselungen,
Firewall, Anti-Virus-Programmen, Secu-
rity-Information-and-Event-Management-
Systemen (SIEM) und Ähnlichem.
Weitere Herausforderungen können
sich durch bereits marktreife Technolo-
gien (zum Beispiel RFID (Radio Frequen-
cy Identification)-Chips in Werkzeugen)
sowie technische Entwicklungen (der
Einsatz von „wearables“ oder „connected
cars“) stellen, die in naher Zukunft auch
die Arbeitswelt betreffen werden.
Thema „Arbeitsschutz“:
Pflichten an Arbeitnehmer delegieren
Sofern ein Arbeitnehmer im Wissen
und Wollen des Arbeitgebers außerhalb
des Betriebs tätig wird, handelt es sich
um Arbeitsplätze im Sinne des Arbeits-
schutzes. Dann trifft den Arbeitgeber
auch die „volle Breitseite“ der arbeits-
schutzrechtlichen Vorschriften: Er hat
die Arbeitsbedingungen im Sinne einer
Gefährdungsbeurteilung zu bewerten
und notwendige Arbeitsschutzmaß-
nahmen zu treffen. Allerdings sind die
Anforderungen an den konkreten Heim-
arbeitsplatz deutlich höher als an den
Latte-Macchiato-Arbeitsplatz, der gera-
de keiner festen Ortsbindung unterliegt.
Im letzteren Fall werden sich Pflichten
des Arbeitgebers auf notwendige Hin-
weise, Warnungen und letztlich eine De-
legation von Sorgfaltspflichten auf den
Arbeitnehmer beschränken.
Bei der regelmäßigen Nutzung eines
„Heimarbeitsplatzes“ treffen den Arbeit-
geber aber dieklassischenOrganisations-
pflichten wie auch die weitergehenden
Anforderungen aus konkretisierten
Schutzvorschriften (zum Beispiel die
Einrichtungs- und Ausstattungsvorga-
ben der Bildschirmarbeitsplatz-Verord-
nung). Vor diesem Hintergrund sind
Zutritts- und Kontrollrechte des Arbeit-
gebers dringend erforderlich.
Thema „Arbeitszeit“:
Gesetz verhindert Flexibilisierung
Die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes
(ArbZG) gelten immer, wenn der Arbeit-
nehmer im Sinne des Gesetzes „arbeitet“
– gleichgültig, an welchem Ort und in
welchem Umfang. Alle Versuche, zumin-
dest niedrigschwellige Tätigkeiten nicht
als Arbeiten nach dem ArbZG zu definie-
ren, wie etwa die kurze Antwort auf eine
E-Mail, sind bisher beim Gesetzgeber auf
taube Ohren gestoßen. Daher gilt: Jede
Teilnahme an einer beruflichen Telefon-
konferenz, jedes Einloggen ins System
zur Erledigung von Arbeiten führt zu Un-
terbrechungen von Ruhe- und Urlaubs-
zeiten und ist bei der Bestimmung von
Nachtarbeiten oder der Berechnung von
Höchstarbeitszeiten zu berücksichtigen.
Da der (bewusste) Verstoß gegen das
ArbZG mit empfindlichen Bußgeldern
belegt ist, wird derzeit politisch heftig
eine Modernisierung des Gesetzes dis-
kutiert. Bei allem Verständnis für den
Wunsch nach einem Überforderungs-
schutz verhindert das ArbZG eine auch
von Arbeitnehmern massiv gewünschte
Flexibilisierung von Arbeitsformen und
macht damit „Arbeiten 4.0“ unmöglich.
Thema „Mitbestimmung“:
Klassische Tatbestände nach BetrVG
Die Gestaltung moderner Arbeitsformen
ist nicht ohne Beteiligung des Betriebs-
rats durchzuführen, da es zahlreiche
Überschneidungen mit „klassischen“
Mitbestimmungstatbeständen gibt:
• Mobiles Arbeiten soll häufig mit einer
Flexibilisierung von Arbeitszeiten ein-
hergehen, sodass § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3
Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) be-
troffen ist. So sollen zum Beispiel Gleit-
zeitrahmen, die Fünftagewoche oder
klassische betriebliche Pausenzeiten
erweitert werden.
• Der Einsatz moderner IT stellt immer
Schnittstellen zum Tatbestand der mitbe-
stimmten Leistungs- und Verhaltenskon-
trolle nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dar.
• Der Betriebsrat ist bei der Ausgestal-
tung des Arbeitsschutzes, insbesondere
auch der Durchführung von Gefähr-
dungsbeurteilungen zu beteiligen nach
§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG.
Über die gesetzlichen Tatbestände hi-
naus kann eine Beteiligung des Betriebs-
rats auch notwendig oder sinnvoll sein,
wenn beispielsweise die Anzahl mobiler
Arbeitsplätze eingeschränkt und eine
Auswahl nach allgemeinen Kriterien fest-
gelegt werden soll (Auswahlrichtlinie)
oder der Arbeitgeber die mit einer Home-
office-Lösung verbundenen wirtschaftli-
chen Zuwendungen allgemein gestalten
will (betriebliche Lohngestaltung).
Fazit: Vereinbarungen für praxisnahe
Gestaltungsformen nutzen
Die geschilderten Arten von „NewWork“
sind zwingend erforderlich, wollen deut-
sche Arbeitgeber keine Wettbewerbs-
nachteile gegenüber internationalen
Konkurrenten erleiden. Daher müssen
sie auf Basis geltenden Rechts mithilfe
individual- und kollektivvertraglicher
Vereinbarungen offene Gestaltungs-
fragen klären, um neue Arbeitsformen
möglichst rechtssicher zu gestalten.
Unternehmen müssen
mithilfe individual- und
kollektivvertraglicher
Vereinbarungen offene
Gestaltungsfragen klä-
ren, um neue Arbeitsfor-
men sicher zu gestalten.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
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